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Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 25. Okt 2018 22:36
von raheri
Das ist ein gutes Argument und die Kraft ist nicht unbeträchtlich. Wenn man nur mit 120 unterwegs ist, entspricht das schon Windstärke 12 :-)

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 28. Okt 2018 14:05
von versysmuc
raheri hat geschrieben: 25. Okt 2018 22:36 Das ist ein gutes Argument und die Kraft ist nicht unbeträchtlich. Wenn man nur mit 120 unterwegs ist, entspricht das schon Windstärke 12 :-)
Mit einer groben Überschlagsrechung (Vorsicht: Wortspiel :cheers: ) komme ich bei 120Km/h auf eine Kraft von 330 N, das entspricht der Gewichtskraft von rund 33kg.
In welcher Höhe diese Kraft angreift, d.h. die Länge des Hebelarms ist natürlich schwer zu schätzen.
Etwa in der Mitte zwischen Fahrerfussraste und Schulterhöhe des Fahrers könnte wohl hinkommen.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 28. Okt 2018 19:04
von raheri
Hallo Richard,
hab auch mal ein bisschen gerechnet. Muss aber sagen, dass ich in der ganzen Strömungsmechanik nicht drinstehe.
Basiert also alles auf Wikipedia.
Bei turbulenter Strömung:
F = k * v²
mit k = 0.5 * cw * A * rho
habe für ein Motorrad mit Fahrer den cw-Wert mit 0.8 und die Fläche A mit 1m² angesetzt.
Für die Luftdichte rho spuckt mir Google 1.225kg/m³ aus. Die Einheiten stimmen zumindest mal.
Bei Tempo 120 ergibt sich eine Kraft von ca 540N also ca 54kg Gewichtskraft. Irgendwo habe ich gelesen (glaube im link von Kirsten), das ein Motorrad idealerweise mit ca. 1g verzögern kann. Setzen wir die Masse von Maschine + Fahrer = 300kg, ergibt sich F = 3000N.
Das heißt die Luftwiderstandskraft ist relevant. Sie kommt bei langsamen Tempo (quadratische Abhängigkeit) kaum zum tragen. Klar müsste man korrekterweise noch den Schwerpunkt bestimmen und ein Kräftezerlegung machen, aber das ist mir zu kompliziert.
Viele Grüße
Rainer

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 1. Nov 2018 19:31
von versysmuc
raheri hat geschrieben: 28. Okt 2018 19:04
Bei Tempo 120 ergibt sich eine Kraft von ca 540N also ca 54kg Gewichtskraft. Irgendwo habe ich gelesen (glaube im link von Kirsten), das ein Motorrad idealerweise mit ca. 1g verzögern kann. Setzen wir die Masse von Maschine + Fahrer = 300kg, ergibt sich F = 3000N.
Hallo Rainer,

Danke für den Vergleich mit der Bremskraft, das verdeutlicht die Größenordnung.
540N bei 120km/h entspricht 24,5 PS am Hinterrad um den Luftwiderstand zu überwinden, dabei ist der Rollwiderstand nicht eingerechnet.
Rechnet man das auf 150km/h hoch, so sind es 47,8PS am Hinterrad (nur um den Luftwiderstand zu überwinden, auch dabei ist der Rollwiderstand nicht eingerechnet).

Das wird man mit dem 40PS Motor nicht schaffen, daher wird es wohl bei 120 km/h doch ein wenig weniger als die 540N sein.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 1. Nov 2018 21:24
von raheri
versysmuc hat geschrieben: 1. Nov 2018 19:31
540N bei 120km/h entspricht 24,5 PS am Hinterrad um den Luftwiderstand zu überwinden, dabei ist der Rollwiderstand nicht eingerechnet.
Rechnet man das auf 150km/h hoch, so sind es 47,8PS am Hinterrad (nur um den Luftwiderstand zu überwinden, auch dabei ist der Rollwiderstand nicht eingerechnet).

Das wird man mit dem 40PS Motor nicht schaffen, daher wird es wohl bei 120 km/h doch ein wenig weniger als die 540N sein.
Hallo Richard,
auf diese crosscheck-Möglichkeit mit der Leistung und der Höchstgeschwindigkeit bin ich noch gar nicht gekommen. Kann sein, dass der Quadratmeter Fläche und/oder der cw-Wert von 0,8 etwas zu hoch angesetzt sind. Solche "Berechnungen" sind ja doch eher grobe Schätzungen. Die Hochrechnung auf 150km/h kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wenn der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit wächst, sollte er 150²/120² = 1,56 mal höher sein (bei Dir Faktor 2). Die erforderliche Leistung um den gleichen Faktor (ca. 37PS).
Fehlt immer noch der Rollwiderstand - aber immerhin :-)
Grüße
Rainer

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 2. Nov 2018 14:46
von versysmuc
raheri hat geschrieben: 1. Nov 2018 21:24
Die Hochrechnung auf 150km/h kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wenn der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit wächst, sollte er 150²/120² = 1,56 mal höher sein (bei Dir Faktor 2). Die erforderliche Leistung um den gleichen Faktor (ca. 37PS).
Hallo Rainer,

der Luftwiderstand, also die Kraft F steigt quadratisch. Geschwindigkeit v steigt linear. Die benötigte Leistung P steigt mit hoch drei, denn P = F * v.
Somit ergibt sich der Faktor als (150/120) hoch drei, also knapp Faktor 2.

Hinweis für alle die nicht den ganzen Thread gelesen haben:
Das betrifft den Luftwiderstand, ohne Rollreibung und ohne Verluste zwischen Kurbelwelle und Hinterrad.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 4. Nov 2018 10:37
von raheri
Hast Recht Richard,
die Leistung geht mit der 3. Potenz. Dann sollte auch der Spritverbrauch (Energie = Arbeit = Leistung x Zeit) mit der 3. Potenz der Geschwindigkeit gehen -jedenfalls wenn man pro Zeit rechnet. Nehmen wir mal an: Der Verbrauch liegt bei 3l auf 100km bei 50km/h dann wären das 24l bei 100kmh. Jetzt kommt man in der gleichen Zeit aber doppelt so weit - ergibt aber immerhin noch 12l auf 100km (beide Geschwindigkeiten im gleichen Gang gefahren). Was jeglicher praktischen Erfahrung widerspricht. Man kommt bei 100 eher auf 4l. Der Wirkungsgrad ist bei 100km/h zwar besser. Das macht den Unterschied aber nicht aus. Siehst Du noch andere Gründe?
Grüße Rainer

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 4. Nov 2018 18:50
von versysmuc
Hallo Rainer,

Bei 50 km/h ist der Luftwiderstand das wenigste. Hauptsächlich wird man den Sprit brauchen, damit der Motor sich überhaupt dreht (innere Reibung), der Wirkungsgrad verschlechtert sich aufgrund der sogenannten Drosselverluste. Geht man dann auf 100km/h bleibt der Aufwand für die innere Reibung gleich (in pro km gerechnet), der Luftwiderstand ist etwas höher und der Wirkungsgrad wird besser. Die gegenläufigen Effekte gleichen sich also teilweise gegenseitig aus.

Würde man die gleiche Rechnung mit 120km/h zu 240 km/h machen, sähe das schon anders aus. Geht natürlich nicht mit der 300er, da braucht man schon eine 1000er

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 4. Nov 2018 19:19
von raheri
Hallo Richard,
mir geht es darum, dass man die v³ Abhängigkeit beim Spritverbrauch komischerweise nicht sieht. Die Geschwindigkeiten 50 und 100 habe ich bewusst gewählt, weil es damit sehr deutlich wird. Der Luftwiderstand bringt ja 2 Potenzen und ist damit berücksichtigt, kann also nicht zur Erklärung herangezogen werden. Die Verbesserung des Wirkungsgrades macht bestenfalls 10% aus.
Grüße Rainer

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 5. Nov 2018 19:42
von versysmuc
raheri hat geschrieben: 4. Nov 2018 19:19
mir geht es darum, dass man die v³ Abhängigkeit beim Spritverbrauch komischerweise nicht sieht.
Hallo Rainer,

Luftwiderstand: die Leistung steigt hoch 3, die Kraft und der Spritverbrauch hoch 2.
Rollwiderstand: die Kraft ist konstant (da bin ich mir nicht sicher), die Leistung folglich hoch 1 zu v.
Innere Reibung: die Leistung steigt linear mit v, weil man aber auch schneller fährt, bleibt die Arbeit (Verbrauch) über die Strecke gesehen gleich. Gleicher Gang vorausgesetzt.

Für genaue Abschätzungen müsste man exakt messen. Dazu müsste man auf ebener Straße bei Windstille über längere Zeit mit konstant 50km/h und 100km/h fahren. Das wird man in der Praxis nie schaffen. Ständiges Beschleunigen und Bremsen, wie im Stadtverkehr üblich, erhöht den Verbrauch deutlich.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 27. Jan 2019 18:09
von kopri
Ich übe mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf einem Parkplatz. Dabei mache ich auch immer ein paar Vollbremsungen bis zum Stillstand; so wie bei der Grundfahraufgabe in der Fahrschule. Ich wiege ca. 90 kg. Das Hinterrad kommt bei ca. 70 km/h ein Stück hoch, wenn man vorne voll in die Eisen geht. Man muss es einfach wieder mal machen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Definitiv kann ich bestätigen: Je höher die Geschwinidigkeit, desto mehr Stoppie. Ist ja auch von der Physik her völlig logisch.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 31. Jan 2019 00:08
von raheri
Hallo kopri,
danke für Deinen Beitrag. Ich habe die Erfahrungen bei ca. 50km/h gemacht. Allerdings kam das Hinterrad nicht sofort hoch, sondern erst als ich schon langsamer war. Habe aber nicht gleich von Anfang an voll gebremst. Bei der Geschwindigkeitsabhängigkeit und der Physik habe ich noch Fragen. Ich finde es beunruhigend, wenn man bei hohen Geschwindigkeiten nicht voll in die Eisen gehen darf. Richard hat ein gutes Argument gebracht, was gegen eine Zunahme der Stoppi-Neigung mit v spricht: Luftwiderstand geht quadratisch mit v (siehe weiter oben). Kannst ja mal Deine physikalische Begründung mitteilen.
Viele Grüße
Rainer

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 4. Feb 2019 21:21
von kopri
Hallo Rainer, "Physik" ist vielleicht etwas falsch gesagt. Nennen ich es lieber meine bescheidene, nicht-wissenschaftliche Alltagserfahrung mit Gegenständen in der physikalischen Welt: Das Drehmoment in Richtung Salto über den Lenker müsste umso großer sein, je mehr Ausgangs-Geschwindigkeit man in dem Moment hat, in dem man voll in die Bremse langt.

Allerdings: Das ABS wird die Höhe der Geschwindigkeiten sicherlich auch berücksichtigen. Das ist vielleicht die Erklärung, warum wir bei Vollbremsungen im Bereich 50 - 70 km/h überhaupt das Hinterrad hoch bekommen; vielleicht fanden die Ingenieure diesen Bereich ungefährlich, was die Salto-Gefahr angeht. Keine Ahnung. Dies sind alles nur Vermutungen.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 5. Feb 2019 09:11
von tanni60
also:

ich kenne das weder von meiner Kilo Versys noch von meiner Yamaha.
Ich "reiße" regelmäßig mal kurz an der Vorderradbremse, um das ABS zu checken (Paranoia ?) und das kann man sehr früh auslösen, finde ich.
Dabei löst das ABS aus, noch bevor die Gabel so richtig abtaucht.

Auch beim Anbremsen vor Kurven und Blitzern (Tempo über 50 kmh) sprang bei mir das ABS schon mal an, aber der Arsch ging da nie hoch.

Ich persönlich würde vermuten, dass der Effekt bei höheren Geschwindigkeiten eher geringer wird, da die Bremsen an ihre bauartbedingten Grenzen kommen, für kleinere Geschwindigkeiten sind die ja eher überdimensioniert.

Aber mir stellt sich gerade die Frage: wie machen denn das die Profis auf den ganzen Videos und Shows ???

Hier ist das problem kurz erklärt, da war ich wohl bislang zu unbedarft, vielleicht bin ich auch einfach schwer genug :frog:

https://www.motorradonline.de/motorraed ... 64951.html

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 8. Feb 2019 16:02
von versysmuc
tanni60 hat geschrieben: 5. Feb 2019 09:11

Hier ist das problem kurz erklärt, da war ich wohl bislang zu unbedarft, vielleicht bin ich auch einfach schwer genug :frog:

https://www.motorradonline.de/motorraed ... 64951.html
Der Artikel erklärt es sehr gut, beim Vergleich mit dem Auto hat er aber einen Fehler drin.
Der Vorteil beim Auto kommt daher, weil der Radstand viel größer ist als beim Motorrad.
Würde man den im Artikel beschriebenen "Cruiser" so lang und tief bauen wie ein Auto, gäbe es sicher kein Stoppie mehr.
Übrigens gibt es auch Autos, wo beim Bremsen die Hinterachse leicht wird.
Ich habe mal einen 350Z aus 250km/h zusammengebremst, da spürt man den Effekt deutlich.

Re: Stoppie-Verhalten Versys X

Verfasst: 9. Feb 2019 21:32
von JanL
Hallo

Das Stoppieverhalten gibt es auch vereinzet bei vierrädrigen Fahrzeugen. Ein prominenter Vertreter ist der oft in Stäten und Gemeinden anzutreffende Multicar. Besonders die älteren Baujahre, bei keiner oder geringer Beladung, waren davon betroffen. Die neueren Baujahre haben das Problem durch den längeren Radstand nicht mehr.
Übrigens wird das Stoppieverhalten auf Seite 93 im Kapitel Fahranweisungen der Betriebsanleitung erwähnt. Hier geht klar hervor, dass das ABS nur das Blockieren der Räder verhindert und nicht das Abheben des Hinterrades. Somit bleibt uns nur vorausschauend fahren, dosiert bremsen und nicht sinnlos voll in die Bremsen greifen.

Jan