Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

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blahwas
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Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#1 Beitrag von blahwas »

Höhentreffen - was ist das eigentlich? Den Text kopiere ich einfach mal vom vorletztjährigen Bericht: "Das Höhentreffen ist eine Veranstaltung für Reisewillige aus dem Versysforum. Wer mag, trifft sich für eine Woche in einem Hotel in Norditalien und genießt Kurven und was das Leben sonst noch so zu bieten hat. Es ist nicht jedes Jahr der gleiche Ort, und es kommen je nach Jahr 8-30 Leute. Man fährt in Gruppen oder alleine. Das gibt es jetzt schon seit 2011 und es hat mich motiviert, endlich mal in den Alpen Motorrad zu fahren, wo es bekanntlich die meisten Kurven und die schönsten Aussichten geben soll. Ich wurde nicht enttäuscht und war angefixt und seitdem noch viele Male auf dem Höhentreffen, und auch zu anderen Anlässen in den Alpen." Ergänzen möchte ich noch, dass es keine Reiseleitung gibt, keinen Veranstalter und keinen Gruppenzwang.

Dieses Jahr konnte ich mich auf keinen fremden Autohänger drauf schmuggeln, und so habe ich den Autoreisezug als Anreisemittel meiner Wahl auserkoren. Die ÖBB fährt jeden Tag (oder eher jede Nacht) Düsseldorf-Innsbruck. Abends drauf, im Zug schlafen, morgens runter. Klingt gut. Das habe ich noch nie gemacht, das will ich ausprobieren. Das Höhentreffen ist ein Basislager-Treffen: Man fährt Touren rund um einen Punkt. Ich habe mir auch die Folgewoche frei genommen und will über "schön" nach Hause fahren. Ich bin immer noch im Passknackerwahn und sammle möglichst viele Pässe. Die Routenplanung habe ich vorher gemacht. Sie sieht etwa so aus für die Rundtouren:

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Und so für die Abreise:

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Da ich das mittlere Wochenende weg sein werde, verbringe ich das WE zuvor und danach noch daheim bei meiner Liebsten und werfe mich erst am Sonntag in den Zug, so dass ich Montag Abend am Höhentreffen selbst ankommen werde. Die meisten Anderen kommen schon Samstag Abend an.

Ausrüstung: Da ich den Großteil der Reise in Italien verbringen werde, trägt die Versys rot-grün. Reifen sind CRA3 drauf. Der Vorderreifen hat schon viel erlebt und ist danach wahrscheinlich fertig, aber der halb abgefahrene Sportreifen auf der anderen Zweitfelge wird die Distanz sicherlich nicht überstehen. Wir reden hier immerhin von 550 km Anreise, 5x 250-450 km Tagestouren und 2700-3100 km Abreise. Mechanisch ist die Maschine top, aber manchmal leckt etwas Kühlwasser aus dem rechten Schlauch, was den rechten Stiefel nass macht. Das kann man bequem einmal die Woche wieder auffüllen.


Sonntag 23.9. Anreise zum Autoreisezug
Sonntag packe ich alles und setze mich gegen 18:30 Uhr aufs Motorrad. Es ist richtig schlechtes Wetter, ich trage Regenkombi und merke schnell, dass meine Stiefel undicht sind. Dafür ist die Straße dicht, in Düsseldorf, ohne Umleitung, und dunkel ist es auch schon. Im Regen finde ich einen anderen Weg zum Autoreisezug-Termin und erfahre da, dass der Zug heute ausfällt. Das sagt einem vorher leider keiner, man hätte es allerdings aktiv online nachschauen können.
Rührige Mitarbeiter buchen mir am Telefon (normale Kundenhotline) ein Ticket für den nächsten Tag. Andere Gäste bekommen ein Hotel in der Nähe, und auch die ÖBB-Mitarbeiter müssen auch in Düsseldorf übernachten und dort den Tag verbringen. Ich fahre lieber wieder einfach die 30 Minuten nach Hause und warte auf den nächsten Tag.


Montag 24.9. Anreise zum Autoreisezug, zweiter Versuch
Was macht man so einem Urlaubstag, an dem man nicht im Urlaub ist, sondern noch daheim? Da ich im Büro genug zu tun habe, gehe ich einfach dorthin und trete meinen Urlaubstag nicht an. Den kann ich später besser verwenden. Morgens und abends wird daheim aus der Plastiktüte gelebt, die ich mir eigentlich für den Zug gepackt hatte, und die in den Tankrucksack passt. Ich will ja am und im Zug nicht in der Packrolle wühlen müssen.

Heute bin ich früher dran als gestern, und der Autoreisezug fährt heute tatsächlich. Motorräder landen unten. Die Durchfahrtshöhe beträgt 158 cm. Das ist wirklich wenig, das wusste ich auch vorher schon, aber in real ist es nochmal deutlich niedriger als man es sich vorstellt. Ohne Helm darf man nicht rein, und ich beuge mich so weit vor, wie es geht, fahre mit den Helm auf dem Tankrucksack, und hole mir trotzdem Schrammen am Helm. Mehr als zwei Meter voraus gucken geht in dieser Haltung auch nicht. Die Packrolle hätte ich gerne auf dem Motorrad gelassen, aber die Verlademitarbeiter waren dagegen, weil sie etwas wackelte. Nun denn, wofür habe ich extra den Schultergurt dran gemacht. Ich beobachte noch das Verzurren meines Motorrads und weise 3x darauf hin, dass die rechte untere Seitenverkleidung vom Gurt Kratzer an der Oberseite kriegen wird - aber man hört nicht auf mich, und eigentlich es mir auch egal.

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Der Bahnsteig ist praktischerweise direkt neben dem Autowagon, vorne ist schon der Personenwagon dran, und so habe ich nur einen kurzen Laufweg mit meinem Gepäck zum Personenwagon. Ich habe ein 4er Abteil gebucht (zweitniedrigste Klasse, 10 Euro Aufpreis auf 6er Abteil). Da sind 4 Betten drin, auf denen man sitzen kann. Im 6er hätte ich sicherlich Probleme mit der Höhe. Packrolle und Tankrucksack passen unter mein Bett, Motorradkleidung passt auf die Ablagefläche oberhalb der Tür. Ich habe heute zwei nette und einen schweigsamen Mitbewohner. Mit denen steht und fällt die Erfahrung natürlich, denn wer hier einen Wagen voller ausgelassen feiernder Fußballfans erwischt, der kann sich Schlafen mal getrost abschminken. Rauchen ist im gesamten Zug verboten, aber man hört immer mal wieder Gerüchte, dass manche es eben doch tun. Das Bett ist 190 cm lang, genau wie ich, und damit bin ich fast zu groß. Ungewohnt ist, dass das Bett deutlich zur Wand hin abfällt, und dass man quer zur Fahrtrichtung liegt, also in Kurven immer "rauf" oder "runter" rutscht. Es gibt zwei 230V-Steckdosen im Abteil. Der Zug fährt pünktlich, und das Geschaukel stört mich nicht, aber dann steht der Zug nachts zwischen Nürnberg und München ziemlich lange rum, was mich irgendwie mehr stört als das Schaukeln zuvor. Naja, eine Nacht ohne intensiven Schlaf kann ich ohne Abstriche vertragen, da war die Zeit der letzten Firma mit Dienstreisen jede Woche und Montag 9 Uhr beim Kunden sein, egal wo in Deutschland, doch zu was gut. In der neuen Firma wird sorgfältig geplant und das kommt nicht mal mehr jeden Monat vor. Ich hab's schon gut. Und nun, gute Nacht!

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#2 Beitrag von blahwas »

Di 25.9. Anreise Innsbruck-Lavarone über Umbrail und Gavia
Gegen 8 Uhr wird im Zug ein einfaches Frühstück serviert. Gegen 9 Uhr erreicht der Zug Innsbruck. Es ist hell und sonnig draußen. Drinnen war es die ganze Nacht eher warm, was wohl typisch für den Autoreisezug sein soll - meinen meine Mitfahrer, bei mir war es die erste Fahrt. Zum Entladen der Fahrzeuge muss der Zug geteilt und rangiert werden, darum hat man 200 Meter Laufweg und etwa 20 Minuten Pause, bis das Entladen beginnen kann. Ich werfe mein Gepäck an die Seite und verfolge aufmerksam das Entladen, damit ich den Betrieb nicht verzögere. Auch hier ist wieder Helmpflicht, und auch hier haue ich mir den Helm wieder ein paar Mal an, dabei ist Tankrucksack noch nicht mal dran. Dieses Mal falle ich drauf rein, dass man sich auch dann noch die Rübe anhauen kann, wenn man längst vom Zug runter ist, weil oben ja die Rampe fürs Obergeschoss drüber ist. Blick heben mit gesenktem Kopf klappt halt nicht. Das Motorrad wird zügig beladen, wobei es wieder von Vorteil ist, dass ich die Rolle nicht öffnen muss, und Rokstraps sind eh genial.

Um 9:40 besteige ich die Versys, starte die Musik (wer mag kann sie im Hintergrund laufen lassen: Anthony Rother, ist elektronisch) und werfe ich mich den morgendlichen Stadtverkehr der pulsierenden Metropole Innsbruck - dachte ich. Tatsächlich ist es eher wenig los, aber viele Ampeln stehen dumm rum, und typisch Österreich auch viele Blitzer. Ich bleibe also anständig, vermeide die 5 Kilometer Autobahn, für die ich keine Plakette kaufen wollte, und biege links ab zum Kühtai. Es geht 41 km parallel zum Inntal, landschaftlich sehr schön, nicht zu verwinkelt zu fahren, und das alles bei bestem Wetter und bis auf 2020 Meter Seehöhe. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Allerdings habe ich 500 km vor mir nach Lavarone, und es gibt um 19 Uhr Abendessen. Keine Zeit zum Trödeln!

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Runter ins Tal geht's über Sattele, einen Passknackerpunkt inmitten verwinkelter Waldstrecken. Mann könnte jetzt links ins Ötztal abbiegen und dann am Timmelsjoch rauskommen, aber ich gönne mir mal was neues und einen Umweg, und zwar über den Reschenpass. Zunächst liegt die Pillerhöhe (!) am Weg, dann geht es ein langes Stück B180 nach Süden. Irgendwann feiert meine Versys ein wenig Geburtstag.

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Der Reschenpass ist verkehrsreich und gerade, aber landschaftlich trotzdem schön und man kann überholen. Außerdem kann man nebenbei noch zwei Passknackerpunkte sammeln, die Festung Finstermünz und die Norbertshöhe Richtung Schweiz. Nach der Passhöhe zum Reschenpass ist man schon in Italien, und es taucht ein kitschiger See auf, mit dem versunkenen Kirchturm, den sicher jeder schon gesehen hat, darum halte ich nicht für ein Foto - ein wenig eilig habe ich es allerdings auch.

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Nagut, ein Foto habe ich doch, das fransjup freundlicherweise gemacht hat :)

Darum entfällt auch der Abstecher zum Ofenpass, nachdem ich rechts in die Schweiz abbiege, um den Umbrail von Nord nach Süd zu fahren. Irgendwann fahre ich mitten durch eine Kirche durch. Der Black Metaller in mir frohlockt (beim Fahren höre ich aber lieber elektronische Musik).

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Diese Strecke ist gut ausgebaut, aber voller Kehren, und immerhin der höchste Pass der Schweiz mit 2501 Meter. Hier ein Blick nach Norden.

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Die Passhöhe ist mein erster Schweizer Passknackerpunkt. Die Landschaft ist sensationell und die Passhöhe verleitet zum erkunden. Man bewegt sich entlang der Grenze nach Italien, wo meine Route weiter geht.

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Man hat das Stilfser Joch in Sichtweite, also fahre ich da halt mal hin. Nebenbei kann ich ja die Bretze mampfen, die ich mir eigentlich für den Autoreisezug mitgebracht hatte. Mein selbsttönendes Visier tönt sich jenseits der 2000 Meter richtig gut, es ist ja auch mehr UV-Licht vorhanden, je höher man kommt. Oben am Stilfser Joch habe ich um diese Jahreszeit tatsächlich einen Parkplatz gefunden, und kehre alsbald wieder um. Es ist viel los für eine Passhöhe und es erinnert an ein Einkaufszentrum. Die Westseite des Stilfser Jochs jenseits des Umbrails habe ich heute weitgehend für mich alleine, und die Strecke ist landschaftlich durchaus reizvoll.

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Fahrerisch im Prinzip auch, denn es ist wenig los, aber es herrscht Tempolimit 60 und ob der Prominenz dieser Strecke bin ich da mal vorsichtig. An einem Tunnel mit Wechselampel muss ich tatsächlich auf Druckknopf drücken, wie an den Fußgängerampeln daheim.

In Bormio angekommen kann ich links zügig nach Lavarone, oder rechts noch einen netten Abstecher Richtung Schweiz machen. Der Passo Foscagno und Passo Eira sollen meine nächsten Ziele sein. Zu meiner Verwunderung passiere ich schon wieder eine Zollstation - aber nur eine. Bin ich jetzt im Niemandsland? Ein Blick auf die nächste Tankstelle zeigt Preise um 1,09 Euro für einen Liter Super. Ah, da war doch was! Livigno ist ein Zollfreigebiet wegen der schlechten Zugänglichkeit, und die Gemeinde erhebt nicht mal Mehrwertsteuer. Auch die Landschaft rundum ist sehr schön, denn wir sind hier durchgängig jenseits der 2000 Meter und kein Baum steht im Weg.

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Ich hätte eh tanken müssen und nehme den Bonus gerne mit. Mit dem restlichen Sprit komme ich bis nach Lavarone und morgen sicher noch bis zum Mittag, wenn ich heute Abend keine Zeit oder Lust mehr zum Tanken haben sollte. Dann kehre ich um, und treffe an der Kreuzung in Bormio eine Gruppe Ferraris wieder, die mir am Stilfser Joch entgegen kamen. Keine Ahnung wo die so lange rumgetrödelt haben. Eigentlich haben sie Vorfahrt, aber das ist nicht auf den ersten Blick klar, weil die Hauptstrecke eine Kehre macht, darum hält ein blauer Zwölfzylinder abrupt an. Die Lücke nehme ich dankend an, und dahinter bildet sich zum Glück kein Klumpen aus italienischer Edelmetall und -plastik.

Für mich geht's als nächstes über den Gaviapass. Da war ich schon sehr lange nicht mehr, aber ich habe die Ausfahrt noch als sehr schön in Erinnerung. Das muss 2011 oder 2012 gewesen sein, mit Ander als Tourguide und Gunigs noch dabei. Ich habe erneut tolle Landschaft und außerirdische Farben jenseits der 2000 m - danke an die Selbsttönung in Visier und Brille - oder nein, die sind ja echt so! Wow! Der Gavia hat ein paar Kehren und längere nahezu gerade Anteile. Schnelle Kurven sucht man vergeblich, das ist aber auch gut so, denn die Strecke ist eher einspurig. Gut, dass sehr wenig Verkehr ist. Eine heiße Schokolade und ein Panini an der Passhöhe muss einfach sein, um den Ort zu genießen.

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Von hier geht es jetzt über den schnellsten Weg und ohne Umwege nach Lavarone. Der Passo del Tonale liegt in einem echt langen Tal. Auf der Autobahn werde ich von einem Einheimischen intensiv bedrängelt und dann rechts überholt, der meint mein Sicherheitsabstand nach vorne wäre zu groß. Er schafft es ziemlich genau ein Auto zu überholen, bis seine Ausfahrt kommt und er abfahren muss. Das hast du toll gemacht, denke ich mir so, aber was geht mich das an. Ich bin hier zu Gast und mache Einheimischen keine Vorschriften. Gegen 18 Uhr ist östlich von Trento schon was los, auch auf den Strecken in die Berge, aber nichts davon kann eine Versys lange aufhalten, Packrolle hin oder her :) Das Hotel in Lavarone erreiche ich sehr pünktlich und freue mich über das Wiedersehen mit der Truppe und auch dem Wirt und dem Hotel. Das Haus hat schon etwas besonders an sich. Eigentlich wollte ich noch tanken fahren, aber das kann ich auch morgen noch machen. Irgendwer hat schließlich immer nicht getankt oder 'ne Sopermoto mit weniger Gesamtreichweite als ich Restreichweite...

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Abends ist die Stimmung gut, ich bin der letzte Angereiste und es werden Pläne für den nächsten Tag geschmiedet. Angekommen! :)

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#3 Beitrag von blahwas »

Mi 26.9. - Passo Maniva mit Fransjup, Locke, Dobi, Dobijunior

Heute möchte ich zum Passo Maniva fahren. Der ist ein Highlight der Region für mich, seit das Höhentreffen nicht mehr mitten in den Dolomiten daheim ist. Zuvor war er einfach zu weit weg, aber einige Strecken überschneiden sich mit der Fünf-Seen-Runde, die war damals noch gerne gefahren sind. Heute darf ich eine Gruppe anführen mit Fransjup, Locke, Dobi und Dobijunior. Raus aus Lavarone geht es ins Tal. Das ist immer wieder schön!

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Passo del Sommo mit Fransjup

Beschwingt geht es ins Etschtal hinab...

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... und nördlich an Rovereto vorbei wieder hinauf, direkt zum Passo Bordala. Der ist weitgehend einspurig, aber es ist so gut wie nichts los, trotz des Traumwetters.

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Der Passo di Santa Barbara führt uns durch den Wald und in Kehren nach Westen. Wir müssen nun nördlich am Gardasee vorbei. Da ist immer recht viel Verkehr, darum wähle ich die weitere Strecke. Ganz ohne Stau geht's aber nicht. Ohne Pause am Ledrosee geht's aber noch weniger!

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Wohnzimmer Life Goals

Nach einer kleinen Stärkung geht es weiter am Ledrosee entlang.

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Hier beginnt dann wieder der Fahrspaß. Traditionell wird der Verkehr hier plötzlich weniger dicht und man kann frei fahren, dabei gibt es eigentlich keine Abzweigung. Fahren die Leute ständig zwischen Gardasee und Ledrosee hin und her? Egal, jetzt kommt der Passo Ampola, und der lockt mit Aussicht auf die Schlucht, großem Fahrspaß und sehr wenig Verkehr. Und ein paar Kehren. Eine tolle Strecke.

Einmal links abgebogen und wir sind am Idrosee. Viele kennen die Pizzeria "Pausa" mit Blick an den See. Die sparen wir uns heute ausnahmsweise, denn wir haben viel vor. Es geht auf die Dosso Alto Höhenstraße, und damit hinein ins Abenteuer.

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Hier rechts ab - da sind schon mal keine Wohnmobile mehr vor uns

Die Strecke schraubt sich schnell hoch in die Berge, und breiter wird sie auch nicht. Uns kommen alle 10 Minuten mal ein Motorrad und alle 30 Minuten mal ein Auto entgegen. Die Aussicht wird immer besser. Schnell Motorradfahren kann man hier aber eher nicht.

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Blick zurück zum Idrosee

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Gut dass wir Kehren mögen

Irgendwann endet der Asphalt. Meine Mitfahrer sind nicht alle große Freunde von Schotter, aber ich habe sie zuvor beruhigt, das wäre feine Schotter. Und jetzt frage ich mich...

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... waren die Steine schon immer so groß?

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Aber siehe, die Steine werden kleiner

Bald kommt auch wieder Asphalt und keiner rebelliert. Das schlimmste wäre überstanden! Gelegentliches warten schadet nicht. Die Landschaft lädt aber auch zum Betrachten ein.

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Blick zurück auf Locke, der Rest der Truppe ist gerade unten rechts

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Ausblick auf Passhöhe und weiteren Streckenverlauf

Schließlich erreichen wir die Passhöhe. Der Passo Maniva auf 1664 Meter ist touristisch gut erschlossen und wir kehren ein. Manche wollen direkt zu Mittag essen, ich kann mich nicht so recht entscheiden und will mir auch nicht den Bauch vollschlagen, denn das macht mit müde. Also vertilge ich einfach das, was mir die Gruppe übrig lässt. Danke für die leckeren Spaghetti ;) Obligatorisch dagegen ist die heiße Schokolade, die man mit einem Strohhalm nicht hätte trinken können.

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Pause mit heißer Schokolade

Da ist eher Löffeln angesagt. So mag ich das. Hier könnte man die geplante Route jetzt nach Osten abkürzen, aber ich will sehr gerne nach Norden weiterfahren. Ich biete den Mitfahrern an, dass wir die Gruppe teilen, aber sie wollen alle weiter mitfahren. Das macht mich schon ein wenig stolz, zumal ich keinen Hehl draus machen, dass ich die Strecke nach Norden noch nie gefahren bin und nur die Beschreibung auf Karten kenne, wo sie als Hauptstrecke eingezeichnet ist, die aber nicht durchgehend befestigt ist. Die Motorradfahrer hier ums herum scheinen sie rege zu nutzen. Ach ja, die Aussicht hier ist echt nicht zu verachten.

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Blick zurück - da kamen wir gerade her - aus dem Süden.

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Blick voraus - da wollen wir hin - nach Norden

So begeben wir uns also auf die Strecke nach Norden. Es geht echt lang, schön und einsam in die Berge rein. Der Asphalt ist eine 2 in Schulnoten, und die Landschaft eine 1+, genau wie das Wetter. Herz, was willst du mehr.

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Immer nach oben

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Es ist eine Orgie

Die Passhöhe heißt Giogo della Bala beim Passknacker, ist 2176 Meter hoch und touristisch nicht erschlossen. Danach beginnt ein Abschnitt mit feinem und gut fahrbaren Schotter. Auf den meisten Straßenkarten ist sie auch als ganz normale Strecke eingezeichnet. Die Gruppe zieht sich auseinander, das ist aber nicht schlimm, dann müssen die anderen weniger Staub schlucken, und es soll sich niemand hetzen lassen. Nur der letzte Kilometer ist gröberer Schotter und noch eher steil - fürs uns nach unten. Bei Regen würde ich da nicht hoch fahren wollen - aber runter oder im Trockenen geht das auch mit Straßenreifen ohne Probleme, vielleicht mit mehr Geschaukel. Bald hat man den Passo di Croce Domini im Blick, wo es nach rechts (Osten) und links (Westen) weitergeht.

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Kurz vor dem Ziel

Der Passo di Croce Domini liegt auf 1892 Meter, und zu dem fahren wir heute runter (ironischerweise). Ich warte auf den Rest der Truppe, und alle finden sich wieder ein. Nicht alle sind vom Schotter begeistert, aber von der Landschaft schon. Wir waren hier alle heute zum Ersten Mal!

Wenige hundert Meter weiter östlich steht ein Kreuz an einem weiteren Höhenübergang, Goletto di Cadion auf 1943 Meter, die man als Passknacker gerne noch mitknippst. Es folgt eine kilometerlange wenig befahrene Kurvenstrecke, immer bergab. Ich fahre mit der Versys inzwischen seit einer Stunde auf Reserve, weit und breit keine Tankstelle! Schlecht geplant meinerseits, denn außer mir hat keiner geschlampt, alle sind vollgetankt und haben über 300 km Reichweite. Zum Glück geht's aber hier fast durchgehend bergab, es kann also nicht so schlimm werden... Die Tankstelle ist dann erst in Bagolino, 20 Kilometer weiter, und wir verfranzen und verlieren uns im Dorf - aber wir finden uns auch alle wieder.

So schön diese Passo Maniva-Schleife auch ist, sie hat einen großen Nachteil: Der schnellste Weg nach Lavarone sind jetzt immer noch 120 km! Da müssen wir also leider lauter Hauptstrecken fahren. Nur der Passo Duron als Abstecher bringt ein wenig Abwechslung rein, ansonsten fahren wir nur Täler entlang, und landen zu allem Überfluss auch noch gegen 17 Uhr in der Rush Hour der Trienter Randbezirke. Zu fünft mit unterschiedlichem Tempo in der Gruppe nicht ganz trivial, auch angesichts diverser Kreisverkehre mit reichlich Verkehr von allen Seiten - wir kommen aber alle als Gruppe auf den letzten Berganstieg, und auch an der Tankstelle 200 Meter vor dem Hotel sind alle wieder da. Ich fand es einen gelungenen Fahrtag und lobe die Mitfahrer im Nachgang ausgiebig und auch hier noch mal explizit! Die Strecke heute war anspruchsvoll und lang, und es ist noch nicht mal jemand umgefallen.

Die Strecken rund um den Passo Manvia würde ich jedem ans Herz legen, dabei kenne ich die Westseite noch nicht mal. Die Ostseite fand ich nicht so spannend, aber Nord und Süd sind landschaftlich Spitzenklasse, natürlich besonders bei klarem Wetter.

Abends wird intensiv nacherlebt und der nächste Tag geplant. Surfopi ist inzwischen im Dunstkreis des Treffens angekommen, aber er wohnt am Campingplatz am See und nicht im Hotel. Der See hier oben lohnt wohl nicht zum Surfen, und etwas kalt ist es sicherlich auch ;)

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#4 Beitrag von blahwas »

Do 27.9. - mit iOn und surfopi in die Dolomiten

Der Plan für heute sieht vor, dass eine Gruppe sportlich orientierter Herrenfahrer gemeinsam in die Dolomiten fährt: Surfopi, iOn und ich. Also wird morgens Surfopi am Campingplatz eingesammelt, wo er mit seiner Frau im neuen Wohnmobil logiert. Der direkte Weg führt natürlich über den Kaiserjäger, der wieder mal eine tolle Aussicht liefert und kuschlig eng und sehr kurvig sowieso ist.

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Leider liegt das Tal morgens noch im Schatten. Das ist der Nachteil an der späten Jahreszeit.

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Surfopi fährt inzwischen Husqvarna 701 SM, eine leichte Supermoto, die Schwestermodell der KTM 690 SMC-R ist, 156 Kilo wiegt, 75 PS leistet, und mir schon länger den Kopf verdreht. Die edle weiße Optik des Motorrads wird von Karl kunstvoll konterkariert, indem er einen alten schwarzen Tankrucksack mit einem alten verblichenen Spanngummi drauf packt, und er trägt weiterhin seine berühmten ausgeblichenen orangen Arbeitshandschuhe, mit praktischen Löchern zur Smartphone-Nutzung. Ein echtes Original. Wir fahren heute eine kleine Dolomitenrunde.

Aber erst mal durch Levico durch, am Hotel Cristallo vorbei, hoch zum Dorf Compet. Das ist eine 1A Kurvenstrecke zum Warmwerden und gegenseitigen beschnuppern. Zwischen 64 und 120 PS ist heute einiges vertreten. Die Strecke ist heute Morgen zwar noch nicht so richtig griffig, aber am Umkehrpunkt wird rundum im Kreis gegrinst. Jetzt geht es die ganze schöne Strecke wieder runter, so ein Ärger. Dann geht es aus Levico hinaus auf die Bundesstraße, was gar nicht so einfach ist, wenn die Italiener einfach so heimlich Zufahrten sperren und Straßen umbauen, ohne vorher bei den Naviherstellern anzurufen: Mehrere Zufahrten zur SS47 gibt's inzwischen einfach nicht mehr. Eine davon befahren wir schließlich trotzdem, ein bisschen Gras tut ja nicht weh.

Nach kurzer Bundesstraßenetappe wird schließlich der Manghenpass unter die Räder genommen. Hier kommt's wieder zum Vierklang: Tolles Wetter, tolle Streckenführung, tolle Gruppe, und freie Bahn. Erstaunlich, wie wenig Betrieb hier bei diesem gutem Wetter ist - klar, ist ja auch Ende September. Die Passhöhe ist wie immer wunderschön wird zum Rasten und Sinnieren über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft genutzt. Hier ist das Leben schön.

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Die Nordseite runter ruft, und bei meinen Mitfahrern bereits der Magen und der Tank. Es wird also an der Schinkenfarm eingekehrt und Schinkenplatte gespachtelt. IOn bezaubert die Bedienung mit seinen Italienischkenntnissen. Locke und die Dobis stoßen bald dazu, die völlig unabhängig und ungeplant an der gleichen Futterstation gelandet sind - scheint eine gute Adresse zu sein, hier: Weder Hauptstrecke noch Passhöhe, und trotzdem gut besucht.

Da die Pferde meiner Mitfahrer bereits nach Sprit dürsten, dürfen sie eine Tankstelle suchen, während ich noch schnell ein Ortsschild fotografieren fahre, und zwar am Passo di San Lugano - leider stark befahrene Hauptstrecke. Passknackerpunkt ist er trotzdem. Nächstes Jahr mache ich weniger davon.

Weiter nördlich geht es Richtung Passo Lavaze, schön kurvig und typische Dolomiten den Berg hoch. Aber kurz vor der Höhe biegen wir links ab zum Grimmjoch. Das ist ein kurzer Abstecher mit prima Aussicht auf die Umliegenden Berge. Ideal für ein:

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Gruppenfoto mit Aussicht!

Die Nordseite des Lavaze probieren wir natürlich noch aus, ist schließlich Fahrspaßtag hier, wir müssen aber nach Süden weiter. Für die große Dolomitenrunde fehlt leider einfach die Zeit.

Die drei Pässe Passo di Pramadiccio, Passo di San Pellegrino und Passo die Valles lassen sich in einem Rutsch fahren, ohne das man irgendwo durch nennenswert über dicht bebautes Gebiet müsste. Es fällt auf, dass wir eine ähnliche Runde schon vor Jahren zuvor gemeinsam gefahren sind. Die letzter zwei sind absolute Highlights und zu Unrecht kaum bekannt.

Es folgt der Passo Rolle, immer wieder genial ist die Aussicht auf der Passhöhe. Auch hier leben Erinnerungen auf: Calimero lässt mich seine White Power-Schaltautomat-LeoVince-Versys fahren, BDR529 probiert die Geländegängigkeit und Flugtauglichkeit der GS, und der frühere Nachbar meiner Freundin heißt auch so und fuhr Motorrad - ob er je hier war? Es sei ihm gewünscht. Wir trinken derweil Cafe und genießen die Szenerie.

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Wir tauschen ab jetzt mal die Moppeds, und ich stelle fest, dass Surfopi auf seiner 701 SM einen merkwürdigen hohen, aber schmalen Lenker montiert hat. Das ist durchaus lustig zum Sitzen, zum Fahren aber eher ungewohnt. Beim starken Verzögern taucht die Front wie zu erwarten gefühlt einen halben Meter ein, obwohl sie vorne "nur" 215 mm und hinten 250 mm Federweg hat - das ist immer noch deutlich mehr als meine Versys, von der SuperDuke ganz zu schweigen. Die 701 SM selbst ist leicht, liefert aber nicht die Power, die ich mir erwartet hätte. Und damit habe ich einen Haufen Geld gespart, denn nach diese Probefahrt kommt sie für mich nicht mehr in Frage. Auch, dass sie im Rückspiegel meiner Versys (209 kg, 64 PS) beim Beschleunigen kleiner wird, kann ich ihr nicht verzeihen.

Meine Versys wird derweil von iOn gefahren, der überhaupt nicht zurecht kommt. Klar, der Vorderreifen wurde schon 2x quer durch Deutschland, 1x rund um Tschechien und über die Vogesen gefahren, und damit über etwa 350 Passknackerpunkte, da wäre eigentlich ein neuer vor der Tour empfehlenswert gewesen. Auch wenn das Profil noch lange legal ist, gleichmäßig abgenutzt ist er leider nicht, und damit wird das Feedback von vorne sehr schwammig, wenn man über den "Hauptkamm" drüber will. Aber wir warten gerne. Im Folgenden fällt mir auf, dass die Ankunftszeit nicht so gut aussieht. Auch die Sonne steht verdächtig tief.

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Also werfe ich den Passo Croce d'Aune aus der Routenplanung. Noch besser wäre gewesen, stattdessen den Brocon rein zu nehmen, denn der Weg darüber ist kürzer als der Weg außen rum durchs Tal, den das Navi schneller findet. Schneller sind wir auch, aber nur weil wir diverse Autos überholen. Recht eindrucksvoll ist noch, dass man ständig Schluchten entlang fährt, und durch seitlich offene Galerien, und überhaupt wie die Italiener Auto und Motorrad fahren - so wie das Wasser fließt. Man muss sie einfach lieben. Eigentlich wollte ich noch zum Forte Leone, aber meine beiden Navis finden keinen Weg dorthin von der nur 1 km Luftlinie entfernten SS-47 - stattdessen malen sie eine gerade Linie in die Landschaft, wo es in echt eine Felswand hoch geht. Wir wurschteln uns also "manuell" die Kehren der SP75 ab Grigno nach Norden auf die Hochebene, stellen fest, das wird fast wieder am Brocon sind und dass es ordentlich Zeit gekostet hat.

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Wir nehmen zum Trost weiter westlich noch den eher drögen Passo Forcella am Wegesrand mit und dann wurschteln wir uns wieder ins Tal. Merke: Da wäre man besser Brocon gefahren. Na, sei's drum, jetzt kennen wir auch den anderen Weg. Croce d'Aune bleibt von mir leider weiterhin unbesucht.

Langsam ist es schon Zeit für den Abschied. Surfopi wird noch von iOn zum Campingplatz geleitet, er hat ja kein Navi, während ich den Abstecher zum Campingplatz auslasse. Vor dem Abendessen gucke ich mir noch mal die Versys genauer: Es ist wieder mal kein Kühlwasser mehr im Ausgleichsbehälter oder Kühler. Also ergänze ich mitgebrachtes destilliertes Wasser, ich massiere die Feder des Kühlerdeckels und mache die Kiste wieder zu.

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#5 Beitrag von blahwas »

Fr 28.9. - Locke und iOn am Monte Grappa

Ein weiterer sonniger Tag in Italien. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von Fransjup, der sich auf die Abreise über schön auf eigenen Rädern macht, mit Übernachtung natürlich. Ich fahre heute eine etwas kürzere Tour mit Locke und iOn, da die beide heute Abend einpacken und morgen abreisen wollen. Das Wetter ist weiterhin super! Das heutige Ziel ist der Monte Grappa. Zum Einstieg bringt und der Passo di Vezzena Richtung Osten - das ist eine zügig befahrbare, lange und stimmig geschwungene Strecke auf der Hochebene durch weitgehend unbesiedeltes Gebiet. Da macht man richtig Strecke und kann am Lenker zaubern, wobei mein Vorderreifen sich deutlich wehrt, die Kante loszuwerden.

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Bei der Planung der Route gab es mit Kurviger Abweichungen zu Google und IGo, nämlich zwei Strecken, die Kurviger fahren will, die Google und IGo aber hartnäckig verweigern. Die erste führt im Raum Asiago von West nach Osten über eine Hochebene. Diese Gegend ist bekannt als "Die Sieben Gemeinden" und wurde vor gut 1000 Jahren von Deutschen Auswanderern besiedelt, die dort jahrhundertelang in Ruhe gelassen wurden. Erst im letzten Jahrhundert wurde Italienisch als Amtsprache eingeführt und auch durchgesetzt. Es gibt weiterhin die deutsche Sprachinsel der Zimbern, die sich aber getrennt vom Hochdeutsch entwickelt hat und für uns gar nicht so leicht zu verstehen ist. Man sieht es noch an manchen Ortsnamen. Zu befahren ist es auch gut, gute Aussichten und ein passables Verhältnis von Strecken zu Ortsdurchfahrten, und es ist wenig los. Wer möchte: SP76 von Asiago über Foza nach Fosse. Wir landen sicher im nächsten Tal.

Die nächste Problemstrecke schließt sich gleich an. Sie soll vom Nordwesten her zum Passknackerpunkt Finestrone führen. Unten steht ein "Einfahrt Verboten"-Schild mit reichlich Zusatztext. Unser iOn übersetzt das Schild mit seinen Italienischkenntnissen als nicht für uns relevant und wir fahren. Auf dieser Strecke liegen viele Steinchen, und wegen Wänden und dichter Flora sieht man kaum was. Hinterherfahrer iOn drängelt ziemlich toll, was sein Kühler bei einer Pause mit erheblicher Inkontinenz quittiert - da gab's wohl ein paar Steinchen zuviel. Sie fährt aber noch ohne zu klagen. Wir behalten ihn im Auge und er seine Kühlwassertemperatur. Meine Versys ist dafür heute bisher dicht.

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Kleine Aussicht zwischendurch

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Bei schlechten Pisten lässt die Kamera schon mal den Kopf hängen

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Die Strecke hoch zum Monte Grappa selbst ist sehens- und fahrenswert und auch über Asphalt zu erreichen

Am Monte Grappa machen wir eine lange Pause und erkunden alles. Sehr eindrucksvoll sind die Rundum-Aussicht und die Gedenkstätte, aber die Gastro ist eher doof, weil gnadenlos überlaufen und wenig freundlich.

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Die beiden anderen PK hier oben habe ich noch besucht und muss sagen, die sind keinen Besuch wert. Richtig schlechte Strecken, und eher weniger Aussicht als am Monte Grappa selbst. iOn verabschiedet sich, er sucht eine Tankstelle, wo er Kühlwasser auffüllen will, und dann direkt zum Hotel, denn er muss die KTM auch noch in den VW Bus rein basteln.

Südlich von Tresche Conca kommt eine bergab-Ballerstrecke mit 10 Kehren, Bikertreff und mindestens 3 deaktivierten Blitzern. Eine Ducati Panigale jagt vorbei als wir einbiegen, da fahren wir doch mal hinterher. Das kann man schon mal machen, man bleibt auch in Sichtweite, aber "Meilentacho" muss ich heute nicht fahren, außerdem hätte ich dabei fast den richtigen Abzweig verpasst, um Richtung Westen zu kommen. Wir sind jetzt im Tal, ganz am Rand der Po-Ebene und uns wird richtig warm, denn es hat sicherlich über 25°. Der Rückweg in die Berge führt uns an einer Rally-Etappe vorbei und entsprechend auffällige Fahrzeuge kommen uns entgegen.

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Glücklicherweise ist kein Teil der geplanten Tour als Wertungsprüfung gesperrt, aber es ist auffallend viel Betrieb überall. Die Route führt uns über weitere, für mich schon fast gewohnte Passknacker - ich meine, es ist dieses Jahr mehr davon asphaltiert als zuvor, aber ich hatte einen sinnlosen Wegpunkt auf einen Schotterweg im Wald gesetzt. Vielleicht war der Zweck davon, dass Kurviger uns nicht wieder ins Tal führt?

Die Wegführung kommt mir bekannt vor, aber der Bode ist deutlich glatter als früher. Hier wurde offensichtlich Unterhalt betrieben - das tröstet dann doch.

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Dann geht es wieder ins Hochgebirge, wo weniger Bäume die Sicht verstellen und es kommt wieder klassischer Versys-Fahrspaß auf. Versys auf Schotter geht, ist aber nicht wirklich ihr Element.

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Das Wetter war hier wirklich noch nie so gut, als ich dabei war, dabei war ich noch nie so spät im Jahr hier. Es ist nicht mal windig, dabei wäschst hier nichts senkrecht und auch die Straßenschilder hängen schief.

Wohlbehalten kommen wir am Hotel zurück an und helfen hier und da beim Verladen. Meine Versys blieb heute trocken, dafür ist mein Abblendlicht defekt. Also fahre ich ab morgen halt Fernlicht. Ich könnte die Leuchtmittel auch tauschen, aber sehe darin keinen Mehrwert. Bei Tageslicht blendet Fernlicht nicht, man wird aber noch besser gesehen, und bei Dunkelheit fahre ich ohnehin nicht.

Beim Abendessen lesen wir über die Steinchenstraße von vorhin und stellen fest, dass der Text auf dem Schild etwas völlig anderes bedeutete als gedacht. Die Italienischkenntnissen von iOn entstammen wohl eher dem zwischenmenschlichen Bereich als der Juristerei - was aber sicherlich nützlicher ist. Ansonsten wird der letzte gemeinsame Abend in großer Runde zelebriert, denn die Meisten reisen morgen ab.

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housi55

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#6 Beitrag von housi55 »

super Bericht

Danke
Geniess jeden Tag den zum jammern ist das Leben viel zu kurz.

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#7 Beitrag von andre »

Wirklich schön und amüsant zu lesen und schöne Bilder.
Man liest gut heraus,wie euch das Treffen gefallen hat!
...die einen kennen mich, die anderen können mich...

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Jero
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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#8 Beitrag von Jero »

andre hat geschrieben: 19. Okt 2018 20:32 Wirklich schön und amüsant zu lesen und schöne Bilder.
Man liest gut heraus,wie euch das Treffen gefallen hat!
Das finde ich auch.
Hab gleich nach dem Termin im nächsten Jahr geschaut. Leider kann ich im September nicht.

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blahwas
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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#9 Beitrag von blahwas »

Sa 29.9. Mit jax und Umsteiger zum Monte Baldo

Heute gibt es das letzte Mal in großer Runde Hotelfrühstück in Lavarone. Danach dann Abschied von den Dobis, Handyman und iOn - Locke ist schon ganz früh weg. Es sind neben mir nur noch Jax und Umsteiger übrig. Mit den beiden mache ich dann eine Ausfahrt zum Monte Baldo. Dort werden sich unsere Wege trennen, ich will noch eine längere Tour fahren, die beiden aber nicht so sehr. Typisch Höhentreffen: Alles kann, nix muss. Heute ist Samstag, man muss also mit mehr Ausflugsverkehr rechnen, zumal uns das Wetter weiterhin verwöhnt.

Ich wähle einen anderen Weg ins Tal als die Tage zuvor, und lassen bald mal den Herrn Umsteiger vor, der aktuell auf eine MT-07 Tracer umgestiegen ist, damit er vor der Linse der Kamera zaubern kann.

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Leider führt dieser Weg eher mittig nach Rovereto rein, und so müssen wir uns etwas viel durch den Stadtverkehr mogeln. Meine Mitfahrern stehen der italienischen Lebensweise glücklicherweise aufgeschlossen gegenüber. Wir kommen dem Gardasee wieder recht nah, was dichten Verkehr mit sich bringt, aber sobald wir Richtung Monte Baldo abbiegen ist der Verkehr schlagartig fast gleich Null. Die Strecke wird kurvig, der Belag ist sauber, die Sonne scheint, und Ausflugsverkehr ist auch weniger als in den Vorjahren.

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Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert. Am Monte Baldo / Bocca del Creer kehren wir ein und genießen ein italienisches, zweites Frühstück und lassen kräftig die Seele baumeln.

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Jax und ich verhandeln noch über eine gemeinsame Weiterreise die nächsten Tage und wir werden uns einig, dass er mich bis zur französischen Grenze begleiten wird. Er trifft Freunde auf der italienischen Seite der Grenze - zwar etwas später, aber es gibt Schlimmeres für einen Motorradfahrer als im französisch-italienischen Grenzgebiet Zeit totschlagen zu müssen ;)

Unser nächstes Ziel heute ist das Rifugio Bocca di Navene, das in meiner Erinnerung nicht weit von hier auf der gleichen Bergkette liegt, aber eine tolle Aussicht auf den Gardasee bietet. Wir sind dann doch überrascht, dass es keine 3 Kilometer weiter liegt. Wir kehren wegen der Aussicht einfach noch mal ein, so! Wir dürfen das. Die Chips essen sich auch nicht von alleine. Drittes Frühstück, na und?

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Dann seile ich mich ab, knacke weiter Pässe Richtung Südosten und fahre gegen den Uhrzeigersinn wieder zum Hotel. Über den Passo Fittanze della Sega geht auf eine sehr grüne Hochebene, den Lessina-Nationalpark. Heute sehe ich das erste mal in meinem Leben nennenswert andere Motorradfahrer hier - es ist schließlich Wochenende und gutes Wetter. Es sind mehr Einheimische dabei, Süddeutsche auf einem langen Wochenende - und keinerlei Holländer!

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Picknick am Wegesrand

An diesem Pass kann man links auf ein Netz aus breiten Schotterpisten abbiegen. Eine davon führt mich dann zum Bivio di Monte. Diese Hochebene ist sehr erhebend mit der Aussicht, aber den Abstecher hoch zum Monte Tomba spare ich mir heute, denn ich bin alleine unterwegs und diese Strecke war schon letztes Jahr eher für Traktoren als für Geländewagen geeignet, und für normale Autos gar nicht. Da käme ich wahrschienlich hoch, aber vielleicht nicht ohne umzufallen, und das macht vor Zeugen mehr Spaß - die helfen dann wenigstens beim Aufheben, was im Gelände schon mal schwer sein kann.

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Asphalt erreiche ich wieder am Passo del Branchetto, und ich stelle fest, dass mein Motorrad irgendwie staubig geworden ist. Da könnte später mal 'ne Waschbox her, ich will mich ja für Frankreich fein machen. Immerhin war das jetzt die letzte Schotteretappe für mindetens 1200 km.

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Es folgt eine längere Überführungsetappe ohne Detailplanung, das Navi findet schon einen Weg über die diversen Dörfer am Rand des Lessina-Nationalparks. Nächstes Etappenziel ist der Passo Xon. Da ich den parallelen Passo di Campogrosso ein paar km weiter westlich heute auslasse (die Nordseite ist dauerhaft gesperrt), kann ich endlich mal über den Xon drüber fahren. Das könnte durchaus zur Gewohnheit werden - Bundesstraße und Spaß dabei.

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Das gilt auch für den Passo Pian delle Fugazze: Der scheint eine Rennbahn für die Einheimischen zu sein, und ich finde fast keine legal befahrbare Querstraße. Zum Passo di Xomo komme ich trotzdem. Das bin ich bei Sonnenschein nicht gewohnt, das war immer unsere Route für den Tag mit dem schlechtesten Wetter, weil sie am weitesten südlich liegt. Diverse Einheimische Motorradfahrer und auch Freizeitautos sind unterwegs, es ist geradezu voll - auch wenn man mit Überholen noch gut voran kommt.

An der Nordseite ist plötzlich kein Verkehr mehr und ich rolle über den Passo della Borcola zum Hotel. Im Cafebereich vor dem Hotel entspannt gerade der Umsteiger, und ich lasse mir noch schnell den Weg zur Waschbox erklären. Im Zweiten Versuch finde ich sie dann auch, und im dritten Versuch nimmt sie dann auch mein Geld, und nach 2/3 der Zeit finde ich dann auch raus, dass sie 3 verschiedene Lanzen hat und nicht nur 2, so dass ich die Versys endlich nass und auch sauber bekomme. Ufff. Dazu gibt's einen vollen Tank und das Heckgepäckzeugs wird wieder montiert - je fünf Schrauben rechts und links und schon ist es wieder ein gepäcktauglicher Tourer.

Das abendliche Vier-Gänge-Menü genießen wir dieses Mal in kleiner Runde. Es ist eine zweite Gruppe Motorradfahrer dazu gekommen, und wir freuen uns für den Wirt Andrea, dass er noch später als letztes Jahr deutlich mehr Gäste hat. Zum Ausklang gibt's noch was scharfes für die Zunge und einen Schnack mit Andrea. Wir kommen nächstes Jahr gerne wieder. Morgen breche ich auf zu meiner Ultra-Rückreise, Codename "Rocktober" :)

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blahwas
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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#10 Beitrag von blahwas »

So 30.9. - Rocktober Teil 1/6 - Italien 1/2 - mit Jax nach Varzi

Mein weiterer Plan: die letzten mir noch fehlenden Passknacker am Gardasee einsammeln, und dann über das westliche Ende des Apennin (das Gebirge des italienischen "Stiefels"), an dessen Mitte ich im Juni ja schon ausgiebig geknabbert habe, nach Frankreich fahren. Dort die Seealpen abgrasen, schön durch die Westalpen zum Vercours. Weiter über den französischen Teil (!) des Jura und vielleicht einen Hauch Vogesen (da fehlen mir nur noch ca. 6 Passknacker dieses Jahr) wieder nach Hause. Mit anderen Worten, 3000 km und 140 Passknacker in 6 Tagen. Das macht 500 km pro Tag bei gleich langen Tagen, oder 400 km pro Tag wenn ich am letzten Tag 1000 km fahre, z.B. "sehr früh aufstehen und Autobahn schnellster Weg nach Hause", von wo auch immer ich zuletzt übernachtet habe. Ich will Freitag vor 18 Uhr daheim sein. So sieht die Gesamtroute aus.

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Den Plan hatte ich zuvor auch im Versysforum gepostet, ob vielleicht jemand mitkommen möchte, und zu meiner leichten Überraschung gab es tatsächlich Interessenten für diese Tor-Tour. Am Ende lief es darauf hinaus, dass jax mich durch Italien bis zur Grenze begleiten wird. So bin ich zumindest in Italien nicht alleine unterwegs, und kann in Frankreich dann schalten und walten, wie ich will.

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Diese Reisetag wird Ihnen präsentiert von: Blahwas und Jax

Wir wollen heute bis knapp vor Genua kommen, das ist etwa Punkt #16 oben im Bild und die Hälfte der Strecke durch Italien. Also gibt es morgens zu einer zivilen Uhrzeit zunächst den Abschied von Umsteiger, der heute per Anhänger abreist, und dann die Tour mit Jax. Das Wetter ist heute erstmalig bewölkt - bis gestern war kaum überhaupt je mal eine Wolke am Himmel zu sehen. Ins Tal geht es heute via Serrada und Piazza, also entlang eines steilen Hanges. So vermeiden wir große Teile der Durchfahrt von Rovereto. Ein eiliger einheimischer Autofahrer hilft dabei. Da ich Zwischenziele westlich des Gardasees in der Route habe, müssen wir leider recht eng am Gardasee vorbei, und heute - Sonntag - ist es da recht voll, angesichts von Superwetter und vermutlich auch Bettenwechsel. Jax folgt mir recht dicht, was mich positiv überrascht. Genug Zeit auf dem Motorrad in südeuropäischen Ländern zu verbringen verhilft einem zu Gelassenheit in Umgang mit stockendem Verkehr. Richtung Ledrosee wird es dann allerdings richtig dick, und der Gegenverkehr fällt verdächtig lange aus. Ich finde bald raus, warum: Zwei sich entgegenkommende Wohnmobile haben sich mit den linken Rückspiegeln abgeklatscht, und beide halten danach einfach mal so an. Der restliche Verkehr hat damit zwei Engstellen in 30 Meter Abstand voneinander, und entsprechend blockiert sich alles gegenseitig.

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Ich bemerke nebenbei, dass mein linker Stiefel klatschnass ist mit Kühlwasser, und prompt geht auch die Temperaturwarnlampe an, also halte ich an der Tankstelle. Jax kommt etwas später, sieht mich recht spät, und hält deshalb erst ein paar Hundert Meter weiter auf dem Parkplatz am Ledrosee. Stimmt, der ist ja gleich hier, gute Idee eigentlich. Ich ziehe hinterher, die Versys kann auch abkühlen während wir im Cafe das zweite Frühstück gönnen.

Als wir wieder raus kommen, hat sich eine italienische Premiumbikergruppe um mein Motorrad geparkt, steht da rum und bewundert ehrfurchtsvoll die Wasserpfütze unter der Versys. Ich hatte längs geparkt, sie haben 45° geparkt, und zwar schön eng. Ich schiebe soweit wie möglich zurück, werfe den Motor an - alle sind leise und gucken. Ich lege den 1. Gang ein, gucke mich um, lenke komplett nach links, drehe den Motor hoch und lasse mich nach links kippen, bis ich fast umfalle, und setze dann zu einer 1a Cafewende an. Ohne Schräglage hätte ich halt auch nicht am Topcase der polierten GS vor mir vorbei gepasst, und wenn sich in der Gruppe keiner bewegt, dann passe ich mit dem Lenker und den Spiegeln auch an allen Leuten vorbei. Weil die Straße parallel zum Parklatz liegt mache ich die 360° voll und biege in den fließenden Verkehr ein - Drehzahl macht die Lücken groß genug. Jax fange ich auch schnell wieder ein. Die folgende Strecke am Ledrosee entlang macht Spaß und ist unlimitiert. Es folgt der Passo Ampola, den ich sehr gerne mag, mit verwirrend wenig Verkehr - wo stecken die alle fest? Highlight ist noch eine "Fahrschule" mit 4 Mann an Bord, die deutlich über 100 fährt. Tsts sage ich da, tsts! :)

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Dann geht es am Idrosee entlang Richtung Süden, ein paar kleinere Pässchen knacken. Hier reißen die Wolken auf und es wird warm. Leider finden wir keinen vernünftigen Einstieg in die Strecke zum Santuario della Madonna delle Cornelle, also werfen wir den Wegpunkt einfach aus der Route. Die Route ist zeitlich schon lang genug, ohne dass wir uns in Privatstraßen und steilen Bergdörfern verfranzen. Die Strecke zum San Liberale ist laut einem Schild an der Kreuzung angeblich ab irgendwo gesperrt, sieht aber völlig frei aus. Wir sind als einzige auf der Strecke unterwegs, erkennen aber weder Sperrung noch Baustelle und kommen gut durch.

Es folgt eine Überführungsetappe, danach ergeben Passoe del Termine und Bocca di Lodrino eine schöne Schleife, allerdings eine sehr lange. Entgegenkommende Vorkiegs-Oldtimer zieren unseren Weg, deren Fahrer nicht immer das Rechtsfahrgebot ganz oben auf ihrer Agenda haben. Die wenigen Ortsdurchfahrten sind ohnehin schon zu eng für zwei Fahrzeuge, aber es stehen beidseitig Fußgänger Spalier, gerne mit Kameras. Dann folgen typisch italienische Berg- und Hügellandschaften und es wird zunehmend ländlich. Der Trubel des Gardasees ist längst vergessen. Irgendwann kommen wir wieder zu Heizerstrecke, wo die Einheimschen Motorradfahrer offensichtlich routiniert an der Schallmauer sägen, z.B. den Colle Sant Eusebio. Wir sind Touristen, nur zum Gucken hier und können natürlich kein Wässerchen trüben.

Unser letzter Wegpunkt nördlich der Po-Ebene ist der schließlich der Monta Maddalena, dessen Nordseite man leider nicht fahren darf - mein China-Navi, dieser Schlingel, will mich trotzdem drüber schicken. Wir haben zwar Blick auf die Po-Ebene, aber dieser ist wie immer etwas diesig und ohne Sicht aufs Mittelmeer. Aber da sind ja auch noch Berge im Süden? Da wollen wir eh hin!

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Es folgen 100 km Autobahn. Jax bekommt bei der Einfahrt kein Ticket, und wir halten kurz hinter der Schranke, damit er sich zu Fuß eines holen kann. Das klappt auch flott. Vielleicht hatte das Auto hinter ihm einen Transponder eingebaut, so dass die Schranke automatisch aufging. Merke: Wer in Ländern mit Mauttickets ohne Ticket wieder von der Autobahn runter will, zahlt normalerweise den rechnerischen Höchstbetrag einer Fahrt über die weitest mögliche Strecke durch das gesamte Autobahnnetz bis zu dieser Ausfahrt, und die Autobahnen sind komplett eingezäunt. Das sollte man also vermeiden.

Bei Castel San Giovanni verlassen wir eine warme Stunde später die Autobahn und wechseln auf eine Bundesstraße, die uns in die Berge führt. Ich dachte bisher, die Grenze zu Süditalien verläuft irgendwo zwischen Rom und Neapel, aber auch hier wird schon sehr süditalienisch gefahren, ein Motorrad lauter als das andere, und auch der Straßenzustand ist selbst auf dieser stark befahrenen Bundesstraße echt fragwürdig: Schlaglöcher interessieren mich nicht, auch nicht wenn sie einem fast den Lenker aus der Hand reißen. Aufbrüche mit Grünbewuchs mitten in der Spur sind für mich ok, und meist griffiger als man denkt. Absackungen kenne ich auch schon, aber die Absackungen auf dieser Strecke sind beeindruckend tief, und die Übergänge steil. Es ist ziemlich komisch, auf einer kurvigen Bundesstraße bei Tempo "90" im Stehen fahren zu müssen, damit man nicht aus dem Sitz geschleudert wird. Jax folgt mir stoisch - Respekt!

Langsam tauchen die ersten Pass-Wegweiser auf. Auf den Passo Penice freue ich mich als Freund bekloppter Namen besonders, aber zunächst ist der Passo di Pietragavina dran. Eine Kreuzung mitten im Dorf, naja. Weiter geht's auf einer schmalen, aber asphaltierten Strecke. Wir machen Pause, zum Blase füllen und entleeren, ist ja auch wieder warm heute. Wir haben nur noch 2 Stunden vor uns bis zum gebuchten Hotel und kommen voraussichtlich gut mit dem letzten Tageslicht hin auf dieser 400 km-Etappe.

Kurz nach der Weiterfahrt hupt es hinter mir und ich halte: Jax befürchtet, einen Platten zu haben. Blick nach unten: Ja, hatter, das sieht hinten flacher aus als vorne. Schöner Mist, natürlich am Ende der Welt. Wir suche ein ebenes Stück, stellen das Motorrad auf den Hauptständer und suchen die undichte Stelle. Leider finden wir sie nicht. Wir suchen auf den Navis die nächste Tankstelle und eiern gemeinsam die 8 km ins Tal in einen Ort mit dem schönen Namen "Varzi". Jax eiert wegen des Platten, und ich rolle auf den Bergab-Abschnitten ohne Motor hinterher, weil meine Versys keine langsame Fahrt mag, da wird ihr immer so warm... Unterwegs verabschiedet sich auch noch mein Fernlicht. So bin ich nun also nur noch mit Standlicht unterwegs, immerhin aber mit beiden.

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Wir erreichen die Esso-Tankstelle in Varzi. Es ist bald 18 Uhr, aber noch recht belebt hier. Obwohl Sonntag ist, hat der Shop geöffnet, die Bar sowieso. Mit Druckluft und Wasser lässt sich das Loch leicht finden: Ein tiefer Eindruck genau mittig, der am Rand ein nadelstichgroßes Loch hat. Jax kauft eine Dose Reifenpilot und legt los. Reifenpilot soll man einfüllen und dann sofort losfahren. Wir nutzen den Hauptständer, um den Reifenpilot zu verteilen, aber leider geht viel nicht rein sondern daneben, und irgendwie hält der Reifen auch danach keine Luft. Wir sind mittlerweile zur Attraktion der Tankstellen-Bar-Stammgäste geworden, die uns munter zutexten, ohne dass wir ein Wort verstehen. Jemand zaubert ein Flickset mit Gummiwürsten hervor und drückt sie in den Reifen rein. Direkt danach geben wir Druckluft drauf (müsste man da nicht eigentlich erst etwas warten?), aber die Luft findet wieder ihren Weg, wobei es knallt und Jax sieht auch Funken rausfliegen. Bei Funken werde ich hellhörig und lasse sofort wieder Luft aus dem Reifen ab, wer weiß wie Reifenpilot mit selbstvulkanisierenden Gummiwürsten unter Druck reagiert, denn ich will kein Feuer an der Tankstelle legen.

Tja, das hat alles leider nicht geholfen, und so aktiviert Jax seinen Schutzbrief. Welches Fahrzeug, welcher Standort (wie immer umständlich, "Esso in Varzi" reicht nicht), welches Problem? Man schickt einen Pannenhelfer. Wir versuchen noch, in der Bar etwas zu Essen zu finden, um die Wartezeit zu überbrücken, aber da gibt's nur süße Kleinigkeiten. Ich telefoniere mit unserem fix gebuchten Hotel, das gut 1 Stunde direkten Weg entfernt liegt, wie lange die Küche offen ist: 21 Uhr, also in 2 Stunden. Wir einigen uns, dass ich vor fahre, esse was ich will und für Jax etwas kaltes zu Essen bestelle und zurück legen lasse (Käseplatte), und Jax kommt nach.

Ich muss tatsächlich relativ dringend los, denn nur mit Standlicht wird's echt düster in der Pampa... Mir fällt erst hinterher ein, dass ich an der Tankstelle während der Wartezeit ja ruhig mal 1-2 Leuchtmittel hätte kaufen können. Oder Kühlerdichtmittel. Oder einfach mal volltanken, dann ist das für morgen auch schon erledgt. Aber an so einfache Dinge denkt man dann ja irgendwie nicht... Weitere Passknackerei fällt für heute also aus, und drei Punkte liegen auch morgen nicht mehr auf der Route: Passo Penice, Passo del Brallo und Passo del Giova verbleiben somit ungeknackt.

Das Hotel "Stevano Albergo e Ristorante" liegt wirklich sehr abgelegen. Was auf der Karte noch wie eine Lage im Ortszentrum aussah, ist in Wirklichkeit ein ehemaliger Bauernhof, um den herum sich ein paar Häuser angesiedelt haben. Die Strecken sind eher einspurig, und es ist völlig tote Hose zwischen 19 und 20 Uhr. Das Restaurant ist leer, dafür ist der Empfang umso herzlicher, es findet sich auch eine nette Mitarbeiterin, die gut Englisch spricht. Mein Hotelzimmer ist geräumig und wie die gesamte Anlage sehr gepflegt, und die Dusche tut gut nach der Warterei und der Hitze der Po-Ebene.

Das Abendessen schmeckt sehr gut, und mit 13 Euro für zwei Gänge und Cola ist es auch nicht teuer. Dazu gibt es zwei Stücke von der Pizza, die das Personal in der Küche nebenbei und eigentlich nur für sich selbst zubereitet hat. Echt nett. Jax sagt derweil telefonisch ab, denn sein Motorrad wurde vom Abschlepper in deren Hof gebracht, und wird morgen von dort zu einem Reifenhändler gebracht. Er soll in der Nähe des Motorrads bleiben, dafür hat der Schutzbrief ihm ein Hotel organisiert, und das liegt leider von Warzi aus in der gegenüberliegenden Richtung. Dass morgen Montag ist, und in Italien die meisten Geschäfts montagvormittags geschlossen haben, hilft auch nicht gerade weiter. So verabschieden wir uns also leider nur telefonisch. Danke fürs Mitkommen, und mach weiterhin dein Ding - Leute wie Du nehmen mir die Angst vor dem Alter!

Im Anschluss kriegt die Versys noch ihr Abendessen in Form von 2 Litern Wasser für Kühler und Ausgleichsbehälter. Das Leitungswasser kam heute aus einer ehemaligen Schnappsflasche von hinterm Tresen, und der Wirt sagt, das Motorrad fährt morgen vermutlich Schlangenlinien :)

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#11 Beitrag von blahwas »

Mo 1.10. - Rocktober Teil 2/6 - Italien 2/2 - ohne Jax nach Frankreich

Ich hatte eine angenehme Nacht im Hotel am AdW. Ich hatte eigentlich zwei Zimmer für zwei Personen zu je 54 Euro nicht stornierbar gebucht, aber Jax kam nicht, dazu 1 Frühstück und ein reichhaltiges Abendessen. Die Gesamtrechnung fällt mit 70 Euro überraschend niedrig an, der Chef des Hauses vergewissert mir, dass das schon richtig so ist, das zweite Zimmer wurde ja nicht genutzt. Wow, danke!

Heute ist für den Nachmittag Regen angesagt, und es ist noch neblig und recht frisch in den Bergen. Darum gibt es heute keine Fahrfotos, denn mein neues offenes Gopro-Gehäuse ermöglicht zwar permanentes Laden und damit Dauerbetrieb, aber wasserdicht ist es nicht. Der erste sinnvolle Passknackerpunkt auf meiner geplanten Route ist der Pass Valico di San Fermo, für den man sich gut 20 km über schmale Asphaltwege durch die Berge schrauben muss, auf 1129 Meter. Dafür hat man die Straße für sich alleine. Das erste Auto treffe ich erst nach einer Stunde. Es folgen nun sämtliche Passknackerpunkte im Hinterland, immer in Respektabstand zum Mittelmeer, auf dem Weg nach Frankreich. Für den Passo dei Giovi muss ich durch einen Vorort von Genua durch. Auch der Passo dei Giovi selbst liegt irgendwie mitten im Ort und für mich heute in einer Baustellenampel. Den braucht man also eher nicht.

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Immerhin sieht man mal 'ne nette Brücke

Der Passo della Bocchetta liegt nur wenige Kilometer westlich, man muss allerdings einen ordentlichen Bogen nach Süden fahren. Auf dem Weg dorthin rückt wenige Hundert Meter vor mir ein Krankenwagen in meine Fahrtrichtung aus, und fortan teilt er mit Blaulicht den dünnen Autoverkehr vor uns. Da fährt man dankbar in höflichem Abstand hinterher, auch wenn ich schneller fahren hätte können, und alleine vielleicht auch gefahren wäre. Zum Glück gibt es hier keine Ampeln, und so muss ich mich nicht dem daraus zwangsläufig folgenden moralischen Dilemma stellen. Der Pass selbst ermöglicht nur eine eingeschränkte Sicht auf die umliegenden Hügel und das Mittelmeer.

Zum nächsten Punkt führt mich das Navi leider über die Autobahnen rund rum Genua. Die waren kürzlich in den Nachrichten, weil da eine Brücke eingestürzt ist, und genau da will mein Navi entlang fahren. Ich hätte besser einen Wegpunkt auf die SP167 nahe dem Mont Poggio (immerhin 1081 m) gelegt. Stattdessen fahre ich jetzt gegen 10 Uhr früh, mit undichtem Kühler und bei über 20 °C Außentemperatur eine Umleitung durch die Innenstadt, die logischerweise entsprechend voll ist. Ich habe ganz schön den Kaffee auf, der nasse linke Stiefel verheißt nichts gutes, und ich hänge mich an die eiligen Einheimischen dran. Leider ist Genua so groß, dass es hier sogar Ampeln gibt, und die Einheimischen beachten sie auch. Ich mache mir große Sorgen um die Motortemperatur, aber die Warnlampe bleibt aus. Erst als ich wieder auf der Autobahn bin und völlig frei Tempo 09 fahren kann, geht die Warnlampe an. Schöne Scheiße, natürlich besteht die Autobahn hier nur aus Tunneln und Brücken, und es gibt keinen Pannenstreifen. Ich stelle in der Fahrt der Motor ab und wieder an, und die Lampe bleibt aus - prima, dann war die Temperatur wohl nur ganz kurz über der Auslöseschwelle.

Also fahre ich etwas langsamer mit Tempo 80 weiter... und die Lampe geht gleich wieder an. Mist! War wohl nix. Die nächste einigermaßen gut einsehbare Haltebucht ist meine, ich will ja schließlich auch wieder lebend auf die Autobahn zurück kommen. Wobei hier anscheinend Section Control installiert ist, so dass sie die gefahrenen Geschwindigkeiten im Rahmen halten. Meine Haltebucht liegt auf einem Brückenkopf kurz vor einem Tunnelportal und hat sogar etwas grün, weil irgendein Technikhäuschen daneben steht. Außerdem Sicht auf's Meer. Nur Liegestuhl und Bar fehlen.

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Die Versys kriegt 10 Minuten Pause und frisches Wasser in den Kühler und in den Ausgleichsbehälter. Es zischt beim Öffnen des Kühlers und tropft nur sehr langsam raus - es ist also nicht alles verloren. Kleiner Schraubertipp für Schrottvögel am Rande: Wenn man von der unteren Seitenverkleidung (die mit dem Blinker) die vordere obere Schraube weglässt, und drunter den Bügel überm Kühlerstopfen unten lose lässt, kann man den Kühler ohne eine einzige Schraube öffnen. Dabei aber bitte wirklich und unbedingt beachtet, dass es da drin normalerweise nass und heiß und unter Druck ist - wasserdichte Motorradhandschuhe sind 10000x besser als ohne Handschuhe, und das Gesicht sollte man dabei auch nicht gerade direkt drüber halten. Für den Zugang zum Ausgleichsbehälter muss die rechte obere Seitenverkleidung ab (das große Ding in Fahrzeugfarbe), und normalerweise sechs Schrauben, von denen zwei von der Scheibe verdeckt werden, die auch wieder vier Schrauben braucht... aber ich hatte von einem wüsten Umbauprojekt noch eine horizontal geteilte Seitenverkleidung übrig, die ich mit drei Schrauben abbekomme. Die passt übrigens auch prima vor meine Packrolle wird da von meinem Packnetz gehalten, damit ich bei kleinen Pausen schnell mal nachfüllen kann.

Auf der Weiterfahrt führt mich die Autobahn recht steil in die Berge auf einen sehr grauen Himmel zu, und es beginnt zu nieseln. Da mir noch reichlich warm ist, ziehe ich zunächst keine Regenkombi an. Der "richtige" Regen tobt sich laut Regenradar noch deutlich weiter westlich aus. An einer Autobahntankstelle fahre ich vorbei, weil sie mir zu teuer ist. Die Autobahnen hier bestehen nur aus Tunneln und Brücken, und daher kosten sie auch Maut. An der Mautstelle meiner Ausfahrt sitzt jemand im Häuschen, während ich davor stehe, und wie der erste Mensche im Tankrucksack das Ticket suche. Klar, ich hatte ja gerade Werkzeug und Wasser rausgeholt und meinen Fleecepulli reingepackt, da ist einiges durcheinander. Und dann ist der Geldbeutel auch noch wieder woanders, nämlich in der Jacke. Reichlich Zeit verstreicht, ich werde etwas hektisch, kann gleichzeitig aber auch über mich selbst lachen. Zum Schluss der Tranksaktion sage ich dem Mann im Häuschen, "Charlie Chaplin, eh?", was er sehr lustig fand. Gute Laune haben kostet nix, andere zum Lachen bringen: Unbezahlbar.

So, jetzt aber weiter Pässe knacken, bin ja schließlich nicht zum Spaß hier ;) Der Passo del Turchino liegt oberhalb der Autobahn, die unten durch tunnelt, und gleichzeitig an einem anderen Tunnelportal, und man kann drüber hinaus noch weiter nach oben, damit man nach Westen kommt. Der Monte Torchino ist offensichtlich Schweizer Käse. Außerdem gibt es eine Tankstelle für meine durstige Versys, aber leider nur in meinem Navi, in der Realität schon einige Jahre nicht mehr. Zurück zur Autobahn will ich nicht, die 42 km zur nächsten Tankstelle schaffe ich bestimmt auch auf Reserve. Wenn ich nur erinnern könnte, seit wann die Reserve schon blinkt? Na, sei's drum, das schöne am Passknacken ist, dass es immer bergauf oder bergab geht, man muss also schon viel Pech haben, um wirklich liegen zu bleiben, ein paar Kilometer rollen ist immer noch drin.

Der Passo del Faiallo ist eine ganz nett zu fahrende einigermaßen ausgebaute Kreisstraße in mäßigem, aber erträglichen Zustand. Man fährt viel durch Wald. Dass man auf 1061 Meter ist, könnte man höchstens an der Temperatur merken, aber ich trage Goretex und muss mich schon ziemlich vertun mit dem was ich drunter trage, damit ich überhaupt merke, nicht mehr im Wohnzimmer zu sitzen. Die Reserve blinkt munter weiter und ich bin froh, dass es im nächsten Tal im Ort zwei Tankstellen geben soll. Die erste davon gibt's, und die nehme ich dann auch dankbar an. Mein nächster Punkt heißt Coletto di Marchesino und liegt mitten im Dorf. Foto vom Ortsschild genügt, und ist mir auch lieber als in der Ortsmitte rumzuhampeln, wenn man halbwegs sicher anhalten kann, also z.B. nicht in einer Rechtskurve mit schlechter Sicht.

So knackt man sich weiter westlich Richtung Frankreich durch die Landschaft, wobei der Himmel immer grauer wird. Auffällig ist noch ein verfallen aussehendes Gebäude mit angeschlossener Lastenseilbahn, die noch läuft, und mir ist völlig unklar was der Zweck der Konstruktion sein soll.

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Daheim finde ich raus, dass es sich um die Materialseilbahnen Savona–San Giuseppe handelt, die Schüttgut (Kohle) vom Hafen 17 km über den Appenin ins Hinterland schaufelt, 300 LKW-Fahrten am Tag spart und das ganze auch schon seit 1912. Damit ist sie die zeitlich am längsten in Betrieb stehende Luftseilbahn der Welt, und so sieht sie halt auch aus.

Ich fahre weiter auf meine Route in eine heftige Regenfront hinein. Als der Regen schließlich beginnt und die Versys gleichzeitig wieder Hochtemperatur meldet, fahre ich gerade in einen kleinen Ort rein und bin überrascht, eine belebte Bar mit reichlich Autos davor zu finden. Es ist 13 Uhr und eigentlich könnte ich einen Snack gebrauchen. Als ich absteige und etwas unentschlossen vor dem Haus stehe, werde ich von einem Gast direkt auf Englisch angesprochen und bekomme erklärt, dass es hier was zu essen gibt, und zwar richtig gut, das beste im ganzen Landkreis! Na dann, Wertsachen an den Mann und rein da. Neben der kleinen Bar ist ein riesiger Speisesaal, den ich von außen gar nicht gesehen habe, wo die Einheimischen zu mittag essen, einschließlich ganzer Handwerker-Trupps. Man ist überhaupt nicht auf Touristen oder auch nur Fremde eingestellt, es gibt z.B. keine Speisekarte, sondern nur mündliche Ansagen. Da die kellnernde Omi kein Wort Englisch spricht, übersetzt mein Gesprächspartner von vorhin, der jetzt einen Tisch weiter sitzt. Ich werde nach einem leckeren Teller Spaghetti und einer Schinkenplatte noch zum Probieren von Schafskäse genötigt, kann weitere liebevolle Umkümmerungsversuche aber mit der freundlichen Frage "Are you my grandmother?" unterbinden ;) Es hätte auch noch Nachtisch im Preis enthalten gegeben, aber ich bin reichlich voll und zufrieden und komme mit 10 Euro inkl. Getränk auch sehr günstig davon. An der Theke erhalte ich noch eine Bierflasche voll Leitungswasser für die Versys, die ich im mittlerweile strömenden Regen auffülle.

Es folgen noch zwei Passknackerpunkte im Regen, wozu hat man eine Regenkombi. Pian dei Corsi ist ein ehemaliger NATO-Stützpunkt in 918 Meter Höhe, eine Sackgasse und es stürmt inzwischen richtig. Man kommt sich schon bekloppt vor, bei so einem Wetter überhaupt Motorrad zu fahren, zumal mein Visier beschlägt und ich eigentlich nur noch den Straßenverlauf erkennen kann, nicht aber den Zustand. Und dann trifft man da oben Leute, die ihre Downhill-Mountainbikes vom Anhänger eines alten Land Rovers wuchten! Das gibt spontane Verbrüderung und rundum High Fives. Gut, dass wir alle nicht bekloppt sind.

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Der nächste Punkt ist der Colle di Melogno, wo man auf der Passhöhe, durch ein riesiges verfallenes ehemaliges Fort fährt. Es gibt auf der anderen Seite auch ein Restaurant, das zur Zeit geschlossen hat. Bei dem Wetter würde sich hier her eh keiner verlaufen.

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Jetzt habe ich genug für heute bei diesem Wetter und werfe alle Zwischenziele aus der Route. Ab jetzt geht es direkt und auf schnellstem Weg zum Hotel knapp hinter der französischen Grenze. Also runter zur Küsten per Autobahn. Da geht leider bald die Temperaturwarnlampe schon wieder an. Ich raste etwas an einer Nothaltebucht, lasse den Motor abkühlen und kippe mein letztes Wasser rein. Am nächsten Rastplatz finde ich einen Wasserhahn, und mache den Kühler und meine 1,5 Liter-Flasche wieder voll, die ich extra für Kühlwasser dabei habe. Das Wasser tropft mittlerweile nicht mehr nur seitlich aus dem linken Schlauch, sondern auch aus dem Kühler selbst, und zwar nicht nur tropfenweise. Oha. Da ist entweder ein ordentlicher Steinschlag rein geflogen, oder ich habe ein Überdruckproblem: Wenn der Deckel am Kühler nicht mehr beim vorgesehenen Druck öffnet, erhöht sich der Druck so lange, bis die schwächste Stelle nachgibt. Das waren bisher die Schlauchschellen, mal rechts, mal links, inzwischen ist es der Kühler selbst. Ich hoffe einfach, dass es der Deckel am Kühler ist, denn das ist die preisgünstigste Variante. Heute und die nächsten drei Tage denke ich, dass ich mit Nachfüllen durchkomme, und dann bin ich eh wieder daheim, die Saison ist dann so ziemlich vorbei und dann kann ich in Ruhe den Fehler suchen und möglichst preisgünstig beheben.

Aber zunächst bin ich in Italien und muss heute noch nach Frankreich. Die Autobahn führt immer parallel der Küste entlang und es stürmt weiter. Ich bleibe weitgehend trocken dank Regenkombi und Socken in Mülltüten, aber die Finger werden feucht. Der Wind ist auch nicht von schlechten Eltern. Erneut besteht die Autobahn vor allem aus Tunneln und Brücken, und am Tunnelausgang verdreht mir der Seitenwind so vehement den Helm, dass mir die Brille fast von der Nase hüpft. Die Spur zu halten gelingt mir auch nur dank trainierter Reflexe - absolut keine Empfehlung für Anfänger!

Endlich erreiche ich Frankreich! Erstaunlicherweise ohne Grenzkontrolle, aber mit einer umständlichen Mautstation zuvor, wo nur der obere Schacht für Ticket und Kreditkarte funktioniert. Der Motorradfahrer muss sich strecken, der Autofahrer hinter mir ruft vermutlich den ADAC. Eine Schmalspur-Grenzkontrolle gibt's dann nach der ersten Autobahnabfahrt, und eine Landstraßenbaustellenampel, die ein Autofahrer wütend hupend passiert, und zwar samt wartender Kolonne. Dann erreiche ich endlich das Hotel. Meine Unterkunft heute heißt Le Relais de Monti und liegt direkt an der Bundesstraße D2566 von der Küste weg, hoch in die Berge - ein idealer Ausgangsort, aber eher kein Kurort, auch wenn man einen schmalen Winkel Blick aufs Mittelmeer hat.

Ich bin froh, dass meine körpernahen Schichten trocken geblieben sind, und ziehe noch in der Haustür die nassen Überziehsachen aus, damit ich nicht gleich innen alles nass mache. Mein Zimmer ist im zweiten Stock und leider zur Straße. Abendessen gibt's im gleichen Haus, mir reicht etwas Süßes. Die Kellnerin/Köchin empfiehlt Tiramisu, aber ich mag den Kaffeegeschmack daran nicht - die Köchin ist empfindlich getroffen, das wäre ihre Spezialität. Das tut mir ehrlich leid, und ich gelobe wieder zu kommen mit jemandem, der sowas mag. Für mich reicht heute Abend ein großes Eis. Die elektrische Heizung/Klimaanlage im Zimmer ist leistungsfähig und die Fenster mit modernem Glass innen, aber klassischen Holzabdeckungen außen ermöglichen es, so ziemlich alles über Nacht zu trocknen und ruhig zu schlafen. Reifenpechvogel Jax hat heute einen neuen Reifen bekommen, was der Händler halt gerade noch so übrig hatte, und verbringt wegen des Wetters noch eine Nacht im gleichen Hotel bei Warzi. Ich freue mich derweil intensiv auf morgen, denn Frankreich ist mein Lieblingsland für Motorradreisen, und die Westalpen sind meiner Meinung nach die schönste Motorradregion überhaupt.

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#12 Beitrag von Kawafahrer1100 »

Toller Bericht Johannes.

Ich hoffe das ich nächstes Jahr auch einiges davon fahren kann wenn wir in den Dolomiten sind.

Michael
Immer schön gummierte Seite nach unten

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blahwas
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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#13 Beitrag von blahwas »

Di 2.10. - Rocktober Teil 3/6 - Frankreich 1/4 - Seealpen

Es sind tatsächlich alle Klamotten über Nacht trocken geworden, die Regenkombi hatte alle saugfähigen Sachen auch verschont. Nur meine neuen Handschuhe nicht, also nutze ich die alten. Ich habe mich so schnell an die neuen gewöhnt, dass ich mich wundere, wie ich je mit den alten klar kommen konnte. Das ganze Innenfutter ist lose und will immer wieder mit raus, und die Finger sind eindeutig zu kurz. Dass es Langgrößen für Handschuhe gibt, wusste ich vor dem Kauf des neuen Paars noch nicht, seitdem bin ich über diese Info sehr denkbar. Nunja, ich komme sehr früh los und es ist noch reichlich schattig und frisch.

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Mit kleinen Abstechern geht es zunächst zum Col den Turini (1674 Meter), der aus der Rallye-WM jedem bekannt sein sollte, der einen Tropfen Benzin im Blut hat.

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Auf Empfehlung von Surfopi von vor zwei Jahren fahre ich von der Passhöhe nach Norden, noch höher, den Circuit Authion. Das ist Rundkurs (Einbahnstraße) auf bis zu 2028 Meter Höhe, dessen Spitznamen "Bunkerrunde" auf die (natürlich) militärische Vergangenheit liefert. Wer sich am Boden umguckt, entdeckt diverse Ruinen über und unter der Erde, mindestens einen verrottenden Panzer, ein Monument für die von hier aus versenkten Schiffe (!) und Abzweige auf Trampelpfade in alle Richtungen. Wer den Blick hebt, sieht einerseits das Mittelmeer, und andererseits schneebedeckte Gipfel. Von solchen Stellen kenne ich nicht viele, und ich habe mich intensiv auf diesen Punkt besucht. Vor zwei Jahren waren leider rundum nur Wolken zu sehen, aber heute nehme ich mir die Zeit. Einer der Top-Höhepunkte, wenn nicht der Höhepunkt schlechthin dieses Urlaubs!

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Rumlaufen auf dieser Höhe ist nicht ohne. Und es wird zunehmend warm in den Bergen, was etwas ungewohnt ist, aber die Sonne steigt ja auch immer höher. Für mich geht es vom Col de Turini heute mal nicht weiter nach Osten, sondern nach Süden, zum Cime de Rocaillon, bzw. zu den insgesamt sechs Pässen rund um diesen Berg. Das ist klassisches Motorradfahren in den Seealpen - mediterrane Vegetation, Sonne, wenig Verkehr, viel Grip, enge Kurven und Kehren. Mit anderen Worten: Fahrspaß ohne Ende!

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Der letzte davon heißt für mich Col Savel, und nun geht es letztmalig nach Süden, um ins Var-Tal kommen zu können. Ich merke, dass ich plötzlich etwas wenig Leistung habe, dabei zeigen die Instrumente keine Auffälligkeiten an. Was'n da los? Überhitzung ohne Anzeige? Kühlwasser hatte ich doch erst vor 30 Minuten aufgefüllt? Ich riskiere nix und rolle im Leerlauf weiter den Berg hinab, bis sich eine geeignete Stelle zum Halten findet.

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Ich lasse das Motorrad etwas abkühlen, mache auch eine persönliche Pause und hoffe dass es danach einfach weiter geht. 3 Tage und den Rest von heute muss sie noch halten, damit ich nach Hause komme!

Leider startet sie nicht mehr. Alles verhält sich normal, der Anlasser dreht, aber es plöppt nicht aus dem Motor und es stinkt auch nicht nach Benzin. Habe ich etwa den Tank leer gefahren? Ich war zwar auf Reserve, aber echt noch nicht lange. Wird da womöglich gar nichts eingespritzt? Ich wackle an Zündschloss, Killschalter, Seitenständerschalter, aber alles sich gut aus und verhält sich normal. Bleiben noch CDI, Zündspulen und Einspritzpumpen - das kann ich alles nicht am Straßenrand tauschen, wobei ich sogar zwei alte Zündspulen dabei habe. Elektrikfieps würde zum Starkregen gestern passen. Nunja, ich komme hier nicht weiter, also aktiviere ich meinen Schutzbrief (der Itzehoer Versicherung, wo mein Motorrad versichert ist), damit sich ein Profi die Sache anschauen kann. In Nizza gibt es zwei Kawasaki-Händler, und der nähere von beiden ist 45 Minuten entfernt. Wie lange kann das schon dauern?

Lange kann das dauern. Alleine schon zu erklären wo ich gerade bin nervt ohne Ende, denn ich bin außerorts, wenn auch genau neben dem Kilometersteine dieser Departementstraße, und am Briefkasten eines Privathauses, wo eine Anschrift dran steht. Ich kann auf Navi und Handy den Ort nördlich und südlich von mir benennen.

Ständig telefonisch nachfragen, wo der Pannenhelfer bleibt, halte ich für unhöflich und nutzlos. Nach zwei Stunden tue ich es dann doch mal, und man sichert mir eine Stunde später per Rückruf zu, dass der Helfer jetzt "verbindlich" in 60 Minuten kommt. Ich habe derweil reichlich Gelegenheit, mir diese Ecke anzusehen. Gegenüber steht ein Grabstein mit Widmung und frischen Blumen. Der Briefkasten gehört zu einem Anwesen mit riesigem Tor in schlechtem Unterhaltszustand. Gegenüber ist 30 Meter weiter ein Ferienhaus. Unterhalb der Straße hat sich jemand einen Verschlag gebastelt, der zur Zeit nicht "zuhause" ist - oder schon seit Monaten. Er hat sogar den Entwässerungskanal angezapft und eine Tonne reingestellt.

Endlich erscheint der Abschlepper und lädt die Versys einfach nur auf, nachdem ich das Problem beschrieben habe. Im Abschlepper plappern wir etwas, soweit meine Französischkenntnisse das zulassen. Er fährt auch Motorrad, und zwar eine "Rühn". Hmm. Französische Motorradfahrer haben genau wie Deutsche ihre eigene Fachsprache, ich fahre ja z.B. auch "Ente" und nicht "NTV". "Rühn" schreibt sich vermutlich "Rune" und "une" heißt eins. Der Herr hier neben mir ist also offensichtlich stolzer Besitzer einer Supersport-Boden-Boden-Rakete aus dem Haus der gekreuzten Stimmgabeln.

Die Fahrt zum Kawasaki-Händler dauert wegen des intensiven Feierabendverkehrs leider eine gute Stunde länger als geplant und mein Motorrad betritt die heiligen Hallen von "Kawa Moto Technik" leider erst 18:30. Um 19 Uhr wird geschlossen, und die Werkstatt platzt aus allen Nähten. Überall Kunden, Motorräder, und hektisches Personal. Man sagt mir zu, das Motorrad am nächsten Morgen anzuschauen und das Möglichste zu tun, aber wenn Ersatzteile gebraucht werden, können sie erst nächste Woche reparieren. Uff. Heute ist Dienstag. Au weia. Hoffentlich finden sie den Fehler oder McGuyvern etwas zusammen. Ich soll einfach morgen gegen 11 Uhr wieder kommen.

Der Schutzbrief zahlt die Untersuchung des Motorrads, 2 Übernachtungen in der Nähe der Werkstatt, und wenn die Reparatur nicht innerhalb von 3 Tagen gelingt, meine Rückreise und den Rücktransport des Motorrads. Die Rückreise kann per Mietwagen erfolgen, oder ab 1000 km auch per Flugzeug. Da ich die Preise für One-Way-Mietwagen grob kenne, selbst innerdeutsch 350 Euro, gehe ich davon, dass man mir auch einen Flug zahlen wird, obwohl es nur 850 km Luftlinie nach Hause sind, aber 1200 km auf der Straße.

Heute wird es also nichts mit Weiterreise und ich darf ein Hotel wählen, oder den Schutzbrief wählen lassen. Bis 75 Euro wird gezahlt. Es gibt zwei Hotels 300 Meter von Kawasaki hier in diesem wenig attraktiven Teil der Stadt, eines davon nehme ich. Das Hotel Kyriad ist Last Minute von 300 auf 80 Euro reduziert - das klingt doch gut! Ich schleppe mein gesamtes Gepäck also in Motorradsachen in der Abendhitze 300 Meter, was nicht ohne Pause gelingt. Das Hotel macht einen schlechten ersten Eindruck, der sich auf dem Zimmer auch bestätigt. Das Zimmer ist zwar groß, aber überhitzt, und die Klimaanlage läuft pro Minute nur drei Sekunden. Die Fenster lassen sich nicht öffnen. Das merke ich natürlich erst NACH dem Auspacken. Außerdem ist 80 Euro der Normale Preis, sie tragen nur 300 ein und reduzieren dann sofort wieder, damit sie auf den Preisvergleichsportalen hervorgehoben werden. Das Hotel gegenüber hätte wenigstens einen Pool gehabt. Nerrrrv.

So, ein geschenkter Abend in Nizza, da könnte man doch eigentlich richtig auf die Kacke hauen? Naja, richtig Lust habe ich nicht, es ist schon dunkel, und die Umgebung des Hotels gibt wenig her. Es gibt zwar eine S-Bahn in der Nähe, es laufen aber keinerlei Menschen mehr rum, die Geschäfte haben alles vergittert, jede Minute kommt Polizei vorbei und die wenigen Anwohner gucken einen eher angstvoll an. Okeee. Ich finde ein offenes Restaurant, gehobene Küche oder Pizza zum mitnehmen? Die Pizza, dann bitte, immerhin hatte ich Italien noch keine. Abends gucke ich noch nach Flügen, falls kein Fehler gefunden wird oder Ersatzteile nötig sind, es gibt einen passenden Direktflug um 13:10, und füge mich meinem Schicksal...

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#14 Beitrag von blahwas »

Mi 3.10. - Rocktober Teil 4/6? - Frankreich 2/4? - Westalpen oder Notausgang?

Ich packe morgens alles ein, bevor ich zu Kawasaki gehe, denn 11 Uhr ist mir zu knapp vor 12 Uhr, meiner Check-Out-Zeit im Hotel. Die Entscheidung, ob ich für eine Motorradtour oder einen Flug packe, treffe ich zugunsten Flug - dann habe ich wenigstens nicht ganz soviel Ärger, wenn die Versys nicht wieder flott gemacht wird, und muss nicht auch noch umpacken. Kann ich dagegen weiterfahren, packe ich mit Vergnügen dafür um.

Nach der morgendlichen Schlepporgie bei Kawa Moto Technik angekommen wird mir direkt erklärt, dass die Benzinpumpe defekt ist. Das ergibt Sinn. Jetzt wird mir erst bewusst, was mich gestern irritiert hat: Wenn man bei der Versys die Zündung einschaltet, hört man normalerweise ein bestimmtes surrendes Geräusch. Gestern fehlte es. Das wäre die Benzinpumpe gewesen. Normalerweise fehlt es nur, wenn man eine völlig leere Batterie hat. Dann leuchten aber auch die Kontrollleuchten kaum noch, und beim Orgeln zum Startversuch passiert dann auch wenig. Bei mir drehte dagegen alles ganz regulär. Die defekte Benzinpumpe erklärt auch das völlige Fehlen von Benzinmief bei längeren Startversuchen. Mir wird außerdem erklärt, dass keine Benzinpumpe auf Lager ist, das man nicht improvisieren kann aus fremden Fahrzeugen oder Schlachtfahrzeugen, und dass man erst nächste Woche fertig ist. Das war's dann mit meiner Frankreichtour.

Ich sage, OK, schreibt das auf, und rufe den Schutzbrief. Der Schutzbrief schreibt der Werkstatt eine E-Mail, was ist da los, und die Werkstatt antwortet darauf, dass sie nicht reparieren können vor Termin XY. Ich frage nach der Rechnung, man will aber kein Geld von mir. Das ist sehr fair! Ich frag nach einem Taxi, man versteht meine Frage nicht. Achja, richtig, ich bin nicht in Deutschland, sondern im Rest der Welt, wo Uber für Privatleute Taxis längst abgelöst hat. Ich installiere die App und stelle fest, dass ich 11 Minuten und 18 Euro später am Flughafen sein kann, und zwar mit einem Mercedes. Ich verabschiede mich und am Wegesrand wartet bereits die Limosine. Uber ist ganz interessant: Es wird direkt in der App bezahlt, und die App legt den Preis fest. Der Fahrer het kein Interesse an Umwegen und kann beim Taxameter nicht bescheißen, er wird nicht überfallen mangels Bar-Einnahmen, und der Fahrgast kann nicht abhauen ohne zu bezahlen. Beide können sich gegenseitig bewerten, aber nur wenn sie wirklich eine bezahlte Transaktion durchgeführt haben. Soweit so gut, das führt aber zu einer Machtkonzentration beim Betreiber der App, und die bisherigen Monopolinhaber sind auch nicht gerade begeistert.

Im Auto buche ich mir den Direktflug mit Gepäckaufgabe und gehe im Kopf durch, wie es anders hätte laufen können: Ich habe noch nie von defekten Benzinpumpen bei Versys 650 oder ER-6 gehört. Das Ding hat niemand als Ersatzteil dabei. Ich habe auf langen Touren Universalseilzüge, Bremsbeläge, einen Limaregler und zwei Einspritzpumpen dabei. Mehr kann man wohl kaum erwarten. Ich hätte selbst auf den Fehler kommen können, und vorab mehrere Werkstätten abtelefonieren können (oder können lassen, mangels gutem französisch), wer so ein Ding hat. Ich hätte mich zu einer freien Werkstatt mit einem echten McGuyver schleppen lassen können, den Benzin pumpen können auch Benzinpumpen aus irgendwelchen Rollern, Hauptsache 12 Volt. Bestenfalls wäre ich gestern Abend oder heute Mittag wieder startklar gewesen, hätte aber viel Zeit verloren, so dass meine restlichen Fahrtage zu erheblichen Teilen aus stupidem Autobahnfahren bestanden hätten, was in Frankreich auch noch Maut kostet. Das Ganze auch noch mit zunehmend undichtem Kühler. Dazu kommt, dass die Nordseite des Col de la Bonette laut Google Maps gesperrt ist, und möglicherweise auch andere hohe Pässe, immerhin gab es das Unwetter gestern nicht nur genau über mir, sondern im gesamten Westalpen-Raum.

Stattdessen sitze ich jetzt in einem Mercedes, in gut einer Stunde in einem Flugzeug und heute Abend wieder bei mir daheim. Und statt Sprit, Reifen und weitere laufende Kosten selbst zu zahlen, trägt der Schutzbrief die Kosten der Rückreise. Ich erwische mich beim Gedanken, dass es eigentlich gar nicht so schlecht ist, aber ruhig noch 1-2 Tage später passieren hätte können.

Am Flughafen läuft alles gewohnt gut, und die Security wundert sich nicht über mich, meinen Helm oder meinen Tankrucksack - das übernehmen die anderen Fluggäste, die teilweise schon etwas Schickeria sind. Nizza, Cannes, St. Tropez ist Fluchtpunkt der Reichen und Schönen dieser Welt, wobei die richtig Reichen und Schönen natürlich keine Linienflüge für Jedermann nutzen. Ich habe Platz mit erhöhter Beinfreiheit, einen von wenigen freien Mittelplätzen neben mir, und ein Fenster:

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Merke: Wenn du deine Yacht vom Flieger aus erkennen kannst, hast du es geschafft. Wenn jeder der ein Wenig Nachrichten liest, deine Yacht vom Flieger aus erkennen kann, dann hast du "etwas" übertrieben: https://de.wikipedia.org/wiki/SY_A

Ich gucke mir bald mal darauf sehnsuchtsvoll die Berge von oben an, auf denen ich eigentlich lieber rumfahren wollte...

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Der Flieger landet planmäßig in Düsseldorf und die Wahl zwischen 20 Minuten Taxi oder Odyssee im ÖPNV mit 17 kg Packrolle auf den Schultern treffe ich zugunsten meines Rückens. Außerdem habe ich Urlaub! Um 17 Uhr bin ich bequem und unverschwitzt zu Hause. Damit endet diese Reise vorzeitig, aber wohlbehalten. Zumindest für mich. Mein Motorrad ist Stand 21.10. noch immer unterwegs im Sammeltransport und wird planmäßig erst am 25.10. geliefert, und zwar zu einer Werkstatt meiner Wahl. Dorthin bestelle ich dann auch gleich noch eine neue Benzinpumpe, und lasse den Meister zaubern. Um den Kühler kümmere ich mich danach über den Winter selbst, oder ich verkaufe die Versys wie sie ist - nachdem ich das Zubehör auf ein baugleiches Modell mit wesentlich weniger Kilometer umgebaut habe, natürlich, denn dem Modell "Versys 650 2006-2009" bleibe ich treu. Am liebsten hätte ich wohl eine 2009er in orange...

Hiermit endet diese Reisebericht. Danke fürs Lesen. Es folgen noch Fazit und kleines Making-Off. Fragen könnt ihr ruhig jetzt schon stellen.

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#15 Beitrag von blahwas »

Fazit

Irgendwie war der Wurm drin. Erst fährt der Autoreisezug nicht, dann begleiten mich Sorgen um den Kühler, Jax holt sich einen platten Reifen, und schließlich komme ich ohne Motorrad zwei Tage zu früh nach Hause. Das Wichtigste ist aber, dass alle gesund und munter sind. Und ich würde den Urlaub nicht mal als verkorkst betrachten, auch wenn er statt 12 Tage nur 9 gedauert hat. Ich hatte 7,5 Tage Fahrtage, von denen nur ein halber wegen schlechtem Wetter weniger Spaß gemacht hat. Und ich habe 3 Urlaubstage nicht angetreten, sondern stattdessen im Büro verbracht - das heißt, ich kann sie später für Urlaub nutzen. Durch die Panne blieben mir und der Versys sogar ein öder 1000 km-Autobahn-Tag erspart.

Vor allem aber: Ich hatte ein absolut erstklassiges Höhentreffen und viel Spaß mit allen Teilnehmern! Danke an die Teilnehmer, dass ihr zum Gelingen dieses Treffens beigetragen habt! Die "Rocktober"-Rückreise ist nur aufgehoben, die werde ich zu anderer Gelegenheit nachholen. Ein Jahr ohne Col de la Bonette, das ist schon nicht gut, aber zwei Jahre in Folge - geht ja gaaar nicht!

Meine Anreise:

Neu an dieser Reise war für mich war bei diesem Urlaub die Nutzung des Autoreisezugs. Die Strecke Düsseldorf-Innsbruck ist für Einwohner von Ruhrgebiet, Rheinland, Niederrhein und Niederlande sicherlich sehr interessant ist. Die ÖBB bedient die Strecke jede Nacht in beide Richtungen. Der normale Preis im 4er-Abteil ist 180 Euro, es gibt aber Frühbucherrabatte. Schade, dass das Angebot in Deutschland kaum beworben wird. Von meinen Arbeitskollegen sind viele auch gerne in den Alpen und dachten, das gibt’s nicht mehr, weil die DB es ja eingestellt hat. Ich bin noch nie mit so wenig Zeiteinsatz in die Alpen gekommen, auch wenn es natürlich nicht für jeden Deutschland gut auf dem Weg liegt. Auch kann Anhängeranreise preiswerter sind, wenn man 2 oder 3 Motorräder dabei hat. Dafür ist One-Way eine attraktive Sache. Die ÖBB bietet ebenfalls Düsseldorf-Wien jede Nacht an, nimmt dort allerdings leider keine Fahrzeug mit - das wäre für Osteuropa sehr attraktiv.

Von Innsbruck kann man auf diversen Wegen und mit zahlreichen schönen Umwegen nach Südtirol übersetzen: Reschenpass ist eher eine gerade Bundesstraße mit Verkehr, Timmelsjoch ist die kurvigste Version (mautpflichtig), Brennerlandstraße die billigste und Brennerautobahn die schnellste (wenn nicht gerade Stau ist, aber dreifach mautpflichtig), und alle lassen sich mit tollen Pässen kombinieren.

Der Passgourmet urteilt über die Regionen:

Frankreich kam leider etwas kurz auf meiner Reise, Österreich kam angemessen kurz, und in Italien habe ich ein paar neue Winkel entdeckt. Monte Grappa ist ein Highlight, die Pässe Südwestlich vom Gardasee haben mich aber nicht überzeugt. Die italienischen Regionen Trentino-Südtirol aber auch Venetien haben tollen Strecken und Landschaften für Motorradfahrer. Der Apennin hat mich erneut nicht überzeugt - von Genua bis Loano - das kann man mal machen, ist aber weder in Fahrspaß noch Landschaft erste Wahl.

Über die Routen:

Am Höhentreffen:
Routenvorschläge als Track bei Google My Map und tagesweise mit Kurviger.de-Links: viewtopic.php?f=145&t=16599

Tatsächlich gefahren (Passknacker-Übersicht, grün=dieses Jahr gefahren):
Bild

Monte Grappa-Runde (Hinweis im Text beachten bzgl. Strecke von 2 nach 3): https://kurv.gr/MS1iY

Für die Weiterreise:
Planung bei Kurviger (117 Wegpunkte): https://kurv.gr/PW3vg

Tatsächlich gefahren (Passknacker-Übersicht):
Bild

Über diesen Bericht:

Die Fotos sind von meinem Handy, einem Samsung S8 und von meiner Gopro, die seitlich am Motorrad nach vorne gerichtet montiert war und alle 30 Sekunden ein Foto macht. Die Gopro mit Kabel dauerhaft zu laden war eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Akkugewechsel und ständigem Ein/Ausschalten (und -vergessen) der letzten Jahre. Dafür kann ich sie bei Regen nicht nutzen - gab's aber kaum, und liefert dann eh keine guten Fotos. Pro Tag fallen rund 600-900 Fotos mit zusammen 3-4 GB an (die man irgendwann dann auch mal sichten muss). Vereinzelt habe ich Fotos verwendet, die von Mitfahrern gemacht wurden.

Die Notizen zu den Tagen habe ich spätestens Abends angefertigt und zwischendurch erweitert. Den gesamten Zeitaufwand für den Reisebericht würde ich auf 3-4 Stunden pro Reisetag schätzen, natürlich abhängig vom Erlebten, der Fotomenge und ob man irgendwas dazu nachrecherchiert. Ich mache es gerne, weil es mir Spaß macht, und weil ich auch gerne meine eigenen Reisebericht später wieder lese.

Passknacker-Nachweisfotos habe ich direkt abends aufbereitet und hochgeladen, und mit Kommentaren zum Tag versehen. Das ergibt dann am Jahresende einen persönlichen Gesamtjahres-Kurz-Reisebericht.

Unterkünfte:
Hotel du Lac in Lavarone: Sehr gute Ausgangsbasis mitten in einer guten Motorradregion, ruhig und dennoch recht zentral, gute Küche, sehr günstig (45 Euro mit Halbprension EZ)
Stevano Albergo e Ristorante in Cantalupo Ligure: Sehr abgelegen, gute Küche, Schwimmbad, sehr gepflegt (55 Euro mit Frühstück EZ)
Le Relais de Monti in Menton: mittelmäßige Ausgangsbasis sehr am Rande einer guten Motorradregion, gute Küche, nicht so günstig, modern, laute Lage und abgelegen, kein sicheres Unterstellen von Motorrädern möglich, 60 Euro mit Frühstück EZ)
Kyriad in Nizza: Typisch städtische Bettenburg die sich nur Aufgrund des nahen Stadions halten kann, und die Buchungsplattform Agoda.com nervt mit nicht abstellbaren Emails (60 Euro mit Frühstück EZ)

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#16 Beitrag von blahwas »

housi55, andre, Jero, Kawafahrer 1100
Gerne!

Jero
Es ist auch zu anderen Zeiten eine schöne Region, aber zur Hauptsaison kann es sehr voll werden. Im Frühjahr sind vielleicht die ganz hohen Dolomiten-Pässe noch nicht offen, aber die südlicheren bestimmt schon.

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#17 Beitrag von Umsteiger »

Mal wieder Klasse, Johannes; Danke dafür !
Was mir immer wieder auffällt: Die gelassene Haltung den Dingen und der Welt gegenüber und die Lust am Reisen, die sich wohl gerade auch daraus speist.
Freu mich schon auf´s nächste Mal.
Grüße
Georg

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#18 Beitrag von blahwas »

Hey Georg, danke für die Blumen. Die Gelassenheit habe ich beim Motorradfahren entwickelt.

Oh, eine Situation ist eingetreten. Bringt sie mich die nächsten 5 Sekunden um, z.B. Bremshebel lässt sich zum Lenker durchziehen? Nein, dann ist es nicht so wichtig. Bringt sie mich die nächsten 5 Jahre um, z.B. schwarze Flecken auf der Haut? Nein, dann ist es nicht so wichtig. Bringt sie mich überhaupt nicht um, z.B. Kunde nörgelt? Nein, dann ist es nicht so wichtig. Und so weiter :)

jax
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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#19 Beitrag von jax »

Ich klinke mich hier einfach mal ein und gebe auch noch ein paar Eindrücke der Nachhöhentreffentour wieder:
blahwas hat geschrieben: 20. Okt 2018 18:05 So 30.9. - Rocktober Teil 1/6 - Italien 1/2 - mit Jax nach Varzi
... Am Ende lief es darauf hinaus, dass jax mich durch Italien bis zur Grenze begleiten wird. So bin ich zumindest in Italien nicht alleine unterwegs, und kann in Frankreich dann schalten und walten, wie ich will ...
Soweit der Plan. Ich hätte große Lust gehabt, noch weiter mit zu fahren, nur musste ich mich entscheiden: entweder ich besuche noch vier liebgewordene Freunde aus einem anderen Forum, die just zu der Zeit in drei Ferienhäusern im Hinterland von Imperia urlaubten (tja, man muss die richtigen Schwiegereltern haben :wink:) und bleibe dort bei denen zwei Nächte, anschließend rüber in die Nähe von Grasse und dort meinen Kumpel Hubert (pensionierter franz. Motorradpolizist ) auch für zwei Tage besuchen, oder aber mit blahwas weiter Pässe knacken.

Ich habe mich für die Besuche entschieden, einerseits wollte ich besonders Hubert mal wiedersehen, die anderen Kumpels natürlich auch, andererseits war ich ja schon mehr als zwei Wochen unterwegs und wollte ohne Zeitruck einfach so durch die Gegend fahren. Nachträglich gesehen war das eine gute Entscheidung. Ich habe mich zwar während unserer gemeinsamen Etappe zunächst über meine Entscheidung etwas geärgert, denn die Fahrerei mit blahwas klappte wie am Schnürchen, da wusste ich allerdings noch nicht, was uns erwarten würde :o.

Okay, ich saß also in Varzi vor der Bar/Tanke, die Dunkelheit kam, der Abschlepper sollte erst in gut einer Stunde anrücken und ich hatte Zeit, über das Schicksal und meines im besonderen nachzudenken. Vor ziemlich genau einem Jahr derselbe Scheiß, nicht reparabler Plattfuß beim Höhentreffen, auch mit dem Metzeler Roadtec 01.
Aber, es hätte schlimmer kommen können. Motorschaden, Unfall o.ä. Hier saß ich mit einem Espresso in der noch angenehm warmen Abenddämmerung, meine kV sollte gleich abgeholt und ich anschließend mit einem Taxi zu blahwas ins Hotel gebracht werden. Und wenn man so sitzt und denkt, dann kommen doch noch ein paar Gedanken: wohin wird die kV gebracht, wo ist ein Reifendienst, der Montag geöffnet hat, wie komme ich dort hin?
Also wieder ADAC Italien angerufen und nachgefragt, ob nicht ein Hotel in der Nähe des Abschleppers evtl. sinnvoller wäre. Antwort klipp und klar: nein, mit Taxi zum Hotel (da nur ca. 20 km, dafür sollte die vorgesehene 50 Euro Pauschale reichen) und morgen dann zum Motorrad, auch mit Zug.
Wie bitte, Zug? Wo ist denn dort in der Walachei, oder auch A.d.W., ein Bahnhof? Dann dem guten Mann vom letzten Jahr erzählt, einschließlich der Beschwerde beim Qualitätsmanagement des ADAC und der Auskunft des QM, dass man doch auch Leistungen zusammenlegen könnte. Nun ja, irgendwie wurde der Tonfall und das Entgegenkommen des örtlichen ADAC Menschen am Telefon schlagartig kulanter. Er schaute nach, wo unser Hotel wäre und wohin der Abschlepper fahren würde, Ergebnis: > 60 km! Weiteres Ergebnis: ja, es wäre wohl besser, ich würde dann in der Nähe des Abschleppers ein Zimmer nehmen.
Gut, das war schon mal geritzt, jetzt nur noch blahwas informieren, dass ich nicht zum Hotel kommen würde und unsere gemeinsame Fahrt wohl zu Ende wäre, leider, leider.
Nach einer knappen Stunde kam dann der gelbe Schandwagen, die kV wurde aufgeladen und verzurrt und ab ging es zurück. Richtig, so ca. 40 km genau die Strecke zurück, die wir gekommen waren. Kein Wunder, dass das Eintreffen des gelben Wagens so lange dauerte, es war eben eine „kurvenreiche“ enge Straße von Varzi nach Trevozzo. Trotzdem, die Fahrt verlief mit viel Unterhaltung mit englischen und italienischen Brocken recht kurzweilig.
In Trevozzo wurde der Abschleppwagen mitsamt der kV Huckepack in die Werkstatthalle gestellt, ich schnappte mir meine Übernachtungstasche aus einem Koffe und dann brachte mich der Abschlepper in seinem Privatauto zum „Hotel“ bzw. in eine gegenüberliegende Bar. Begrüßt wurden wir mit lautem „Hallo“ und ich durfte in die örtliche italienische Welt eintauchen. Zunächst gab mir der Abschlepper an der Theke ein Bier aus, es umringten uns gestikulierende Italiener, die alle die Geschichte des Plattens hören wollten. Natürlich wurden sie mir alle mit Vornamen vorgestellt, was soll ich sagen: allein für diesen Abend hatte sich der Plattfuß schon gelohnt!! Zwischenzeitlich kam Renato, der Cheffe des Hotels nebenan, und zeigte mir meine camere. Noch ein paar Bier, eine große, leckere Käsaplatte mit etwas Wein und dann so gegen 12 h in mein Bett. Ich sollte am nächsten Morgen um 10 h abgeholt werden, der Reifen wäre dann repariert.
Da ich der einzige Hotelgast war, gab es am nächsten Morgen ein zwar italienisches Frühstück, aber alles auf Wunsch. Pünktlich um 10 kam dann der Abschleppunternehmer und brachte mich zum Gommista. Dort stand meine kV schon und grinste mich mit dem überstehenden Ende einer Stopfenreparatur an. Sollten die das hinbekommen haben?
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Nee, hatten sie nicht, da zischte die Luft genauso heraus wie am Vorabend an der Tanke in Varzi. Also musste eine neue Pelle her, die gäbe es aber nur in Piacenza und das würde mit Montage mindestens bis zum Abend dauern. Also wieder zurück ins Hotel, der angekündigte Regen setzte auch so langsam ein, so dass ich den Entschluss fasste, noch eine Nacht vor Ort zu bleiben und erst am nächsten Tag (der Wetterbericht versprach Sonnenschein) loszufahren. Nachträglich war das eine weise Entscheidung, denn in der Nacht tobte wohl in Ligurien ein heftiges Unwetter mit Sturm und großen Regenmassen, in das ich unweigerlich hineingeraten wäre, zusätzlich noch im Dunklen. Zudem hatte ich dann am nächsten Morgen diesen Reifen auf meiner Tourenmaschine:
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Michelin Power Race medium, zudem noch DOT 04, also 2004, gut abgehangen könnte man sagen. Aber was soll’s, Reifen und Montage komplett 100 Euro (natürlich ohne Rechnung cash inne Täsch) und ich konnte bei warmem, trockenem Wetter weiterfahren. Mein heimlicher Wunsch allerdings, blahwas evtl. irgendwo abzufangen, hatte sich erledigt.
Also über die Autostrada ab zu meinen Kumpels nach Dolcedo, dort einen wunderschönen Grillabend mit viel Geschwätz und Wein verbracht und von dort am nächsten Mittag (inzwischen schon der 3.10.) über San Remo, Tendetunnel, Sospel zum Col de Turini.
Dort gemütlich Café getrunken und mich über die Horde Schweizer GS Treiber amüsiert, die lautstark darüber lamentierten, warum sie meiner treuen kV bergauf nicht das Wasser reichen konnten und was das überhaupt für ein Mopped sei.
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Weiter ging es durch das französische Hinterland Richtung Westen zu meinem Ziel Peymeinade und Hubert.
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Dort noch einen schönen Donnerstag mit vielen Geschichten genossen (kommt halt einiges zusammen, wenn man sich nur einmal im Jahr sieht), bevor es dann am Freitag über die Route Napoleon Richtung Grenoble ging und von dort über die BAB nach Dijon (Balladins Nord), zwecks Zwischenübernachtung. Dort werde ich wohl nicht mehr übernachten, die Klimaanlage war schon abgestellt, das Fenster konnte man wegen Lärms und Einbruchgefahr nicht öffnen, das Restaurant hatte Wahnsinnspreise. Nur das Frühstücksbuffet für 7 Euro, das war wirklich gut.
Am Samstag dann die letzten Kilometer Richtung Heimat auf der Autobahn, immer mit dem Gedanken: ob der Race das wohl schafft, Autobahn, um die 26°C und dann mit der weichen Mischung? Aber er hat es gepackt, zuhause war noch reichlich Restprofil drauf.
Montag habe ich direkt bei Metzeler angerufen und mich nach der „Reifengarantie“ erkundigt, eigentlich müßte die ja greifen, die Reifen waren von Ende Juli, also noch kein viertel Jahr her. Andererseits sind die Garantiebedingungen so, dass sie wohl nur im Idealfall zum tragen kommt.
Die Sachbearbeiterin war recht freundlich, wies allerdings auch auf die Bedingungen hin, u.a. ob ich registriert wäre? Ich: ja, bin ich, für die 30 Euro Cashbackaktion. Sie: tja, das wäre aber nicht die Registrierung für die Garantie. Ich: muss man sich bei Metzeler mehrfach registrieren? Sie: gut, das könne sie nicht entscheiden, ihr Chef wäre noch im Urlaub, sie legt ihm meine Unterlagen vor.
Da die Dame mir etwas Hoffnung gemacht hat und ich eh neue Reifen brauchte, habe ich das folgende Wochende zu einem Ausflug mit kleinem Treffen zur Trendelburg genutzt und mir bei Detlef neue Reifen aufziehen lassen, getrennte Rechnung für vorn und hinten inklusive.
Die Bedingungen sollte man sich mal durchlesen, in solch einem italienischen Dorf lassen die sich eh nicht erfüllen. Umso erstaunter war ich, als ich zu Beginn letzter Woche per mail eine Zusage bekam und ich nur noch die ursprüngliche Rechnung und meine Kontonummer angeben sollte. Und siehe da, gestern war das Geld für einen neuen Hinterreifen auf meinem Konto. Klasse, Metzeler!!

Mein Gesamtfazit der drei Wochen und was mir sonst noch einfiel:
1. In drei Wochen (ich war vorher schon eine Woche mit drei anderen Kumpels in den Dolomiten) kein Fahrtag Regen, ich habe nur einmal die Regenjacke als Kälteschutz benötigt
2. Unvorhergesehenes kann auch durchaus positiv enden
3. Ich habe wieder viele sympatische Menschen getroffen, altbekannte und unbekannte
4. Die 5.500 km haben sich überhaupt nicht so angefühlt, eher wie 550 km
5. Glück oder auch Zufall zur richtigen Zeit helfen extrem: nachdem die Wirtin in Trevozzo im Gespräch von meiner Schwiegertochter (gebürtige Polin, mit zwei Jahren nach D gekommen) erfuhr, outete sie sich auch als eingewanderte Polin und es gab reichlich Wodka, deftiges Essen und gute Worte. Genauso in dem Hotel in Peymeinade: die Frau des Restaurantbetreibers war auch Polin, danach floß auch dort der Wodka in Strömen. Und natürlich war ich jeweils eingeladen.
6. Die Versys (inzwischen 92.000 km) lief vollkommen problemlos, noch nicht einmal Öl hat sie verbraucht
7. Schade, dass man so etwas nicht einfach geplant wiederholen kann, dazu gehört halt auch der Zufall.
8. Ich zitiere mal blahwas: „Es ist ziemlich komisch, auf einer kurvigen Bundesstraße bei Tempo "90" im Stehen fahren zu müssen, damit man nicht aus dem Sitz geschleudert wird.“ Ja, die Strasse war wirklich ziemlich, äh, renovierungsbedürftig. Wenn man da so in Schräglage mit vollgepacktem Mopped nach kurzem Flug in einer Absenkung landet, dann gibt es durch den breiten Hinterreifen schon ein heftiges Aufstellmoment. Erst hat es mich etwas überrascht, blahwas war seiner Fahrweise nach zu urteilen wohl auch etwas irritiert, anschließend wusste ich, was zu tun war und es lief vollkommen unproblematisch.
9. Dem Navi sollte man niemals nicht blind vertrauen
10. Unterm Strich war die Panne zwar ärgerlich, hat aber auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort für viele neue, vor allem positive, Erfahrungen gesorgt
11. Ich hoffe mal, dass es nicht die letzte Fahrt mit und das letzte Winken von blahwas war:
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Das war’s von mir, beim nächsten Mal bin ich nach Möglichkeit in Lavarone wieder dabei

jax

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Re: Mein Reisebericht Höhentreffen + Frankreich 2018

#20 Beitrag von Umsteiger »

Schön, Axel, dass auch bei Dir alles so glücklich ausging, selbst das Dir irgendwie treue Unglück :D
Äh, wieder Metztler, ja :think:
Na ja, bis zum Höhentreffen ist ja noch Zeit und dann kannst Du ja immer noch was anderes ausprobieren.
Oder halt wieder die Grundlage für unvorhersehbare Abenteuer legen :sabber:

Herzliche Grüße

Georg

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