Reisebericht Höhentreffen 2020

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blahwas
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Reisebericht Höhentreffen 2020

#1 Beitrag von blahwas »

Jeweils im September 2020 treffen sich seit einigen Jahren um die 20 nette Leute aus dem Versysforum in Südtirol oder im Trentino, um dort eine Woche genüsslich Motorrad zu fahren. Als Basislager dient immer ein Hotel mit Halbpension. So kann man Tagestouren ohne Gepäck genießen. Diese Veranstaltung besuche ich sehr gerne, und nehme sie auch gern zum Anlass, südlich der Alpen weiter zu reisen. Für dieses Jahr konnte ich drei Mitfahrer gewinnen, die danach mit mir Schotterpässe in den Westalpen erobern wollen. Dafür werden wir Ferienwohnungen an wechselnden Orten verwenden.

Mein Fuhrpark besteht im Moment aus Kawasaki Versys 650 und Yamaha MT-09. Davon eignet sich die Versys klar besser für den Schotterteil. Sie wurde noch zusätzlich mit einem robusten Unterfahrschutz, Enduro Fußrasten "Pivot Pegz" und schottertauglichen Reifen Conti TKC 70 aufgewertet, wobei ich für den asphaltlastigen ersten Teil der Reise noch einen Straßen-Vorderreifen verwende. Als Gepäcksystem genügen mir Tankrucksack, Topcase und ein Netz auf dem Soziussitz. Außerdem sind die Räder jetzt seriös goldfarben lackiert, weil ich das schön finde.

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Meine An- und Abreise bewältige ich auf eigenen Rädern, schließlich habe ich eine Reiseenduro. Mirko wird mich in beiden Reiseabschnitten begleiten, und auch gemeinsam mit mir anreisen. Wir übernachten einmal unterwegs in den östlichen Dolomiten, weil wir dort einige Strecken noch nicht kennen.

Fr 4.9. Nürnberg – Cortina d‘Ampezzo

Der Plan: Früh starten Autobahn fahren bis knapp vor Österreich, und dann über den Ursprungpass schön ländlich nach Österreich übersetzen. Dort nur einen Abstecher zur Ackernalm und dann schnellstens zum Brenner - aber möglichst ohne Maut. In Italien Lebenswerk pflegen und in Cortina Ampezzo übernachten. Irgendwo unterwegs Mirko aufsammeln, der 2 Stunden nördlich von mir auf die gleiche Route startet, aber ohne Abstecher.

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Real habe ich morgens echt lange zum Packen gebraucht und mich dann auf die Autobahn geworfen. Natürlich mit ein paar Staus und Baustellen, dafür aber auch jede Menge Polizei in Form von Abstandsmessungen und lauernden Streifenwagen. Jenseits von München tanke ich an der A8 für 1,53 pro Liter voll, einfach, weil ich es kann, und dann geht's Richtung deutsche Alpenstraße. Da wird die Landschaft sofort schöner und bei jeder Abbiegung wird der Verkehr weniger.

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Und dann ist man plötzlich in Österreich, und kurz danach geht's rechts zur Ackernalm. Die kostet leider Maut. Ich habe keine Münzen, Karten nimmt der Automat nicht, also den kleinsten Schein rein, den ich habe: 20 Euro rein, 16 Euro raus. In Münzen. Dafuq! Immerhin kriegt eine Beifahrerin noch fast die Schranke auf den Kopf, als sie ihrem Fahrer folgt. Ich habe die beiden bald wieder vor mir auf dieser 3 Meter breiten asphaltierten Straße. Der ach-so sportliche Seat Leon FR rülpst und furzt kräftig aus dem Auspuff, steht aber eher im Weg rum - aber bald lassen sie mich vorbei. Die Landschaft ist nicht schlecht und die Aussicht von oben auch nicht, aber irgendwie hat Österreich recht viele von diesen 4 Euro-Maut-Alm-Strecken. Ich fahre nach dem Pflichtfoto direkt wieder runter, denn ich habe ja heute noch viel vor.

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Im Inntal geht es unter Vermeidung der Autobahn westwärts Richtung Brenner. Meine Mission ist es jetzt, einen geeigneten Treffpunkt zu finden. In Kirchbichl erspähe einen Gasthof und kehre ein. Kirchbichl hat vermutlich die meisten Blitzer je Einwohner weltweit, aber es bleibt noch Geld für einen Fitness-Salat. 20 Minuten später ist Mirko da. Sein Backhendlsalat wartet schon auf ihn - moderne Technik macht‘s möglich. Wir beschließen die Autobahn zu nutzen. Das 5,40 Euro Pickerl kaufe ich an der nächsten Tankstelle - es ist das letzte. Für Mirko fahren wir also einen Umweg zur übernächsten Tankstelle jenseits der Autobahn, und dann geht's los. Tempolimit 100 und Blitzer ohne Ende - Klasse. Nach dem Abzweig zum Brenner ist bald etwas Stau, und laut Google Maps kommt direkt nach der Mautstelle noch ein richtig dicker Stau mit 1 Stunde 10 Verzögerung kommt, sodass wir uns bei der Ausfahrt Schönberg diskret verdrücken. Es geht die B182 nach Süden, und bis auf eine Baustellenampel rollt der Verkehr. Nach der Baustellenampel ist eitel Sonnenschein.

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Am Brenner-Nord fahren wir auf die Autobahn auf, die hier auffallend leer ist - irgendwo davor muss es einspurig sein. Über die italienische Autobahn geht's zügig abwärts. Noch mal Ticket ziehen, und dann ab ins Pustertal. Nach 25 km wechseln wir endlich weg von der verkehrsreichen Hauptstrecke zum Furkelpass (unterscheide: Ferkelspass). Der ist typisch Dolomiten, einfach wunderschön – und teilweise sogar auch fahrerisch interessant.

Durch den Zeitverlust in diversen Staus auf Mautstrecken mussten wir die Tour etwas abkürzen und den Abstecher zum Staller Sattel streichen. Am Toblacher Bergsattel, einem völlig öden Punkt an einem Kreisverkehr, biegen wir rechts ab zum Gemärkpass. Das macht dann schon eher Spaß! Hier geht’s zügig in weiten Radien durch den Wald. Das ganze verkehrsarm, und wegen der fortgeschrittenen Tageszeit auch schon im Schatten der Berge. Wir schwingen uns temporeich den Berg hoch, immer Richtung Cortina d'Ampezzo. Endlich Fahrspaß!

19 Uhr kommen wir am Hotel an. In diesem Hotel muss man für das Frühstück einen Slot buchen. Wir haben 7:30. 8:30 war schon ausgebucht und 9:30 wäre echt zu spät. Fürs Abendessen gehen wir in die Fußgängerzone. Hier ist reichlich Leben und es gibt viele Restaurants. Das erschwert die Auswahl. Nach einem Stadtrundgang fällt die Entscheidung. Es gibt Pasta. Mit der Karte vom Hotel gibt's 10% Rabatt. So werden mit freundlicher Mathematik aus 39 Euro dann 30 Euro.

Hier ist richtig leben im Ort – ist ja auch ein Wintersportzentrum und es ist Freitagabend. Da sich meine Regenhose auf der Autobahn feige vom Gepäcknetz entfernt hat, halte ich die Augen nach Sport- und Fahrradgeschäften offen, aber so richtig anspringen tut mich nichts. Immerhin ist tagelang kein Regen angesagt, und Kälteschutz ist auch nicht nötig. Bei der Nachbetrachtung des Tages nach dem Abendessen fällt auf, dass wir auch über Felbertauern (Maut) und Staller Sattel nach Italien wechseln können hätten, statt über Brenner und Inntal-Mautobahn. Naja, nächstes Mal.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#2 Beitrag von blahwas »

Sa 5.9. Cortina d’Ampezzo - Lavarone

Das Frühstück im Hotel wird an den Tisch gebracht, und es wird in drei Schichten gefrühstückt. Es ist lecker und macht satt und erleichtert den Start in diesen zunächst kühlen Tag auf dem Motorrad. Es geht über mir bisher unbekannte Strecke im großen Bogen nach Lavarone, zum Höhentreffen.

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Die Landschaft hier verwöhnt das Auge, der Straßenbau verwöhnt die restlichen Sinne. Der Passo Tre Croci lässt sich nett fahren. Zum Lago di Misurina wird die Straße recht voll, aber es fließt noch und man kommt vorbei. Die Aussicht ist auch sehr schön.
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Nun sollte ein Abstecher zum Refugio Auronzo folgen, was laut Passknacker sagenhafte 20 Euro Maut pro Motorrad kostet. Real war die Straße gesperrt und die Polizei hat jeden einzelnen Auto- und Motorradfahrer persönlich mit Kelle und Pfeife überzeugt, es gar nicht erst zu versuchen. Mist. Dann also Strecke machen. Das Tal entlang und links einen Abstecher über Passo San Antonio zum Kreuzbergpass. Landschaft, Kurven, Fahrspaß - Dolomiten eben!

Als nächstes steht der Sella Ciampigotto auf dem Plan. Der kommt mir seltsam bekannt vor. Ein Verkehrsschild bringt die Erleuchtung: Sauris geöffnet! Ich bin hier schon mal entlanggefahren, von irgendeinem Kärntentreffen Anno Dazumal, aber andersrum. Es geht zwar hauptsächlich durch den Wald, aber wenn mal Aussicht ist, dann richtig. Nach der Passhöhe ist es andersrum, dann weiß man kaum noch, wo man hingucken soll, weil es rundum so beeindruckend ist. Man könnte hinter jeder Kurve anhalten und Panorama-Fotos schießen.

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In Sauris di Sopra machen wir Mittagspause, es ist ja schon halb 12. In dieser deutschen Sprachenklave schlagen wir uns besser mit Englisch durch. Neben Getränken schmeckt das Gedeck selbst so gut, dass wir noch einen zweiten Schwung davon holen, und damit eigentlich auch schon satt sind: Frittierte salzige Bällchen mit verschiedenen Füllungen. Damit hätten wir Salz und Fett abgedeckt. Das ist natürlich keine ausgewogene Ernährung so. Darum gibt's dazu Spezi bzw. alkoholfreies Radler, damit wäre dann auch der Zucker abgedeckt.
Und weiter geht die Reise. Am Saurisee vorbei lassen wir den Passo Pura heute mal in Ruhe und bewegen uns außen rum, ab jetzt südlich, zur Forcella di Monte Rest. Diese Straße ist eng, bergig, kurvig, und außerdem lang. Der Könner kann das, der Rest schwimmt über die gesamte Straßenbreite. Man hat in Rechtskurven die Wahl, entweder weit rechts zu fahren, so dass man wenig Sicht hat und evtl. Radfahrer oder Wanderer auf die Hörner nimmt, oder etwas weiter mittig fahren, und so den Gegenverkehr ins Gesicht zu kriegen. Sehr gern übrigens vollbekofferte Reiseenduros mit Warnwestenfahrern drauf. War der Trend nicht längst vorbei? Jenseits der Passhöhe kommen wir zu einem See, dem Lago di Tramonti. Und schon sind wir gefühlt optisch in Norwegen. Sehr schick, aber leider keine Zeit für eine Pause. Der Weg zur Forcella di Pala Barzana ist hartnäckig als gesperrt beschildert, und es kommt uns auch niemand entgegen. Mangels naher Umfahrungsmöglichkeiten müssen wir einen weiten Umweg über Maniago fahren, was angesichts der vorgerückten Stunde und der erbarmungslos langen Restfahrzeit nicht schön ist. So streiche ich das letzte Zwischenziel, den Croce d'Aune, an dem ich schon seit Jahren scheitere.

Über Piancavallo geht es etwas südlich. Hier habe ich daheim am PC einen Wegpunkt auf einer sehr schönen Strecke platziert, die real leider widersprüchlich beschildert ist. Es ist definitiv keine Sackgasse und durchaus befahrbar, nur die Wasserabläufe sind haarsträubend bzw. felgenbiegend, wenn man nicht aufpasst. Wer es selbst ausprobieren möchte, 46.065, 12.468. Unfassbare Aussicht auf die Poebene, und Wolken ziehen im Höchsttempo aus dem Tal über die Straße die Berge hoch.

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Danach möchte mein Navi jedoch unbedingt unbefestigte Wege im Wald fahren. Wir kommen vorwärts, aber es ist anstrengend. Vor einer ziemlich nassen Stelle halte ich.

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Mirko traut sich vor, er schafft es ohne Probleme. Ich hinterher mit frischem Mut ebenso. Meine erste Schlammpfütze! Bin dann aber doch froh, wieder aus Asphalt zu sein. Es folgt der Monte Pizzoc. Auch hier habe ich Erinnerungen, vor Jahren war ich dienstlich bei Venedig und habe mir zu Feierabend mal eine Versys 1000 gemietet, um in die Berge zu fahren. Der Monte Pizzoc ist ein sensationeller Aussichtspunkt, den ich damals als letztes am Tag angefahren bin. Er ist noch immer sensationell. Es ist etwas voll, aber die Autos lassen uns alle passieren. Dieser Passknackerpunkt mach richtig Sinn!

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Danach nutzen wir die Autobahn für ein kurzes Stück. An der Ausfahrt stelle ich mich in die falsche Spur, um meine 80 Cent zu bezahlen, und leider kann man hier nicht mit Bargeld oder Kreditkarte zahlen. Das Ticket kriegt man auch nicht zurück. Also drückt man einige Mal auf "Hilfe!" und bekommt dann einen langen Zettel ausgedruckt und die Schranke geht auf. Auf dem Zettel steht eine Bankverbindung, wohin man im Nachgang überweisen kann/darf/soll/muss.

Als letztes Zwischenziel bleibt dann heute noch der Passo San Boldo. Hier geht die Landschaft am Ende des Tals so steil hoch, dass fünf Kehrtunnel in die Berge gesprengt werden mussten, um den Höhenunterschied zu überwinden. Das ganze einspurig, also geregelt per Wechselampel. Dass der Pass oben nur 706 Meter hoch ist, wundert dann fast.

Den Passo del Praderadego danach habe ich wohl versehentlich aus der Route entfernt. Naja, kann man ja das nächste Mal anfahren. Jetzt geht's nur noch westwärts auf schnellstem Weg. Immer einem eiligen Einheimischen folgen und dann bei Levico links den Berg hoch, Kaiserjägersteig. Der ist immer wieder schön und die Ankunftszeit am Navi schmilzt dabei um 20 Minuten ein.

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So sind wir knapp vor 19 Uhr schon am Hotel. Nach dem großen Hallo ab unter die Dusche und dann das 3-Gang-Abendmenü in guter Gesellschaft genießen. Endlich angekommen!

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#3 Beitrag von blahwas »

So 6.9. Nahrunde

Nach zwei längeren Fahrtagen ist heute Erholung angesagt. Außerdem ist Sonntag, da sind die Einheimischen unterwegs und alle Touristen auf An-/Abreise. Beides spricht für eine kleine Runde, letzteres außerdem für Nebenstrecken. Da gibt’s doch einen neuen Passknackerpunkt recht nah im Norden, Croce delle Serre, da sollte ich auch mal hinfahren. Als Mitfahrer finden sich Markus auf Tuono, Bratwurst (MO24 Ehrengast) auf Shiver, Angstnippel auf 1050, iOn auf 790 Duke und Fransjup auf Versys 650. So geht's dann auf die "Nahrunde". Das sind ein paar nette Strecken in der Nähe.

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Zum Kennenlernen gibt’s den Kaiserjägersteig, mit vielen engen Abschnitten und der tollen Aussicht auf den Levicosee. Daran geht’s vorbei gerade den Berg hoch nach Compet. Hier zeigen sich gewissen Unterschiede zwischen den Mitfahrern: Bratwurst bummelt. Auch sonst ist die Versys deutlich Erste oben am Berg. Schlafen die noch? Klarer Fall, Kaffeepause. Außerdem die feiernde Jagdgesellschaft bewundern.

Dann geht’s zum Passo del Redebus – das liegt zwar Richtung Manghenpass, aber es geht dort nur nach Nordwesten. Darum fährt hier sonst kaum jemand, besonders wenig Motorradfahrer, und insbesondere keine Touristen. In Brusago empfiehlt das Navi heute mal die SP77, wo es höchst einsam zum Avisiotal geht, wo wir dann viel Aussicht genießen.

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Schließlich durchqueren wir das Tal und schrauben uns gegenüber wieder hoch. Leider habe ich vergessen, Croce delle Serre in die Route zu packen, und fahre knapp dran vorbei. Im Etschtal ist dann Zeit fürs Mittagessen, heute in Grumo. Es wird richtig warm: Don't push me, cause I'm close to the Etsch, I’m trying not to loose my Wasserhaushalt. Oder so.

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Bratwurst klinkt sich aus, weil er mit seinem eckigen Vorderreifen arg fremdelt. Jetzt hätte man schick via Fai della Paganella nach Andalo von Norden her über die Hochebene fahren können. Mein Navi möchte aber von Süden her ran und ich merke das leider erst, als wir schon mitten im Gardasee-Anreiseverkehr sind. Hat da einer an meinem Navi rumgespielt? Da halte ich dann lieber am erstbesten Cafe, um umzuplanen. Außerdem hatte ich noch kein Eis heute, und das geht ja nicht.

Von hier aus kann man noch prima den Monte Bondone vom Westen her befahren. Das klappt trotz irritierende Beschilderung recht gut, denn wir sind hier in Italien und Schilder bedeuten irgendwie nicht das gleiche wie bei uns, und das stört augenscheinlich auch niemanden.

Vom Monte Bondone runter geht’s östlich über die verschnörkelte SP25 und dann auf schnellstem Weg wieder ins Hotel.

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Der schnellste Weg ist hier wieder mal die SS349, wo wir innerorts von einer Gruppe einheimischer Motorradfahrer überholt werden. Sie halten untereinander konsequent einen besonderen Sicherheitsabstand ein. Mutually assured destruction hieß das im Prinzip in Kalten Krieg: Wenn einer von euch einen Fehler macht, stürzen mindestens zwei. Und wenn einer frech wird, kann ihm der Hintermann (eher Nebenmann) jederzeit eine Ohrfeige verpassen. Der Gegenverkehr hat übrigens zu warten, denn es wird Ideallinie gefahren. Tsts!

Der arrivierte deutsche Tourist fährt fasziniert hinterher, und am Ortsausgang beschleunigt er auf sein normales Reisetempo, ohne sich hetzen zu lassen, wobei Mitglieder der obigen Gruppe strikt links, einzeln, und auf der Sicherheitslinie überholt werden. Nur der Tourguide bleibt im Spiegel kleben, übrigens auf einer MT-09 Tracer. Ion hat dabei einen Logenplatz. Vor dem nächsten Ortseingang wird gewunken, gebummelt und die Gruppen werden wieder auseinandersortiert, was gar nicht lang dauert. Das Höhentreffen ist eben auch ein Gipfeltreffen. Außerdem haben selbstverständlich alle jederzeit die StVO eingehalten.

Der schmale, höhere 150/70-17 Hinterreifen überzeugt durch superagiles Handling und erhöhte Schräglagenfreiheit. Leider wird die Gesamtübersetzung spürbar länger, entsprechend ca. 1 Zahn weniger am Kettenrad. Das ist bei 64 PS nicht gerade hilfreich, wenn’s schnell gehen soll, aber dafür passen die Gänge 2 und 3 jetzt noch weiter.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#4 Beitrag von blahwas »

Mo 7.9. Lessina Hochebene

Mein Motorrad müsste mal gewaschen werden. Zwei der Routen enthalten auch Schotter. Weil Motorradwäsche vor einer Schotteretappe keinen Sinn macht, wird das Motorrad eben heute und morgen noch mal dreckig gemacht. Dazu wähle ich heute die Tour über die Lessina-Hochebene.

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Morgens kommen wir nicht so recht aus dem Quark, denn es herrscht Nieselregen. So ist der Start dann erst 10:30 Uhr. Statt alleine oder zu zweit zu fahren habe ich irgendwie schon wieder vier Leute dabei: Angstnippel, iOn, mw426, Yannick (Special Guest auf CB1000R).

Wegen der vorgerückten Stunde entfällt der übliche Umweg über Monte Baldo mit Blick auf Gardasee, es geht direkt über Bundesstraßen zur Lessina Hochebene. Die Straßen sind am Anfang teileweise noch feucht und ich brauche eine Weile, um Vertrauen zum TKC70 zu entwickeln, der wenig Rückmeldung gibt, aber immer grippt – auch in Schräglage. Angesichts des hohen Negativprofilanteils überrascht mich das positiv. Rund 30 Kehren später sind wir auf 1400 Meter und genießen die Aussicht. Ion will mit der Kuh kuscheln.

Jetzt kann man über Bivio di Monte Castelberto per Schotter ostwärts, oder über die Straße. Schön ist beides, aber ich bin für Schotter hier. Mirko begleitet mich, die 17“-Fraktion fährt Straße und darf schon mal eine Mittagessenmöglichkeit auskundschaften, während wir uns elegant auf 1600 Höhenmeter in Graslandschaft an die Limits unserer Reifen und Fahrwerksgeometrien herantasten. Heranstümpern könnte man auch sagen. Zum Glück sieht uns keiner, denn der Regen ist zwar weg, aber das weiß außer uns wohl keiner, denn wir treffen ungefähr genau niemanden.

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Schotter fahren bockt aber schon mit den Modifikationen an der Versys, insbesondere kann ich mit Endurorasten bequemer im Stehen fahren – aber der 20 mm erhöhte Originallenker Lenker könnte ruhig noch höher sein.

Die Gastro am Monte Tomba, einem steilen unebenen Abstecher, hat geöffnet, aber den Rest der Gruppe hierher zu bestellen würde wohl auf wenig Gegenliebe stoßen.

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Also geht’s weiter auf den Asphalt, wo uns die anderen bald begegnen. Zwecks Essenssuche wird im nächsten Bergdorf der Hauptplatz angesteuert und wir finden eine gerade noch geöffnete Bar mit ausreichend vielen Panini und WLAN.

Den Nachmittag geht es über kleine Pässe wieder zurück zum Hotel. So klangvolle Namen wie Santa Caterina, Xon, Fugazze, Xomo und der Borcola mit seinen 44 Kehren.

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Mein Navi hat auch kreative Ideen, wie man den Weg zwischen den Pässen mit noch mehr Kehren gestalten könnte. Markus steigt unterwegs aus, seine Tuono mag es gern etwas zügiger. Der Rest hält tapfer durch. Es regnet zwar nicht, aber die vielen engen Kurven und Kehren und die teilweise noch nasse Straße machen das Ganze recht anstrengend für alle Teilnehmer. Immerhin haben wir Null Verkehr, Null Probleme, und immer eine Bar zur rechten Zeit.

In Lavarone angekommen widmen wir uns Supermarkt und Waschbox. Beim anschließenden Trockenfahren hole ich noch die restlichen PK in der Nähe ab bis zum Passo di Vezzena. Beim abschließenden Tanken klemmt leider das Tankschloss, aber clever wie ich bin habe ich WD40 dabei, und freundlicherweise funktioniert das auch. Trotz spätem Start war heute ein fordernder Fahrtag.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#5 Beitrag von blahwas »

Di 8.9. Dosso Alto, Passo Maniva

Heute will ich unbedingt die Dosso Alto Höhenstraße und den Passo Maniva fahren. Weil es gestern recht lang und anstrengend war, auch mit den Zusatzaufgaben, die man als Tourguide so hat, eigentlich am liebsten alleine. Na gut, Mirko darf mit, der ist superkorrekt und genügsam. Irgendwie werden wir dann aber doch wieder eine Gruppe von 6 Leuten (auf 5 Motorrädern): Angstnippel, Ion, Herr und Frau Hubi, und Yannick auf der Honda.

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Nun denn, dann mal los. Zunächst schnellster Weg zum Gardesee, also der gleiche bis Rovereto wie gestern. In Riva del Garda ist der Verkehr wie immer recht zäh, aber immerhin kein Rückstau vor dem Ort. Endlich im Tunnel angekommen läuft der Verkehr, dann geht's sportlich zum Ledrosee. Dort gibt’s eine Pause mit Eis und Cola, auch wenn manche in der Gruppe anscheinend lieber weiterfahren wollten.

Es folgt der unterhaltsame Passo Ampola und dann der Idrosee, und an dessen Westufer ist der Einstieg in die Dosso Alto Höhenstraße. Ab hier gilt: Fahren als lose Gruppe, Treffen am Passo Maniva. Jeder erkundet und fotografiert selbst.

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Und dafür gibt’s hier viel, auch wenn ein paar Wolken die Aussicht verhängen. Da fallen zwei gleiche Motorräder umso mehr auf.

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Ein paar Steine auf dem Schotterteil sorgen für Nervenkitzel, und eine große Pfütze sorgt für noch größere Augen. Da ich hier heute nicht als erster ankomme und kein verzweifelter Motorradfahrer an einem einsam aus dem Morast ragenden Lenkerende zerrt, wird es wohl nicht so schlimm sein: Einfach durchfahren. Das geht, auch wenn das Motorrad durchaus eigene Vorschläge macht, wohin es dabei gerne fahren möchte. Auch der Rest der Gruppe besteht diese Herausforderung. Interessant sind die unterschiedlichen Muster von Schlammspritzern auf den Maschinen, teilweise bis auf den Sozius.

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Wir machen eine lange Pause am Passo Maniva, mit leider schrecklichem Service. So haben wir 90 Minuten dort verbracht, nur um eine Kleinigkeit zu essen. Das ist ärgerlich, weil die Route ohnehin recht weit ist, aber das eigentliche Highlight kommt noch. Daher kürze ich die Nordseite des Croce Domini raus, will aber zumindest bis zu Scheitel fahren, obwohl da augenscheinlich eine dicke Wolke hängt. Ein Mitfahrer möchte sich abseilen, und ich fahre mit Mirko los. An der ersten Kreuzung fahre ich nördlich und Mirko wartet auf den Rest. Ich genieße die Aussichten nördlich und diese Höhenstraße hier sehr. Eine der schönsten Strecken überhaupt.

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Ich wundere mich etwas, wo der Rest bleibt. Zurück an der Kreuzung treffe ich niemanden mehr – Kontakt per SMS mit Mirko führt aber zu einem baldigen Wiedersehen. Der Rest der Gruppe hat sich abgeseilt, weil es ihnen zu lang war, und fährt jetzt irgendwie anders zum Hotel zurück. Und zwar westlich. Das wundert mich als Ortskundigen etwas, weil es nur auf dem schnellsten Weg schneller als mit der restlichen Route geht, und den haben sie nicht genommen, aber das ist jetzt gerade nicht mein Problem. Wir fahren östlich den Maniva runter, schick westlich am Idrosee vorbei und dann südlich entlang. Über die Wedelstrecke am Laggio Valvestino geht es zum Gardasee. Eine Traumstrecke.

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Das Westufer des Gardasees ist besser als erwartet, insbesondere kein Stop & Go. Langsame PKW lassen sich überholen. Die Ortsdurchfahrt Riva ist natürlich mal wieder nicht so schön, aber am weiteren Rückweg haben wir noch einen schönen Umweg über den neuen Passknacker Fae. Da hat man eine sehr schmale Straße, aber sehr rücksichtsvolle Auto- und Busfahrer. Am Passknackerpunkt kommt natürlich ein 0815 VW-Polo aus dem grob geschottertem Weg raus. Dort machen wir eine lange Rast, um uns etwas abzukühlen.

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Erstaunlicherweise kommen wir vor der "abkürzen"-Truppe am Hotel an. Da darf man dann schon mal etwas schmunzeln. Aber alle hatten ihren Spaß und sind gesund, und das ist es, was zählt.

Weil ein Teilnehmer schon morgen abreist, gibt es heute schon das Gruppenfoto. Natürlich Corona-konform.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#6 Beitrag von blahwas »

Mi 9.9. Dolomiten Solotour

Jedes Jahr fahre ich eine Dolomiten-Tour am Höhentreffen, und am liebsten alleine. Nach dem Erlebnis gestern besonders gerne. Ich habe schließlich auch Urlaub und möchte mich gerne mal nur um mich selbst kümmern. Statt die Tour über bekannte Strecken zu starten und zu hoffen, dass am Ende noch Zeit für neues bleibt, mache ich es dieses Mal andersrum und starte zum Rifugio Campomuletto, wo ich noch nie war. Und zwar schon um 8:30, ich muss ja auf niemanden warten.

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So fahre ich 30 km östlich die Hochebene entlang. Da ist es echt einsam und naturbelassen. Dann geht's in den Berg rein. Mein Navi findet von dort einen schlauen Weg weiter nach Osten, und bei OSM sieht das alles auch befestigt aus.

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Real ist es aber Naturpiste mit tiefen Löchern und teilweise ist das Ganze auch aufgeweicht. Es zieht sich ganz schön hin. Ich komme an einem Schild vorbei: Fahrrad verboten, Motorrad verboten - ausgenommen Mountainbike und Motocross. Das kannte ich noch nicht. Mit Motocross fühle ich mich angesprochen, ich habe immerhin Griffschalen und einen Stollenreifen! Und wer wird das hier schon kontrollieren. Auf dem weichen Boden ist Schrittgeschwindigkeit für mich aber trotzdem das höchste der Gefühle. Uff.

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Und dann kommt mir direkt ein Polizei-Auto entgegen, genauer gesagt ein geländegängiger Polizei-Pickup. Der bleibt einfach mal mitten auf dem Weg stehen. Ich vermeide Blickkontakt und jegliches Zeichen von Nervosität und eiere elegant rechts dran vorbei. Im Auto regt sich nichts, auch Licht und Ton bleiben aus. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass das Auto weiterfährt. Prima, er wollte mich wohl nur vorbeilassen. Soviel zur italienischen Polizei, die keinen Spaß versteht.

Irgendwann erreiche ich wieder eine befestigte Straße, aber sie ist sehr staubig und in schlechtem Zustand. Ein Mercedes-Benz SUV vor mir wirbelt Staub auf und ist dabei auch noch schnell genug, dass ich nicht gefahrlos dran vorbeikomme. Da hilft nur die taktische Pause. Das ist eine gute Gelegenheit, meine Reifenbestellung mit dem Hotelwirt abzuklären: Ich hätte gern vorne auch einen TKC70. Der soll zwar 160 Euro mit Montage kosten, aber es passt terminlich perfekt in die Reise.

So, endlich im Tal angekommen geht's den Croce d'Aune hoch. Dieser Pass stand schon die letzten Treffen auf meinem Zettel, aber irgendwie war nie Zeit dafür. Es ist ein typischer verschlungener Dolomitenpass, obwohl er räumlich etwas abgetrennt ist.

Danach jodle ich die SS50 nördlich zum Passo Rolle. So fahre ich meine übliche Runde dieses Mal anders rum. Das eröffnet ganz neue Aussichten - außerdem scheinen 90% der Motorradfahrer die andere Richtung zu fahren. Am Rollo gibt's die Mittagspause. Und ein Posingfoto.

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Nach dem Rolle kommt der Valles, und dann der San Pellegrino. Da halte ich aber an und denke nach: Ich bin viel zu früh dran. Eigentlich könnte ich noch mehr einbauen. Ich habe doch noch eine zweite, längere Dolomitenrunde geplant. Da könnte ich ja jetzt deren Anfang fahren, nachdem ich gerade das Ende der kürzeren Dolomitenrunde gefahren bin. Ein paar Minuten Zauberei am Navi später steht die Route, und es geht zum Falzàrego und Valparola. Da war ich schon lange nicht mehr, und es ist beeindruckend schön hier.

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Weiter geht's über Campolongo und Pordoi ein Stück der klassischen Sella Ronda entlang. Auf die unendlichen Kehren des Pordoi könnte ich zwar wegen Schmerzen in den Händen auch verzichten, aber die gehören halt dazu. Und die Aussicht entschädigt.

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Dann kommt viel Bundesstraßengebolze mit anfänglich vielen Ortsdurchfahren und schließlich der gute alte Manghenpass. Die Alternative wäre gewesen über den Nigerpass und Tiers ins Tal und dann per Autobahn ins Hotel, aber das war mir nicht abenteuerlich genug. So fahre ich nun den Manghenpass andersrum als gewohnt. Nach den Stürmen der letzten beiden Jahre sieht es hier völlig anders aus als es mir in Erinnerung war. Zwar hat man mehr Aussicht, aber insgesamt ist das schon ein Bild des Schreckens, wenn ganze Berghänge entwurzelt sind. Auf der Hütte noch eine kurze Rast für den Getränkehaushalt. Auch hier ist es zu schön um ohne Foto zu passieren.

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Dann schön die Südseite runter. Hier ist ja neuerdings Tempo 60 nur für Motorräder. In Summe gibt es auf den 25 km Pass vielleicht 2 km, wo man vorher guten Gewissens über 60 hätte fahren können, das lässt sich verschmerzen. Ich halte das für ein reines Feigenblatt, ebenso wie die Sellajoch-Juli/August-Mittwochs-Regelung. Im Tal wird getankt, die Versys klagt schon eine Weile - war wohl lange heute. Dann den Kaiserjäger hoch und zackig 18:30 wieder am Hotel. Ein toller Tag im Sattel heute :) Und natürlich wieder recht lang.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#7 Beitrag von blahwas »

Do 10.9. Jaufen, Penser Joch

Heute ist der vorletzte Fahrtag. Der letzte Fahrtag ist reserviert für Erholung von Mensch und Material, aber heute muss noch ein Highlight her. Da ich dieses Mal eigentlich schon alles habe, was ich kenne und sehr gern mag, muss es wohl was Neues sein. Da war doch diese Tour über Jaufenpass und Penser Joch, mit 400 km eigentlich zu lang. Prima, Mirko kommt mit!

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Über den bewährten Passo della Fricca geht es ins Tal und kurz auf die Autobahn. Dann nordwestlich auf Schnellstraßen, Bundesstraßen und leider auch Ortsdurchfahrten mit nervig viel Verkehr. Erster Pass ist das Brezer Joch. Klein und kurvig, wenig Aussicht. Sofort im nächsten Ort treibt uns die Müdigkeit ins Cafe.

Die Rast tut gut, und frisch gestärkt geht's zum Hofmahdjoch - das ist schon eher Motorradfahren in den Dolomiten, wie es sein sollte. Tolle Aussichten, über 1800 Meter, spektakuläre Trassierungen und auch ein paar Tunnels. Die Nordseite schlängelt sich kilometerweit abwärts auf Meran zu. Hier treffe ich dann endlich den Eiligen Einheimischen dieses Urlaubes: Ein Audi A5 mit italienischen Nummernschildern und Porsche-Aufkleber fährt die Kurven vor mir in einem Tempo, das dazu animiert, einfach mal nicht zu überholen. Das Fahrwerk am Auto arbeitet bereits erkennbar. Als er mich bemerkt, legt er deutlich zu. Ich erhöhe mein Tempo auf mein persönliches Wohlfühltempo - der Abstand bleibt konstant. Bergab haben Autos eigentlich Vorteile, zumindest bis die Bremsen überhitzen. Auf den letzten Kehren vor dem Ortsschild will er es dann wirklich wissen und schneidet die Kurven, zumindest die einsehbaren, und erhöht das Kurventempo so weit, dass die Reifen erkennbar arbeiten. Da mache ich nicht mit und da darf dann auch ruhig Abstand entstehen. Gut, dass er keinen Beifahrer dabeihatte.

Dann müssen wir durch Meran durch. Das ist warm, eng und voll. Neben Einheimischen ist hier auch viel Transit-PKW-Verkehr, und ein paar deutsche Autofahrer fallen negativ auf. Endlich raus aus der Stadt muss man sich die Straße zunächst weiter mit dem Verkehr zum Timmelsjoch teilen. Als wir zum Jaufenpass abbiegen, wird der Verkehr schon deutlich weniger, aber überholen geht auf der Strecke leider schlecht. Bald biegen wir rechts ab nach Tall, dem Ort mit der Mittelstation der Hirzer Bergbahn. Hier drohen Baustellensperrungsschilder mit viel Text. Da es sich hier um eine Sackgasse handelt, halten wir uns nicht mit der Interpretation des Textes auf, und schrauben uns den Berg rauf. Wir erreichen das Ortsschild, als gerade die Sperrung weggeräumt wird. Es ist von 13 bis 14 Uhr nicht gesperrt, und wir sind gerade um 13 Uhr angekommen. Glück muss man haben.

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Eigentlich wären wir reifen für eine Pause, aber wir wollen die 14 Uhr nicht verpassen und hier stranden, oder die Motorräder per Seilbahn ins Tal schaffen müssen, also fahren wir direkt wieder runter ins Tal, um dort eine Pausenmöglichkeit zu suchen. Diese findet sich dann in Form des Gasthofs Schlossberg an einer Kehre des Jaufenpasses, als es ernsthaft losgeht sich wie ein Pass zu fahren. Tolle Aussicht im Restaurant!

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Nach der Stärkung geht's den Rest des Passes hoch, wobei wir auf ein langsames Motorrad aus Slowenien auflaufen. Am Ende einer Geraden wartet eine moderne GS mit ebenfalls slowenischem Kennzeichen auf ihn. Der langsame Fahrer lässt uns passieren, der andere gibt Gas. Das kann ja was werden. Bald zeigt sich, der andere geht durchaus als schneller Fahrer durch, und er hat sichtlich Spaß. Natürlich könnte die Linie etwas sauberer sein, aber das ist weit weg davon, was die Einheimischen so produzieren. Seine doppelte Motorleistung hilft ihm nicht, mir davon zu fahren, und in schnellen Kurven habe ich deutliche Vorteile. Am Kehrenausgang habe ich Nachteile, weil ich nicht den 1. Gang benutzen will. Hier rächt sich dann die längere Übersetzung durch den größeren Hinterreifen. In Summe passt das Tempo prima und wir haben viel Spaß. 2 km vor der Passhöhe glotzt er mehr Landschaft und ich mache mich ans Überholen, damit er mal 'ne saubere Linie sieht. Dann ist die Passhöhe erreicht, und wir beglückwünschen uns gegenseitig zu dieser tollen Straße. Er ist das erste Mal hier und der Sohn des langsamen anderen Motorradfahrers. Ich bin hier bisher nur einmal gefahren, und zwar bei Regen, und andersrum.

Statt auf seinen Vater zu warten, fährt er noch mal runter. Hätte ich auch so gemacht. Die Versys ist nicht so happy mit dem Abstellen des Motors und meldet Wassertemperatur rot. Das gibt sich aber erwartungsgemäß schon nach 10 Metern Fahrt, und den ersten Kilometer rolle ich im Leerlauf. Die Nordseite hat auch schicke Aussichten, ist zum Fahren aber unübersichtlicher und außerdem mit Baustellenampeln gespickt. Coolste Socke ist ein Aprilia Tuono V2-Fahrer, der sich original einen Rollkoffer auf den Sozius geschnallt hat. Weil warum eigentlich nicht.

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Nervig dagegen ein Düsseldorfer GS-Pärchen, das zwar langsamer ist, aber auf den Geraden volle Brause macht. Unten im Tal biegen wir rechts ab zum Penser Joch. Da geht es in ein Tal rein und bald schick den Berg hoch, so richtig jenseits der Baumgrenze - fast wie in Frankreich auf der Route des Grandes Alpes. Traumhaft schön. Mirko darf mal vorfahren, ich habe es weniger eilig als sonst und will ihn nicht aufhalten. Nach der Passhöhe geht es noch 45 km weiter das Tal entlang, ohne Abzweige und mit sehr wenig Verkehr. Das ist eine echte Stärke dieser Strecke.

Nördlich von Bozen haben wir noch einen Punkt in der Route, der 2020 neu in der Passknacker-Datenbank ist, und den wir nicht kennen. Der Einstieg ist schwer zu finden. Mein Navi will in die Weinberge reinfahren. Da steht auch tatsächlich ein Wegweiser. Es wird schmal und steil. Sehr steil. Satte 35% sind beschildert. Da kann ich kaum im 2. Gang Tempo 30 halten. Spontan anhalten müssen bei Gegenverkehr wäre wohl möglich, aber eher unangenehm. Wenn man hier umfällt, rutscht das Motorrad vermutlich bis ins Tal. Da die vom Navi gedachte Route bald zu einem Gesperrt-Schild führt, wird es Zeit für eine Neubetrachtung der Lage, innere Einkehr, Konzentration aufs Wesentliche, und Pippipause. Bald darauf finden wir eine zweispurige Straße, die zum Ziel führt. Ganz schön hoch hier. Wir sind etwas spät dran, Navi schätzt 18:30 Ankunft am Hotel, aber eine Einkehr muss hier oben trotzdem noch sein. Ich hatte ja noch gar kein Eis heute! Ist das überhaupt legal?

Den Berg runter ist die Strecke deutlich harmonischer zu fahren, um nicht zu sagen, Holle die Waldfee ist die Abfahrt nach Terlano schön. Die Strecke ist gut ausgebaut und hat sanfte Radien und weite Kehren, dazu tolle Aussicht und wenig Ortsdurchfahrten. Eine Knieschleiferstrecke erster Güte. Bei den Ortsdurchfahrten hängt man sich an einen Einheimischen an. Viele Bozener Nummernschilder, ist ja nicht weit von hier. Ich verfolge zwischendurch auch mal ein historisches Gespann, dessen Fahrer offensichtlich in Rechtskurven doch lieber Zweirad fahren will.

Danach noch schnell tanken, sind ja 400 km heute, und dann ohne besondere Vorkommnisse per Mautobahn und den Stammpass ins Hotel. Wir haben sogar noch Zeit für eine kurze Dusche bis es 19 Uhr zu Tische geht. Auf der Hochebene hat es heute anscheinend geregnet, also peppen wir den Tagesbericht unserer heldenhaften 600 km-Tour auf mit Dauerregen, Hagelsturm, Gewitter, Schneetreiben, Glatteis, Erdbeben, Vulkanausbruch, Revolte, geschlossenen Tankstellen, abgebrochenen Öffnern an der Coladose und anderen Katastrophen, werden aber eiskalt durchschaut.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#8 Beitrag von blahwas »

Fr 11.9. Schontag

Gestern war schön, aber auch anstrengend. Auch die Arme und Hände melden sich. Ich glaube, ich brauche Urlaub. Also mache ich das heute einfach mal. Außer 14 Uhr Vorderreifen wechseln lassen (von Angel GT auf TKC 70) steht kein Pflichttermin an. Ansonsten sind noch 2 Pässe in der Nähe, Passo Coe und Valico di Valbona, die ich dieses Jahr noch nicht hatte, und den neuen Croce delle Serre, den ich Sonntag vergessen hatte. Das gibt etwa diese Route.

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Weil ich da noch nie war, nehme ich die SP142. Die ist zwar heftig limitiert, aber wunderschön zum Gucken.

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Meine beiden Pässe erreiche ich also von hinten. Valico di Valbona mag ich besonders.

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Der Passo Coe liegt dann am Weg und ist nicht weniger schön. Danach geht’s in Tal zum Reifenhändler. Gegenüber vom Reifenhändler ist ein Supermarkt, wo ich mir einen Mittagssnack schnappen will. Leider spricht mich dort nichts so richtig an, außer ein 4er Pack Magnum-Eis und diverse isotonische Getränke. Beim Reifenhändler erscheine ich dann pünktlich. Er freut sich über 3 Stück Magnum-Eis und legt gleich los, bzw. nach dem Eis. Bald erscheint ein deutscher Z1000-Fahrer mit blankem Hinterreifen, ihm ist einfach das Profil ausgegangen. Warum man deshalb zu zweit und mit dem Transporter kommt, erschließt sich mir nicht, aber jeder wie er mag.

Mit frischen Vorderreifen geht‘s zum Croce delle Serre, zurück wäre auf direktem Weg durch Trento - dann doch lieber über Redebus. Quasi der schöne Teil der Sonntagstour rückwärts. Der ist auch alleine schön, aber das Fotomotiv ist haarsträubend zu beparken und der neue Vorderreifen ist sehr störrisch. Das bessert sich mit der Zeit ein wenig, vielleicht muss man erst die Kanten der Profilblöcke brechen. Aber richtig kurvenwillig ist er auch danach nicht. Er will geradeaus fahren. Das gefällt mir nicht so recht, und ich bin froh, ihn erst heute aufgezogen zu haben und nicht schon die letzten Tage damit rumgefahren zu sein. Die nächsten Tage kann er auf Schotter zeigen was er kann.

Und damit wäre der Fahrtag dann auch schon erledigt. Es waren doch wieder 220 km und 4:45h Fahrzeit. Heute ist dann der letzte gemeinsame Abend am Höhentreffen!

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#9 Beitrag von blahwas »

Fortsetzung folgt... später ;)

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#10 Beitrag von karklausi »

Mit LGKS?
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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#11 Beitrag von kautabbak »

karklausi hat geschrieben: 5. Okt 2020 07:44 Mit LGKS?
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Besten Gruß
David


Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie gerne behalten.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#12 Beitrag von awv99 »

........bin gespannt auf den Bericht zum Monte Jafferau und zur LGKS .


Probiere vielleicht beim nächsten Mal statt dem TKC70 den Pirelli Scorpion STR als stollige Alternative zu strassenorientierten Reifen.
Der ist auf jeden Fall handlich
(nach einer gewissen Einlaufzeit, im Anfang ist er sehr kipplig, bis die Stollen sich an der Kante etwas abgeschliffen haben)
und
macht eine gute Führungs - und Griparbeit auf Schotter und bringt die Fuhre auch gut wieder aus Spurrillen aus.
(was ich sehr angenehm fand)

Er läuft auch gut geradeaus (keine Pendelneigung) und ist auch bei Nässe recht gut.
Grip auf der Strasse ist natürlich wie auch bei dem TKC 70 geringer als bei Strassenreifen.

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#13 Beitrag von Luzifear »

Tach,
blahwas hat geschrieben: 4. Okt 2020 23:19 Do 10.9. Jaufen, Penser Joch
...
Diese findet sich dann in Form des Gasthofs Schlossberg an einer Kehre des Jaufenpasses, als es ernsthaft losgeht sich wie ein Pass zu fahren. Tolle Aussicht im Restaurant!
da werden Erinnerungen wach, der Kuchen ist dort ganz lecker, aber der Blick ins Passeiertal ist bei dem Wetter einfach nur grossartig.
Als wir das erste mal dort eingekehrt sind, war ich total begeistert von den Bussen im Regionalverkehr, die fahren die Pässe rauf und runter
schneller als jeder Moppedheizer aus dem Flachland. :D
blahwas hat geschrieben: 4. Okt 2020 23:19 Nördlich von Bozen haben wir noch einen Punkt in der Route ...
Mich hat damals die SP99 total begeistert, wenn du vom Sarntal nach Bozen reinfährst, an der ersten Ampel rechts raus und dann gibt es erstmal Karussel mitten im Berg, einfach geil.
Weiter gehts über Hafling (ja, da kommen die dicken Pferdchen her) nach Meran, die Aussicht übers Sarntal ist sehr empfehlenswert.

Servus, die Luzi
Ich bin der, vor dem dich deine Eltern immer gewarnt haben. :lol:

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#14 Beitrag von blahwas »

Hier geht's zu Fortsetzung und Fazit: viewtopic.php?f=17&t=18602&p=255389

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Re: Reisebericht Höhentreffen 2020

#15 Beitrag von blahwas »

Luzifear hat geschrieben: 7. Okt 2020 09:31Mich hat damals die SP99 total begeistert, wenn du vom Sarntal nach Bozen reinfährst, an der ersten Ampel rechts raus und dann gibt es erstmal Karussel mitten im Berg, einfach geil.
Weiter gehts über Hafling (ja, da kommen die dicken Pferdchen her) nach Meran, die Aussicht übers Sarntal ist sehr empfehlenswert.
Genau das Karussell hat mein Navi anscheinend per Weinberg umfahren. Das gibt einen Wegpunkt fürs nächste Mal :) Später sind wir dann ein gutes Stück SP99 in Gegenrichtung gefahren, das war die Strecke mit dem historischen Gespann. Tatsächlich viel schöner als im Tal und nicht mal wesentlich langsamer.

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