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Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 11. Sep 2014 22:54
von blahwas
Ich war gerade zwei Wochen dienstlich in Portugal unterwegs, verpasste deshalb des Versys-Jahrestreffen :wall: und hatte zu allem Überfluss noch ein Wochenende frei in Lissabon. Was macht der engagierte Motorradfahrer da? Motorradfahren, natürlich! Mangels Versys im Handgepäck wurde es ein Mietmotorrad. Mangels japanischer oder österreichischer Alternativangebote wurde es eine BMW F700GS für 2 Tage. Ich bin also mit dem Taxi zum Vermieter (motoxplorers) gefahren, den wir nach kurzer Suche auch gefunden haben: Straßenschilder (Widmungen) sind in Portugal in einen Stein gemeiselt, klein und gar nicht so leicht zu funden. 8 Euro für 15 Minuten Taxi ist fair. 120 Euro am Tag für ein Anfänger-Motorrad eher nicht, da zahlt man in Deutschland die Hälfte, aber was will man machen. Der Taxifahrer hat lange in Deutschland gelebt und gibt mir eine kurze Einführung in den Straßenverkehr Portugals: Die Polizei achtet in Lissabon vor allem auf Rotlichtverstöße und Busspuren. Sonst ist sie eher nicht präsent und guckt bei Motorrädern gerne weg. Eine erfrischender Kontrast zu Norwegen!

Das Motorrad des Vermieters Carlos steht gut da, zwar wohl schon umgefallen und daher mit Kratzern an den Lenkerenden und dem Auspuff, aber mit makellosen Seitenverkleidungen. 32000 km auf dem Tacho und piekfein sauber, dazu jede Menge Ausstattung (Heizgriffe, ABS, ASC (beides abschaltbar), ESA, großes Windschild), Alu-Koffer und Topcase zieren das Heck. Die Koffer lasse ich zurück, mein Rucksack passt prima ins Topcase und Breite brauche ich nicht. Carlos Kumpel ist auch gerade da und fährt eine ziemlich wilde Enduro, die sich bei genauerer Betrachtung als KTM 525 EXC entpuppt, die mit sehr spitzen Stollenreifen, einem Kennzeichen und rudimentärer Beleuchtung ausgestattet ist. Auf meine großen Augen hin darf ich damit 2x um die Ecke fahren. Das Ding hat einen E-Starter und zieht wie die Seuche (im ersten Gang etwa wie meine Versys), ist aber in der einen Kurve etwas hüftsteif - Lenkungsdämpfer und Riesenräder lassen grüßen. Die Stollenreifen spürt man schon beim Rangieren. Krasses Ding, aber für mich Offroadbanausen eindeutig falsch konfiguriert. Warum vermietet ihr eigentlich keine KTM? Ach, weil Leihfahrzeuge zuverlässig sein müssen. Da fällt mir wieder der kaputte Tacho beim Vermieter damals in Teneriffa an der 690 Duke ein... da hat er wohl leider recht, seufz.

Ich hatte mir vorher am PC eine Route ausgeguckt, auf Papier notiert, und dann im Hotelzimmer liegenlassen. Naja, man hat es ja im Kopf. Zum Motorrad gibt es Navi dazu, dass sich als Garmin 340LM entpuppt. Routenplanung am Garmin ist möglich, aber nervig: Die Reihenfolge der eingefügten Wegpunkte ist unklar, besonders wenn alle "Road" heißen. Die Reihenfolge optimieren zu lassen wirft das eigentliche Tagesziel mitten in die Runde. Und zur Krönung des ganzen löscht man das ganze dann auch noch mehrmals versehentlich, ohne je gefragt zu werden, ob man das wirklich will.

Nervig! Also erstmal nur ein Ziel eingeben, deutlich östlich von Lissabon, da das unmittelbare Umland fahrerisch wenig reizvoll ist. Spannend ist dagegen noch die Brücke über die Bucht, die Ponte 25 de Abril. Wie ungefähr jede Straße ist auch diese nach einem Datum oder einer Person benannt. Wer öfters Adressen ins Navi eingeben muss sucht sich besser ein anderes Land ;) Schöne Aussicht auf die Bucht, aber viel Verkehr und die linke von den drei Spuren besteht nur aus Metallgitter, was unangenehm zu fahren ist. Von oben grüßt an jeder Schilderbrücke ein Motorradfahrer auf weißem Grund mit rotem Rand - was das wohl heißen mag? Leider kann ich wirklich kein Portugiesisch.

Damit bin ich aber wohl nicht allein, denn auch der Sinn der runden Schilder mit den Zahlen drauf erschließt sich den meisten Verkehrsteilnehmern nicht. Man kommt jedenfalls zügig voran, die 75 PS der F700GS sind für knapp 200 km/h auf dem Tacho gut. Das montierte, sehr große Windschild lässt einen davon kaum etwas spüren, und viel lauter als bei Tempo 50 ist das auch nicht - was einiges darüber sagt, wie laut das Ding schon bei Tempo 50 ist. Ich bereue es, nicht Druck gemacht zu haben, als der Vermieter das Schild nicht auf meinen Wunsch abschrauben wollte, denn warm ist es außerdem auch noch.

Nach kaum einer Stunde verlasse ich die Autobahn und erreiche meinen ersten Wegpunkt. Dank der Temperaturanzeige muss ich nicht schreiben "Es war warm!", sondern ich kann schreiben "Es hatte 32,5°C, daher war es warm!" Besonders in Lederjacke und hinter einem riesigen Windschild. Ab jetzt geht es nördlich, und dann in einer Schleife nach Westen zurück. Mein Hotel auf dieser Dienstreise liegt an der Küste nördlich von Lissabon, und für diese Zweitagestour wollte ich nicht extra ein weiteres Hotel nehmen, auch wenn das den Aktionsradius deutlich vergrößert hätte.

Portugal hat ein heißes Klima, und das spiegelt sich auch an der Landschaft wieder. Wenn kein Fluss in der Nähe ist...

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... und keine Landwirtschaft betrieben wird, dann ist es sehr karg - Gräser und vielleicht mal Sträucher, hin und wieder auch ein halb verdorrter Baum. Hier in der Pampa ist sehr sehr wenig Verkehr, etwa alle 10 Minuten ein Fahrzeug im Gegenverkehr. Die Streckenführung ist auch eher gerade, mangels umfahrungswürdiger Hindernisse. Das will man also lieber schnell hinter sich bringen. Bis Arrailos geht es über eine Bundesstraße, ich raste (Lunchpaket aus dem Hotel sei dank), dann geht es links ab auf Nebenstrecken.

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Ich versuche mich wieder an der Routenplanung am Navi und bin ziemlich frustriert von der Bedienung. Jahrelange Praxis mit drei anderen Systemen und ein Doktortitel in Informatik sind anscheinend nicht ausreichend, um da durchzusteigen. Also landen die geplanten Wegpunkte aus dem Kopf der Reihe nach als Ziel im Navi. Das klappt ganz gut. Langsam kommen auch mehr Kurven unter die Räder. Das Mopped macht seinen Job ganz gut, wobei es auffällig lang übersetzt ist (viel Tempo bei wenig Drehzahl). Der erste Gang entspricht etwa dem zweiten der Versys, und der vierte Gang entspricht etwa dem sechsten der Versys. Beim Abbiegen würge ich öfters ab, und wenn's dann doch kurvig wird, muss man aus dem sechsten bis mindestens in den dritten zurück, wenn man eine deutliche Reaktion aufs Kurvenverhalten mit dem Gasgriff haben will. Auch unter 3000/min fühlt sich der Motor nicht so wohl - in engen Ortschaften muss man in den ersten, gerade hinter Autos. Tempo 50 geht auch im dritten, vielleicht auch vierten... aber nicht hinter einem Auto. In die Kurven geht sie handlich rein, aber mangels Einseh- und Berechenbarkeit der Kurven bleiben heute auch alle Metallteile weg von der Straße. Das 19" Vorderrad macht die Fuhre unhandlicher als die Versys, ...

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... aber noch nicht so wie die F800GS (21"), wobei der Unterschied zur F800GS geringer als erwartet ausfällt. Hin und wieder greift die Traktionskontrolle ein, da z.B. auf erhöhten Fußgängerüberwegen wenig Grip vorhanden ist (aber die perfekte Gelgenheit, den PKW vor sich zu überholen, denn das Mopped federt den Hügel gut weg).

Jenseits meiner ursprünglichen Planung nehme ich natürlich auch alle Straßen mit, die spannend aussehen. Das lohnt sich. Auf der Route finden sich einige schöne Ausblick. Bald finden sich auch richtig Kurvenstrecken und ich habe reichlich Spaß, z.B. auf der N356 bei Fátima. Das Mietmopped hat sich gelohnt!

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Auf den letzten Kilometern zu meinem Hotel fahre ich nah an der Küste entlang komme in einen furchtbar vollen Touristenort (S. Martinho do Porto).

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Für Schleichverkehr braucht man die Kupplung. Hier wird auch Marmor im Straßenbau eingesetzt - sieht gut aus, bietet aber wenig Grip. Auf Strand habe ich jetzt gerade nicht wirklich Lust, und am Ortsausgang drehe ich erstmal ziemlich auf. Es folgen zahlreiche Kreisverkehre - auch vorher schon waren Ampeln selten, das ist sehr angenehm. Zwischen zwei Kreisverkehren drehe ich mal wieder heftig den Quirl, sehe aber noch ein paar verdächtige Querrillen und einen 1 Meter hohen Kasten am Straßenrand mit Loch in meine Fahrtrichtung - Zeit, das ABS zu testen! Ob die Bremsleistung ausreichend war, erfahre ich dann wohl anhand meines Posteinganges der nächsten Wochen, ich meine aber, könnte noch gereicht haben.

Zurück im Hotel bin ich sehr zufrieden mit dem Tag. Die Scheibe nervt mich mit ihrem Gewummer, es fiepst im Ohr, und der Popo fühlt sich auch nicht gerade wohl. Aber irgendwas ist ja immer. Das eigene Mopped passt halt am besten.

Das Navi nehme ich mit aufs Zimmer und klatsche mittels Motoplaner die geplante Route für den nächsten Tag drauf. Ich suche noch etwas nach hilfreichen Beiträgen zur Bedienung und bekomme prompt auch Hilfe. Morgen könnte das Abfahren dann einfach klappen, auch wenn ich die geplante Route in zwei Routen aufteilen musste.

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 11. Sep 2014 22:57
von blahwas
Am Sonntag stehe ich (für meine Verhältnisse) früh auf, dass ich um 9 Uhr abfahrbereit bin. Schließlich will ich den Tag nutzen, und um 16 Uhr will ich das Mopped zurückgeben - ergibt 7 Stunden Fahrzeit. Ein weiteres Lunchpaket und zahlreiche Wasserflaschen wandern ins Topcase. Morgens ist es noch frisch, daher trage ich die warme, lange Unterwäsche unter Motorradjeans und Lederjacke. Im Südland trage ich gerne mal unauffällige und landestypische Schutzkleidung, gerade bei makellosen Wetteraussichten.

Der Tag beginnt mit schönen Nebenstrecken, und so bleibt das dann auch. Das Garmin schickt mich trotz gegenteiliger Einstellung auf Schotter, weil ich in Motoplaner Wegpunkte auf Schotterstrecken gelegt hatte, und weil Garmin mich beim Import dann nicht warnt (so wie iGo das tut).

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Das Garmin schickt mich auch gerne mal hin und her, 3x durch den gleichen Ort, weil es entweder die Reihenfolge der Wegpunkte geändert hat, keinen Weg zwischen zweien gefunden hat, oder einen einfach nicht als besucht markieren wollte. Nach einem manuellen Eingriff geht es dann aber weiter. Gut so, denn die obligatorischen Einheimischen auf dem Dorfplatz wundern sich schon. Zügig, wie immer. Langsam hat es auch über 25°, Zeit zum Umziehen.

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Highlight des Tages ist der Montejunto. Dieser bietet sehr schöne Bergstraßen und einen Parkplatz mit Aussicht.

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Beim Verweilen dort kommt ein PKW vorbei, der mehrere kniehohe Dreiräder hinter sich den Berg hoch zieht? Dem möchte ich mal nachgehen, und zwar besonders vorsichtig, denn Dreiradfahrer auf Bergstraßen rangieren in meiner Rangordnung der vertrauenswürdigsten und vorsichtigsten Verkehrsteilnehmer nicht unbedingt ganz oben. Wo man sie allerdings ganz oben findet, ist am Berg, also nix wie hin da.

Sie sind gerade am Abladen und Einrichten: insgesamt vier Dreiräder in verschiedenen Professionalitätsgraden. Hinterräder aus Vollgummi oder aus Plastik, vorne ein großes Rad mit Luftfüllung und wahlweise Fußrasten oder Pedale. Zwei haben Felgenbremsen, einer eine Scheibenbremse, und einer nichts - außer seine Fußsohlen. Ach kleidungstechnisch reicht die Spannweite von Flipflopps bis Motocrosskombi, von Fahrradhelm bis Crosshelm mit Gopro drauf. Die Piloten sind 12 bis 20 und sprechen kein Englisch, ebenso ihre Begleitpersonen mit Auto und Roller. Also warte ich bis sie fertig sind und fahre einfach mal hinterher - die Chance hat man ja auch nicht so oft. Innerlich hoffe sehr, keinen Knochensalat mitzuerleben. Da ich sicherlich die besten Bremsen weit und breit habe und meinen Schwung nicht durch die Kurven tragen muss mache ich mir wenig Sorgen, in einen Unfall verwickelt zu werden, aber zugucken ist ja auch nicht so prickelnd.

Fotos oder Videos kann ich mangels Halterung leider nicht machen. Aber auf Youtube finde ich später noch Video von einer ähnlichen Truppe an diesem Berg:



Drift Trikes nennt sich der Sport anscheinend.

Das sagt sicher mehr als viele Worte ;) Man achte auch auf den Mangel an Verkehr. Nix los da! In den 1980er war hier auch die Rally-WM zu Gast, auch die berüchtigte Gruppe B. 1986 kam es auch in Portugal (aber nicht an diesem Berg) zu dem Unfall mit drei Toten und über 30 Verletzten durch mangelnde Kontrolle der Zuschauer, der das Ende der Gruppe B-Ära eingeläutet hat - seitdem ist die Leistung der Rennfahrzeuge begrenzt und es wird strikter darauf geachtet, wo die Zuschauer stehen.

Die Dreirad-Jungs fahren und schwingen sich jedenfalls geschickt den Berg hinab. Ich kann problemlos folgen. An einer Kreuzung ohne Vorfahrt hält ein Auto freundlicherweise an - einen ihrer 4 Freunde dort zu postieren kam ihnen wohl nicht in den Sinn. Als den Jungs der Schwung ausgeht fahre ich einfach weiter - so spannend war das auch wieder nicht und mangels gemeinsamer Sprache gibt es nicht so viele Möglichkeiten.

Ich fahre den Berg also ganz runter und 1x außenrum. Dabei geht es wieder offroad. Zunächst ein Weg mit üblen Auswaschungen, den wohl kein PKW so einfach schaffen würde, über den ich die GS einfach durchjage - das klappt unerwartet gut. Anscheinend sind 19 statt 17 Zoll Vorderrad und Metzeler Tournace Reiseenduroreifen statt BT023 Straßenreifen tatsächlich im Vorteil, oder ich habe bei Mietfahrzeugen einfach weniger Hemmungen. Später parkt dann ein VW Sharan am Wegensrand?! Wie kam der denn da hin? Na, von der anderen Seite. Ein glatter Schotterweg führt zur Hauptstraße. Als es dabei 2 km geradeaus geht probiere ich mal die Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten aus. Kurzfassung: Ausreichend für Autobahntempo. Mein persönlicher Offroad-Geschwindigkeitsrekord wurde erhöht.

Von Südwesten her führt eine sehr kurvige und schmale Strecke zurück den Berg rauf. Eigentlich ideal für ein wenig Posing, also packe ich meine Gopro an den Wegesrand und heize hin und her dran vorbei. Mangels Stativ und glattem Untergrund wähle ich eine Felswand als Halterung.
Protip 1: Wer das nachmachen möchte, sollte sich die Stelle entweder markieren oder gut einprägen.
Protip 2: Wer eine Gopro haben will, sich aber keine leisten kann, sollte einfach mal Felswände an Kurvenstrecken absuchen ;)
Ich habe meine wiedergefunden, darum gibt es jetzt auch ein Posingvideo, aus dem ich zwei Posingfotos extrahiere. Zeitaufwand 10 Minuten vor Ort und 10 Minuten am PC.

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Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 11. Sep 2014 23:00
von blahwas
Weiter geht es dann wieder über Nebenstrecken. Dabei beeindruckt mich besonders die Landschaft, u.a. dieser "halb und halb" Hügel:

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Zum Nachtanken wähle ich eine Automatentankstelle, die über die Mittagszeit kein Personal zur Verfügung stellt. Da sie mit EC, Maestro, VISA und Mastercard nichts anfangen kann spreche ich einen rastenden portugiesischen Motorradfahrer (GSX-R) an, der sich betont im Hintergrund (und Schatten) aufgehalten hatte. Seine Karte funktioniert, wir einigen uns auf 20 Euro, die ich ihm danach bar gebe. Da ich die GS beim Tanken reichlich einsaue und erst noch abwischen will, vergesse ich fast noch, ihn zu bezahlen - wie peinlich!

Einige Dutzend Kilometer Nebenstrecken später fällt mir auf, dass ich hinten zunehmend Grip verliere - die Traktionskontrolle regelt öfters. Die Reifendruckkontrolle zeigt aber keinen Alarm an. Also fahre ich weiter, jetzt eine Tankstelle mit Luftdruckgerät zu suchen erscheint mir zu mühselig, und den korrekten Luftdruck kenne ich auch nicht. Die Ankunftszeit auf dem Navi rückt näher, sie erscheint mit aber etwas früh - war ich wirklich schon so schnell? Von Lissabon ist auch noch nichts zusehen.

Bei der nächsten Rast gucke ich mal nach - ach, das war ja nur der erste Routenteil! Garmin mochte ja keine 40 Punkte in einer Route. Also lade ich den zweiten Teil: Ankunft viel zu spät. Also überspringe ich fleißig Zwischenziele, bis die Ankunftszeit passt und fahre weiter. Auch der automatisch geroutete Teil macht Laune, aber tatsächlich hat Garmin die Fahrzeit gnadenlos überschätzt, ich komme deutlich zu früh in Lisabon an.

Im Verkehr am Stadtrand laufe ich auf einen beherzt bewegten Seat Ibiza auf, dem ich vergnügt folge, bis mich ein kurzer Zweiradrutscher auf ein Kreisverkehr-Fahrbahninnenmarkierung an die konzeptionellen Nachteile des Zweirades erinnert. Außerdem biegt er bald in ein Wohngebiet an - mit einem Blick aufs Navi halte ich das für ein Manöver, um den Bus vor uns zu umfahren, da man direkt wieder auf die Hauptstrecke zurück kommen kann (rechts-links-rechts statt lange rechts), und sein Tempo passt auch dazu - aber er fährt woanders hin. Egal, Hauptsache ich bin vorbei am Bus. Von den sportlich bewegten Autos haben hierzulande übrigens viele FahrerINNEN.

Ich fahre heute unter Vermeidung von Autobahnen, was in Lissabon vermutlich keine Zeit spart, aber man sieht mehr von der Stadt und läuft weniger Gefahr, in einem Stau zu landen. Vor der Rückgabe muss ich aber noch volltanken. Also Garmin gefragt: "Wo bin ich?" und dann "Tankstelle". 3 Minuten? Gerne! Hmm, hier ist aber keine Tankstelle. Zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten entdeckt man drei Zapfsäulen am Straßenrand. Ich parke bei der zweiten. Kein Mensch in Sicht, und auch kein Bezahlautomat. Dann also selbst: Diesel oder Gasoline? Dann ja wohl Gasoline! Warum ist der Griff so schmierig, und warum passt der Rüssel in den Tankstutzen? Ah, da spricht mich einer an. Er kann englisch. Nein, ich weiß nicht, was ich da gerade tue. Nein, Diesel möchte ich nicht im Tank haben. Vordere Säule, grüne Zapfpistole? Gerne. Reingehen, bezahlen: Oh, klimatisiert. Oh, Eis am Stiel aus einer verschlossenen (!) Truhe. Dazu ein gesprächiger Tankwart, Zeit habe ich auch noch, fertig ist die nette Pause. Was er zu erzählen hat, ist weniger nett: Alles was nicht niet- und nagelfest ist, wird geklaut. Wer in seiner Generation (u30) kann, verlässt das Land und sucht sich anderswo Arbeit. Traurige Sache, aber vielleicht erleben wir ja noch einen Aufschwung. Motoxplorers kennt er und mag er, die tanken immer bei ihm.

Dann also auf zur Rückgabe! Angesichts des Verhältnisses von Hitze (33,5°C) zu Reststrecke (800 m) landen Handschuhe und Jacke im Topcase. Carlos ist noch nicht da, aber ein anderer Kunde, der mir die Tür öffnet. Carlos erscheint nach 5 Minuten und wir machen die Rückübergabe ohne Beanstandungen. Ich kann zwar die Papiere nicht finden, das macht aber auch nichts, denn ich hatte sie dort liegenlassen. Er fragt noch, war das Bike okay? Ja, nur hinten fuhr es sich etwas rutschig. Vielleicht der Luftdruck? Willst du mal nachschauen? Ach, fehlt tatsächlich, soso. Kennst du sonst nur von den neuen 1200er Boxern, die verlieren alle andauernd Luft, interessant. Das Navi vergesse ich fast noch zurückzugeben, aufgefallen war es Carlos gerade nicht, aber man ist ja ehrlich. Von der Decke hängt nette Deko, die jederzeit einsatzbereit ist.

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So hat auch dieser Motorradausflug ein Ende. Für mich geht es ab ins Taxi und zurück ins Hotel.

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 11. Sep 2014 23:05
von blahwas
Fazit Portugal
Crazy Autofahrer, auf dem Land Null Verkehrsüberwachung, glatter Asphalt, hier und da Dreck. Leben und Leben lassen. Keine Traumlandschaften, sondern heiß und trocken. Hauptattraktion für Motorradfahrer ist normalerweise die Algarva (Südküste). Offroadfreunde kommen voll auf ihre Kosten. Die allgegenwärtige Armut ist deprimierend.

Fazit Garmin Zumo 340LM
Das Display ist sehr hell und gut abzulesen. 4,3 Zoll im Breitformat stellt gegenüber 3,5 Zoll im 4:3 Format meiner Meinung nach keine Verbesserung dar, da rechts und links am Rand nie Informationen eingeblendet sind. Die Software ist verwirrend. Mit Erfahrung auf drei anderen Navisystemen und einem abgeschlossenen Informatikstudium sollte man doch eigentlich auch am Gerät selbst eine Route planen können, ohne das Gerät zwischendurch laut fluchend in die Pampa feuern zu wollen. Mit PC dabei klappt's aber, auch wenn die Begrenzung auf 27 (?) Zwischenziele arg niedrig erscheint. Längere Routen werden aufgeteilt, so dass sie zwar fahrbar sind, man hat aber die Ankunftszeit nicht mehr im Blick. Zwischenziele müssen exakt angefahren werden, Umkreis zählt nicht. Der Button zum Überspringen des nächsten Zwischenzieles ist gut versteckt (rechte untere Ecke, dann ganz runter scrollen). Wenn man in 3D-Ansicht fährt, kann man sich nur schwer einen Überblick verschaffen. Der automatische Zoom ändert den Maßstab viel zu stark, insbesondere zoomt er zu weit raus. Die meiste Zeit sehe ich keine Querstraßen. Langsamer Aufbau der Karte beim Planen. Einfügen einer Tankstelle in die aktuelle Route gelingt mir nicht. Kein Feature für kurvigen Strecken.

Fazit BMW F700GS

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Die F700GS gilt in Deutschland ja als Frauen- und Fahrschulmotorrad. Das kann ich nicht nachvollziehen, denn sie ist viel zu lang übersetzt, so dass selbst ich als erfahrener Motorradfahrer das Motorrad 5x am Tag abwürge. Wer weniger routiniert oder kleiner ist und den Fuß nicht schnell genug unten hat, der kippt dabei dann leicht mal um. Unter Tempo 25 braucht man den ersten Gang plus Kupplung. Der vierte Gang ist etwa genauso übersetzt wie der sechste Gang an meiner Versys. Der Motor kann zwar auch niedrige Drehzahlen, ist dann aber etwas bockig. In der Praxis halte ich mich stets über 3000/min auf - bei 8500/min Höchstdrehzahl und langer Übersetzung ergibt das wenig Drehfreude. Die ersten drei Gänge sind nahezu ausreichend, die letzten beiden (5 und 6) sind praktisch identisch. Sehr merkwürdige Übersetzung, also. Dafür ist ein sehr weiter Lenkeinschlag möglich. Den braucht man in Portugal auch, denn die Straßen sind sehr schmal. Der Motor ist für ein Nebenstreckenspaßgerät von der Leistung her an sich genau richtig, die lange Übersetzung und geringe Höchstdrehzahl (inklusive vorherigem Verhungern) kosten aber reichlich Spaß. Da hat man mehr davon auf der Versys, die trotz Minderleistung an der Kurbelwelle mehr Newton ans Hinterrad bringt. Das hat sich zur F800GS also nicht geändert.

Beispielfoto für eine weniger verwinkelte Ortsdurchfahrt:

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Die Sitzposition gefällt mir ganz gut. Die Gummis auf den Fußrasten lassen sich entfernen zugunsten eines besseren Kniewinkels. Man kann so auch besser im Stehen fahren. Das muss man leider auch, denn die Sitzbank ist Schrott. Einfach nur Schrott. Zu schmal, zu weich, und zu rund. Man sitzt dauernd auf seinen Weichteilen und der Popo tut nach 30 Minuten ein wenig und nach 45 Minuten deutlich weh. Selbst 8 Stunden nach dem Absteigen spüre ich es noch. Buuuh! Dafür ist der Lenker angenehm breit und gerade. In den Spiegeln kann man wirklich etwas erkennen. Das ABS arbeitet unauffällig. Meine Maschine ist mit einer Traktionskontrolle ausgerüstet, die auch viel zu tun hatte. Wenn sie unerwartet eingreift, während man eigentlich gerade richtig Vortrieb wollte, kann man schonmal mit dem Helm an der Oberkante der Scheibe landen - hier wäre eine feinere Regelung vielleicht hilfreich. Meine Maschine hatte außerdem das Spar-ESA der F-Reihe mit drei Dämpfungseinstellugen, zwischen denen man kaum einen Unterschied feststellt. Auf "comfort" ging die Maschine auf einem Stück Holperasphalt auf Block, oder vielleicht hat auch der Hauptständer ausgefedert, jedenfalls gab es einen ziemlichen Schlag. Immerhin, Traktionskontrolle (und ESA, sinnhaft oder nicht) findet man in diesem Segment sonst nicht.

Der Frontbremse ist tatsächlich die erste, die ich gefunden habe, die genauso schlecht wie die an der Versys ist (am alten Modell): Man zieht zentimeterweit am Hebel und nichts passiert, bis dann endlich mal der Druckpunkt aus dem Winterschlaf erwacht. Der Bremshebel ist verstellbar und wenn man ihn nicht auf ganz weit einstellt, klemmt man sich bei einer Zwei-Finger-Vollbremsung (bzw. einem Versuch dessen) die zwei restlichen Finger ein. Das ist nicht schön! Hinten blockiert die Bremse sofort und das ABS wirft einem so reichlich Lastwechsel in die Bremszone, so dass ich das Hintenbremsen lieber sein lasse. Der Fußbremshebel kann außerdem den Krümmer berühren, was unschön ist.

Ansonsten war eine hohe Scheibe montiert, die für Menschen bis 1,80 sicher ideal ist, wenn sie gerne im Winter im T-Shirt fahren wollen. Ich (1,90) hatte mit dem Ding nur Krach am Kopf, Schweißbad in der Lederjacke, Luftstau im Helm, ständig viel zuviel aufm Tacho und abends Tinnitus. Ebenfalls doof bei meiner Größe: Die vorderen Seitenverkleidungen sind meinen Knien im Weg, wenn ich mein Körpergewicht deutlich verlagern will.

Reifen sind vorne 110/90-17 (gängiges Reiseenduro-Maß) und hinten 140/60-17 (sehr seltenes Maß), was die Reifenauswahl deutlich einschränkt.

Insgesamt ist die F700GS ein prima Allrounder und (mit einem Ritzel mit 1-2 Zähnen weniger vorne) im Prinzip okay, wenn man sich nicht auf Heizerei oder Offroading spezialisiert hat und der mit dem Fahrschule-Image leben kann. Dann aber bitte auch NC700X und Versys 650 zum Vergleich fahren und vielleicht auch V-Strom 650 und Yamaha MT07. Ich habe den Verdacht, die Fahrschulen nehmen dieses Motorrad nur, weil es die günstigste BMW ist.

Fazit Kurztrip: Es lohnt sich immer, überall wo man ist Motorrad zu fahren! Portugal geht auch als Winterflucht.

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 11. Sep 2014 23:23
von catweazel
Johannes... Chapeau !
Dein Reisebericht ist, wie immer, ganz großes Kino !
Als wäre man mit dabei gewesen...
Danke, dass Du uns in so herrlicher Weise an Deinen Reisen teilhaben lässt !
Vielen Dank und Gruß aus dem Harz

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 12. Sep 2014 09:34
von Umsteiger
Danke Johannes :thx:
Wie immer ein so lebendiger und athmosphärisch dichter Bericht, als sei man selbst gefahren; schön, vor dem ersten Pat. mal eben in Portugal ne kleine Runde GS zu drehen.
Starte morgen ganz früh in die Dolos; der Wetterbericht meldet Sonntag für Tiers bis zu 26 Grad und viiiiiel Sonne, Wunderbar :dance: :dance: :dance:

Dir und allen anderen eine gute Zeit

LG

Georg

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 12. Sep 2014 15:42
von fransjup
Hallo blawas
Lese gerne deine Berichte :]
So hatte der Job auch was gutes 8-)
weiter so :]
Gruß fransjup

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 12. Sep 2014 16:44
von DerDuke
Wieder ein klasse Bericht, vielen Dank dafür! Macht echt Spaß, das alles am Stück zu verschlingen. :top:

Und besonders gut finde ich das schön aufgeteilte Fazit zu allen möglichen Aspekten am Ende.

Ich freu mich schon auf eine neue Folge! ;)

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 13. Sep 2014 06:42
von everyday
Edit: Inhalt gelöscht

Re: Ein Wochenende rund um Lissabon

Verfasst: 29. Okt 2015 15:29
von klausinator
Hallo

Als ich mich mit dem Thema F700GS auseinander gesetzt hab, habe ich
diesen Bericht gesucht aber nicht gefunden.
aber wie immer lustig zu lesen und sehr informativ

Die F 700 ist länger übersetzt als die F800GS erstere hat ein 17er Ritzel zweitere
ein 16er Ritzel.
mit einem 16er finde ich die Übersetzung als gelungen.
Und man sollte sich meiner Meinung davon verabschieden das eine
GS sportlich ist sie ist es eher nicht so wirklich.
wenn man ein Sportliche 800er will kann man ja die F800R nehmen.

Aber das gehört hir nicht hin sondern hier

:cheers: