Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

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surfopi
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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#21 Beitrag von surfopi »

Bei genauerem Hinschauen, ja. Sah so ein bisschen wie ein V-Motor aus. Tschuldigung. Die Augen.

Grüße

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Umsteiger

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#22 Beitrag von Umsteiger »

Danke Johannes für die schöne Rückführung in eine tolle Woche :thx:
Besonders gut gefallen haben mir unsere Gruppenfotos; ich glaube, die präsentiere ich meiner nächsten Ausbildungsgruppe junger Therapeuten mal als Beispiel einer gelungen abgegrenzten Beziehung, wenn ich darf ;)
Und danke auch für die Blumen des "Talent´s zum Dosenschubsen", dass ich übrigens schon beim ersten Höhentreffen 2011 hinter Tine erstmals üben dürfte; auch sie ist nämlich so ein Derwisch der kleinsten Lücken. Immerhin zeigt Dein Stolz aus dem Rückspiegel, so väterlich muß ein Admin sein, dass ich überwiegend in selbigem geblieben bin; gewöhn Dich also mal besser dran, dass Du mich nicht mehr so leicht vom Ar..... kriegst wie früher :finger:
Schön auch, dass Du mit meinem Mißgeschick am Duran so diskret umgegangen bist; die gekonnte Verschlüsselung meiner Identität verrät doch gleich den digitalen Sicherheitsguru; und klar, kleinere Datenlecks und Schwatzhaftigkeiten gibt es immer :schongut:
Immerhin, das soll nicht verschwiegen werden, hat mein filmreifer Umfaller die Aufmerksamkeit von geschätzt gut 80 - 100 anderen Moppedfahrern gefunden, die dann leider, wie von Dir schon beschrieben, durch eine Parade alter Säcke in seltenen Alfas gestört wurde.
Ich schätze mal, als Du Deinen Spiegel am Leitpfosten rasiert hast, hat mal wieder gerade kein Schwein gekuckt, oder? Drum gut dass es das Forum gibt und man dort von seinen Abenteuern berichten kann.
Kurzum: Hat mir wieder mal mächtig Spaß gemacht mit Dir und allen anderen beim Höhentreffen.
Mitlerweile passt eigentlich alles dort.
Also weiter so.

Viele Grüße

Georg
Zuletzt geändert von Umsteiger am 2. Okt 2015 15:19, insgesamt 1-mal geändert.

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blahwas
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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#23 Beitrag von blahwas »

Sa 5.9. Transit 1: Barbian-?
Zum packen brauche ich irgendwie immer länger als geplant, daher Abreise erst um 10:20. Mit Packrolle, Topcase, und den Trägern fährt sich die Versys natürlich anders. Aus der 650 SM-R wird sozusagen die SM-T. Bei geringem Tempo wird sie eher unruhig durch den hohen Schwerpunkt, dafür braucht man einmal in Fahrt weniger Schräglage für gleichen Kurvenspeed. Da die Rolle nicht breiter als der Lenker ist, kann man sich fast genauso gut durchschlängeln wie vorher. Nur mit der Höhe des Topcases sollte man etwas aufpassen.

Meine Idee für die Route heute war die Fünf-Seen-Runde mit dem Mendelpass als Start. Laut Regenradar kam aber genau von dort Regen, also nehme ich einfach ein Ziel in Richtung Südost ins Navi, um den Regen zu umfahren. Das hat nicht so gut geklappt, aber weil ich dauernd dachte, dass es gleich aufhören muss, habe ich die Regenkombi erst sehr spät angezogen. "Hochregen" nenne ich ab jetzt Regen in großer Höhe. Kaaalt! Dazu noch ziemlich viel Verkehr, aber alleine kommt man ja trotzdem gut vorwärts. Ich freue mich, die Koffer nicht dabei zu haben.

Tatsächlich aufgehört zu regnen hat es erst irgendwo am Karerpass, als ich endlich auch die Regenkombihose angezogen hatte. Murphey's Gesetz lässt grüßen. Dann hab eich doch noch die Fünf-Seen-Runde geladen und den Anfang weggelassen zwecks sinnvollem Einstieg. Diese Runde mag ich sehr gerne. Viel Abwechslung, viel Tempo und viel Kurve mit nicht zuvielen Kehren, dazu das Gefühl sich ändernder Landschaft.

Auf den letzten Metern vor dem Gardasee, also vor Salo, habe ich drei Sportwagen mit deutschen Kennzeichen vor mir: Ferrari 360 Modena, Porsche 911 (964) und eine Corvette. Ich schließe auf und ich will vorbei. Der Ferrari gibt zwar Gas, aber lässt Abstand zum Porsche, also kann ich irgendwann auch wieder einscheren. Nicht sehr nett, denn mein Überholvorgang hat sich so verlängert, dass ich Gegenverkehr nicht mehr hätte ausschließen können. Am Porsche komme ich sofort vorbei. Die Corvette fährt sportlich und schneidet Kurven, das kann dauern, es ist echt eng hier. Nach zwei Minuten hält er sich rechts und verzichtet auf Beschleunigen nach der Kurve, also kann ich vorbei. Danke, Mann! Das ist sicher nicht leicht, besonders wenn die blonde Beifahrerin dabei ist und auf dem Mopped erkennbar Gepäck ohne Ende baumelt. Mein Rückspiegel ist zwei Kurven weiter leer. Vielleicht haben sie auch eine Pause vorgetäuscht.

Es folgt die Kurvenstrecke entlang des Valvestinosee, eine meiner Lieblingsstrecken dieser Gegend. Kein Meter Geradeaus und dazwischen immer wieder kurz schöne Aussichten, alles im dritten Gang, oder wenn man es eilig hat, im zweiten.

Am Gardasee fahre ich heute die Brasa-Schlucht. Die ist richtig eng. Schon auf der Zufahrt verklemmen sich die Autos, weil ein deutscher Mercedes Sprinter unbedingt da hoch will. Gut, dass ich mich zwischen dem Chaos hindurch quetschen kann - wieder bin ich froh, keine Koffer montiert zu haben. Die heiße Klinge Versys schneidet die Butter PKW-Verkehr. 10 cm breite können den Unterschied machen. Vor der schönsten Stelle der Schlucht ist eine Ampel mit Wechselschaltung - also Einbahnstraße! Ich stelle mich hinten an, starte dann aber rechtzeitig, dass ich punktgenau auf Grün das erste Auto erreicht habe. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert :) Foto oder Video habe ich keines anfertigen können - da hilft wohl nur selbst hinfahren, oder Google Streetview ;) Das Google Auto hat scheinbar nicht reingepasst hat in die Schlucht, aber zumindest die Aussicht auf den See ist drauf. Die Schlucht ist ein echtes Highlight. James Bond brachte es nur unzureichend rüber, zeigt aber, was manche Autofahrer hier alles tun würden, um zu überholen bzw. sich nicht von anderen Autos überholen zu lassen ;)

Durch das Hinterland geht es in einer Schleife zur Hauptstrecke zurück. So ziemlich ganz oben tanke ich in einer Dorftanke. Der Opa von der Tanke sitzt in einem stillgelegten Auto, wenn gerade nichts zu tun ist. Meine Beladung findet er lustig: Er deutet drauf und sagt "Casa?" - Ja, ich habe mein Haus dabei :) Zurück an der Uferstraße ist die Ampel im Tunnel rot. Warum, weiß ich nicht - Unfall? Baustelle? Es gibt keine Durchsage, also Abwarten und Tee bzw. Wasser trinken. Immerhin ist der Tunnel seitlich immer wieder offen, also stinkt es nicht zu sehr, obwohl kaum ein Auto den Motor abstellt. Nach 10 Minuten verliert der erste Autofahrer die Nerven und fährt bei rot. Nach 15 Minuten wird es grün, bzw. gelb blinkend. Alle geben Gas, P1 geht an einen Rollerfahrer, P2 an eine Versys SM-T, deren Fahrer mal gerne den Rollerfahrer testen lässt, ob irgendwo das Auge des Gesetzes wacht, P3 an ein Auto und P4 an einen Easy Rider-Chopper mit deutschen Kennzeichen und TÜV-Plakette von 1986.

Am Ende des Tunnels dann die Überraschung: Platzregen mit Hagel! Also nichts wie unterstellen! Leider finde ich nichts. Also anhalten und rein in die Regenkombi. Bis ich das schaffe, bin ich aber bereits nass, und der Tankrucksack ebenso. Bei jedem Bücken läuft Wasser in den Nacken, und die Innenseite des Visiers ist voller Regentropfen, die dort auch den Rest des Tages bleiben werden, obwohl der Regen natürlich innerhalb von 10 Minuten wieder aufhört. Weg vom Gardasee geht es wieder via Valvestinosee und Idrosee, nur dass jetzt mehr Unrat auf der Fahrbahn liegt, und es entstehen tolle Lichtspiele aus untergehender Sonne, Dampf und Wolken, die man mittels Digicam leider nur ungenügend wiedergeben kann.
Bild
Für den Rest des Tages beginne ich mit der ersten geplanten Transitroute.

Im weiteren Verlauf kann ich mich nicht so recht zwischen Zelt und Hotel entscheiden. Einerseits bin ich nass, andererseits regnet es nicht, ich habe Lust auf Camping und Camping ist mehr "Adventure". Also befrage ich mein Navi nach einem geeigneten Ort mit möglichst vielen Campingplätzen auf einem Haufen, falls einer geschlossen hat, und ab dafür, zügig über Land, Stock und Stein mit der SM-T.

Wegen zunehmender Dämmerung habe ich ab 20 Uhr angefangen, ein Hotel zu suchen, und in Gardone Val Trompia dann schließlich bei Google Maps gesucht und auch telefoniert. 60 Euro für eine Nacht, lässt auch nicht mit sich handeln, hmpf. Dafür hat eine sehr putzige französische Bulldogge. Internet ist arschlangsam, das Licht im Schlafzimmer flackert und der Laptop passt nicht in die Steckdose - Italien hat keine Schukostecker, außer in Südtirol. Zum Abendessen gibt es Müsliriegel und Schüttelbrot. Leider hat sich mein Magen inzwischen an das allabendliche Vier-Gänge-Menü aus dem Hotel gewöhnt und wartet auf den Rest. Die Umstellung auf Campingbetrieb wird wohl etwas dauern.

Nach ca. 400 ereignisreichen Tages-km ist das Bett aber echt erholsam :)
Zuletzt geändert von blahwas am 3. Okt 2015 10:16, insgesamt 2-mal geändert.

surfopi
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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#24 Beitrag von surfopi »

Das ist echt Pech. Valvestino, Brasaschlucht kenne ich nur mit schönem Wetter. Wobei Valvestino auch eine meiner Lieblings-Wedelstrecken ist. Es gäbe gerade auf dieser Seite des Lagos zum Idrosee hin und darüber hinaus noch unendlich viele Versysstrecken. Auch noch schöner als Monte Baldo im Enduro-Modus. Vielleicht bei einem nächsten "Höhentreffen" am See oder in der Nähe? Wobei ich bei passendem Termin gerne meine Ortskenntnis einbringen mag, wie schon erwähnt.
Einen Tag nach unserem Trefffen hat es übrigens Oliver und mich in der Brasa-Schlucht auch feucht erwischt. Wir haben uns dann im zweiten Restaurant nach der Marienfigur, in der Linkskurve, die Regenzeit mit einer Pizza und lecker Weißwein vertrieben, bis wir über Vesio nach Limone hinuntergesurft und heimgefahren sind. Vielleicht hat Oliver sogar Fotos?

Herzliche Grüße, Karl

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#25 Beitrag von Umsteiger »

Hi Karl,
Wann wäre denn für Dich ein geigneter Termin zur Teilnahme am nächsten Höhentreffen? Und was könnte der geignete Ort dafür sein?
Der Tread zum nächsten Höhentreffen ist ja bereits offen.
Positioniere Dich dort doch bitte mal.

Grüße

Georg

surfopi
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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#26 Beitrag von surfopi »

Hallo Georg,

danke für die Nachfrage. Ich hatte in der Tat auch schon vorsichtig darüber nachgedacht, das Treffen oder ein Treffen am Gardasee anzubieten, da es ja Urlaub ist und manche Teilnehmer möglicherweise gerne auch mal baden/schwimmen/Strand möchten. Ich habe auch mit dem Chef meines CP darüber geredet. Ab 10. September ist es dort relativ ruhig und er könnte sich das durchaus vorstellen.
Es macht nur wenig Sinn, dass ich mich in die Thematik einmische, Orts- und Terminvorschläge mache und dann mit meiner Holden in ihren Jahresurlaub fahre. Sie muss den nämlich genau zwischen 15. August und Schulbeginn, also ca. 13.9. nehmen. Und wenn da 3 oder 4 Wochen möglich werden, gibt es jedenfalls eine weitere Reise - das geht vor-, mit der Möglichkeit, die letzte Woche, wie fast immer, in Malcesine zu verbringen, als Ausklang.

Ich finde den Vorschlag von Lucky gut. Ist zwar nicht mein See, aber ich verfolge eure Entscheidungsfindung, und wenn's passt, kann man ja mal schauen.
Viel Erfolg dabei.

Südliche und regnerische Grüße, Karl

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blahwas
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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#27 Beitrag von blahwas »

Tag 10, So 6.9.
Transit 2: Gardone Val Trompia-?

Erste Amtshandlung: Für den Abend eine günstigere Übernachtungsmöglichkeit suchen. Es wird ein Bed and Breakfast für 45 Euro in Biella, deutlich Richtung Westen und halbwegs auf dem Weg. Heute fahre ich die restlichen Seen Norditaliens ab, also alles Richtung Schweizer Grenze. Einfach den Rest der Route von gestern, und dann die nächste rein. Man merkt wieder, dass Wochenende ist, so viele italienische Motorradfahrer wie unterwegs sind. Es ist prima Wetter angesagt heute. Also reicht die Membran und drunter die lange Unterwäsche, unten kühl und oben warm, Sommerhandschuhe, das ging den ganzen Tag.

Ich bin wohl im Aktionsradius der Mailänder Motorradfahrer unterwegs, denn gleich aus dem Ort raus kommen mir ca. 150 Motorräder in 10 Minuten entgegen, und am Straßenrand sammelt sich auch die Supersportler-Fraktion. Da beginnt der Tag wohl mit einer Insider-Strecke. Diese ist ziemlich eng, unübersichtlich und leider auch bei Radfahrern beliebt. Und Autos sind natürlich auch unterwegs, wobei Sonntagsfahrer in Italien sich nicht von Montags- bis Samstagsfahrern unterscheiden. Italienische Autofahrer nehmen aktiv am Verkehrsgeschehen bei und nutzen die Querbeschleunigungsmöglichkeiten ihrer Fahrzeuge durchaus. Mit anderen Worten, ein recht quirliges Erlebnis. Und ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich zwei Gebückte lieber vorbeigewunken habe, statt ihnen die Straße zuzuparken, denn auf schmalen Strecken ohne Sicht über die ganze Straßenbreite mit dem Knie auf den Boden um die Kurven zu fahren ist nicht mein Ding.

Am Fuße der Kurvenstrecke ging es auf eine größere Verbindungsstrecke, und es gab Sicht auf diverse Seen - nur unterbrochen von Tunnels. Oder eher andersrum. Ich bin gottfroh über mein Sonnenvisier und schwimme im Verkehr mit, d.h. ich bleibe hinter den Autos oder innerhalb des Tempolimits, bis mich ein schnellerer überholt, und hänge mich dann ihn dran. Immerhin kenne ich die ortsüblichen Gepflogenheiten nicht so gut, und mit dieser Lösung fahre ich zumindest nicht schlimmer als die Einheimischen. Verschlimmerungspotential gibt es durchaus noch, denn Rechtsüberholen und die Verwendung des Fußweges könnte man den italienischen Mittelstreifenreitern, Kolonnenhoppsern, Im-Tunnel-Überholern und Liniennihilisten noch als Lernfeld ins Pflichtenheft schreiben. Aber auch so geht es prima voran. 10 Minuten Hinterherfahren reduziert die Ankunftszeit auf dem Navi um 5 Minuten. Mangels Abbiegemöglichkeiten dauern diese Phasen durchaus auch länger, und das macht auch noch Spaß. Gut, dass die Koffer daheim sind. Ich hoffe heimlich, dass ich jetzt nicht dem Polizeichef in seiner Freizeit folge...

Dann geht es über den Pass San Marco, sehr episch, spielt in einer Liga mit französischen Hochalpenpässen. Abwechslungsreiche Strecke rauf wie runter. Oben stehen ca. 200 Motorräder auf verschiedenen Parkplätzen, davon die meisten mit italienischen Kennzeichen und neueren Baujahres. Die Aussicht jenseits der Baumgrenze ist auch nicht von schlechten Eltern.
Bild
San Marco ist einen Besuch wert
Und so lande ich dann schließlich an den diversen italienischen Alpenseen. Die Seen sind einer hübscher und kitschiger als der andere. Man traut sich fast nicht, Fotos zu machen. Dazu hätte man aber auch anhalten müssen, und anders als an den meisten Seen kommt man tatsächlich vorwärts! Protip: Einfach selbst hinfahren! Am Luganosee raste ich, ziehe mir einen Panini rein und ein Eis. Die Versys zwischen mir und dem See. Das lässt sich aushalten.
Bild
Eiscafe am Straßenrand
Auch die lokalen Motorradfahrer haben keine Angst vor dem Nasenbär (oder vor Flugrost), denn schon bald parken eine Guzzi, die neue R1 und eine MV Agusta Rivale im Zentimeterabstand neben meinem Reisenasenbär.

Was mir bei der Planung nicht so ganz klar war: Diese Route führt durch die Schweiz. Ein Land, dessen StVO perfekt NICHT für mich passt. Als ich das mitbekomme, ist es auch schon zu spät und ich werde durch die Grenzkontrolle (!) gewunken. Direkt dahinter günstige Tankstellen. Nagut, dann spiele ich halt mal mit und tanke voll. Kaum fährt man weiter, hat man einen Ferrari vor sich. Willkommen in der Schweiz. Lugano hat eine ziemlich verwirrende Verkehrsführung, und noch weitere Ferraris. Und was tut man, wenn man stinkreich ist, aber einem ein Ferrari nicht prollig genug ist? Logisch, Lambo mit Brüllrohr, bzw. Brüllrohren. Wenn beim Hinterfahren der Brustkorb vibriert, dann ist das nicht original, das sach ich dir so. Macht aber nix, Hauptsache weiter und raus hier. Eine Brücke später bin ich wieder raus aus dem Straßenknastland, und kann endlich wieder so fahren, wie es zum Motorrad passt. Auch in den Ausläufern der Alpen gibt es reichlich Landschaft zum Motorradfahren, und auch der Straßenbau ist auf einem Level, dass kaum Wünsche offen lässt. Aus jedem Dorf führen in mehrere Richtungen fahrenswerte Strecken. Kann man hier etwas falsch machen?
Bild
Hammerstrecken auch für den kleinsten Ort
Hier hatte ich mir jetzt ein paar Wegpunkte auf kleine Bergstrecken gelegt, damit der Weg nach Westen nicht zu sehr auf Bundesstraßen abläuft. Bundesstraßen machen zwar auch Spaß, aber es ist mehr Verkehr und man muss wenig am Steuer arbeiten. Kleine Bergstrecken sorgen für die besondere Würze, da sie teilweise extrem eng sind. Zwei Autos passen da nicht durch, und den dritten Gang brauche ich fast nie. Dankenswerterweise lassen mich alle Autos überholen, denn Einpsurigkeit ist hier ein großer Vorteil. Links runter in den Wald, rechts Felswand rauf - da guckt man doof, wenn sich hinter einem Rechtsknick ein Audi A6 ins Bild schiebt, und hält erst mal GANZ RECHTS an. Und denkt zwei Sekunden später, gut, dass ich keine Koffer dran habe, denn die hätten jetzt Kratzer rechts. Danach mache ich die Musik im Helm aus und hupe vor jeder blinden Kurve - so wie die heimischen Autofahrer das teilweise auch machen - aber ohne erkennbaren Effekt.

Dann geht es etwas auf die Autobahn, Ballungsgebiet umfahren, rechter Hand die Alpen in Sicht. Man sieht sogar die zweite Reihe Berggipfel. Sehr episch. Ein Ferrari überholt, soll ich? Nein, 130 Reisetempo reicht völlig. 2 Euro 60 Maut später bin ich schon recht nah am Tagesziel, ein Bed and Breakfest in Biella. Bed and Breakfest mache ich das erste Mal. Das heißt im wesentlichen, jemand vermietet einen Teil seines Hauses/seiner Wohnung. Also private Unterkunft, und normalerweise wohnt der Gastgeber nebenan und man ist der einzige Gast. Die Gastgeber sind ein putziges Ehepaar und sprechen zusammen etwa soviel Englisch wie ich Italienisch, nämlich 12 Vokabeln und 3 Zahlen (Desmosedici? Ah, sedici = 16! Fiat Seicento? 600!) Ich habe den gesamten zweiten Stock ihres Hauses für mich, ich frage mich fast, wo sie jetzt schlafen. WLAN funktioniert auch. Steckdose für Laptop wieder nicht. Also schnell Notizen runtertippen und halt mit dem Handy surfen. Abendessen nehme ich wieder per Bordmitteln zu mir, und dann lockt auch wieder das Bett. Alleine statt in der Gruppe schafft man mehr km, aber man ist auch geschaffter.
Zuletzt geändert von blahwas am 4. Okt 2015 13:30, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#28 Beitrag von blahwas »

Tag 11, Mo 7.9.
Transit 3: Biella nach Chamonix
Heute ist der letzte Teil meiner Transit-Etappe von Reisephase 3, denn heute Abend treffe ich Markus in Chamonix. Das ist eine kürzere Etappe, auf schnellstem Weg nur 144 km, die geplante Route ist natürlich deutlich länger (Link siehe gestern). Ich fahre über Aosta und den großen St Bernhard, und unterwegs gucke ich mich nach neuen Reifen um. Mein Hinterreifen sieht bedenklich profillos aus, und mein Vorderreifen fährt sich auch schon etwas komisch. Euromaster in Aosta kann auch Motorrad, wurde mir von Stefan empfohlen, jemand geht ans Telefon, kann Englisch, und er hat auch passende Reifen, wenn auch nur Sportreifen. Aber er hat heute zu weil heute Feiertag in Aosta ist. Oder zumindest sagt man mir das. Egal, es wird sich eine Lösung finden, ich bin ja nicht der einzige Motorradfahrer in Italien oder Frankreich.

Der Tag beginnt einmal mehr mit kleinsten Nebenstrecken. Und wie man sich da so durch die Berge schraubt passiert man hier und da mal Dörfer und Dörfchen mit mehr oder weniger Leben drin. Und dann sieht man plötzlich DAS:
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Wo kommt das denn plötzlich her?
Wallfahrtsorte gibt es eben auch an entlegenen Orten. Den Weg nach Aosta entlang dem Aostatal nehme ich ohne Autobahn und mangels Möglichkeit auf der Bundesstraße. Es ist zwar fahrerisch nicht viel spannender als die Autobahn, und es gäbe auch etwas auf der Autobahn zu gucken, aber die Maut ist auf diesem Streckenabschnitt sehr hoch (angesichts des baulichen Aufwands aber nachvollziehbar). So ähnlich dachten auch zahlreiche andere Fahrer mit 2 bis 8 Rädern, hier ist ordentlich was los. Da wir nicht in Deutschland sind ist die Durchschnittsgeschwindigkeit trotzdem respektabel, so ohne Ampeln und Schildern zu beachten. Das Aostatal ist eine eigene Region in Italien (die kleinste von 20 mit 130.000 Einwohnern) mit Sonderstatus ähnlich Südtirol, nur ist es hier Französisch statt Deutsch, und gleichgestellt statt erste Amtssprache. Da ich weit besser (bzw. weniger schlecht) Französisch kann, frage ich auch mal im Dorf in einer Autowerkstatt nach Reifen, weil gerade Leute rumstehen und originalverpackte Autoreifen rumliegen. Die Kommunikation gelingt, man hat keine Motorradreifen, beschreibt mir aber den Weg zu einer Reifenwerkstatt im nächsten Dorf, die auch Motorrad macht. Ich finde sie direkt, und sie hat zu. Also doch Feiertag. Dann also weiter, elegant am Stadtkern von Aosta vorbei und den großen St. Bernhard Pass hinauf.
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I kehr for you - und Wetter war auch Bombe
Auf dem großen St. Bernhard Pass gibt es einen 6 km langen Tunnel, der 600 Höhenmeter spart und vom Durchgangsverkehr genutzt wird - gebührenpflichtig. Motorräder müssten 16 Euro zahlen, PKW 28, Wohnmobile 43. So verirren sich dann manche Sparfüchse doch auf den echten Pass, aber insgesamt ist tote Hose. Bis zum Tunneleingang und ab dem Tunnelausgang ist es fast eine Autobahn - wenn man im Leerlauf bergab rollt, wird man langsamer, so flach ist der, und von Kurven ist auch nichts zu sehen, wenn man unter 300 fährt. Dafür Kilometerweit Einhausungen mit Überholverbot. Auf der nördlichen Seite gibt es aber einen Bikertreff mit Joe Bar-Lizenz. Das gefällt mir sehr, denn erstens ist Joe Bar die Mutter aller Biker Comics (dagegen ist Motomania von Holger Aue ein Fahrsicherheitsfaltblatt von der Berufsgenossenschaft), zweitens ist es urfranzösisch und eine akkurate Beschreibung des Motorradfahrens in Frankreich, drittens ist mein Realname praktisch Joe Bar mit noch was dran, und viertens ist es mein erklärtes Ziel beim Motorrad fahren, Joe Bar Team Comics nachzustellen bzw. nachzuerleben. Wer also Sinn für angewandte Anarchie und Spaß am Stressen hat, sollte sich die Comics ins Regal stellen. Der Abschnitt des Passes über dem Tunnel ist dagegen angemessen unterhaltsam zu befahren und bietet das an Aussichten, was man von einem Pass mit 2469 Meter Höhe erwarten würde.
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Ich lehne es ab, mich für jeden Pass extra warm anzuziehen und danach wieder auszuziehen. Und auch bei Windschildern nehme ich lieber die Minimallösung. Es wird kalt oben am Pass, also ab ins Cafe und eine heiße Schokolade geschlürft. Bzw. gelöffelt, denn richtig flüssig sind die hier nicht. Ich bin hier schon wieder in der Schweiz. Um mich nicht auf der Hauptstrecke von Aosta nach Chamonix zu langweilen, fahre ich linksab in Orsieres über eine sehr kurvige Nebenstrecke - und habe bald einen Linienbus vor mir. Genau was ich nicht wollte. Um vorbildlich zu überholen ist wenig Platz, und anhalten will er für mich anscheinend auch nicht. Als wegen Gegenverkehr Bus und entgegenkommendes Auto anhalten und verhandeln müssen wittere ich meine Chance. Ich komme prima vorbei, aber dann plagt mich die Angst vor der ultrakrassen Gesetzgebung in der Schweiz. Für "gefährliches Überholen" drohen hier nicht nur Geldstrafen, ein Fahrverbot in der Schweiz und Pfändung des Fahrzeuges, sondern sogar Knast. Normalweise fahre ich darum überhaupt nicht in dieses Land. Nicht, dass ich meine Überholmanöver gefährlich finden würde, aber das liegt wohl im Auge des Betrachters, und wer noch nie Motorrad gefahren ist, der legt da ganz andere Maßstäbe an.

Jedenfalls bin ich sehr erleichtert, 20 Kehren später Frankreich zu erreichen. Schon um 15:00 biege ich auf den Zeltplatz ein, wo ich Markus treffen werde. Er ist noch nicht da, also kann ich gemütlich einen Platz auswählen und mit amerikanischen Rucksacktouristinnen quasseln. Markus erscheint bald darauf und es gibt ein freudiges Wiedersehen. Zur Feier des Tages pfeifen wir uns nach Einkauf und Tankstelle im lokalen Lokal deftige Burger rein. Zurück am Zeltplatz kippen wir uns die Biere vom Supermarkteinkauf hinter die Binde. So kann der vierte Abschnitt meines Urlaubs beginnen. Wir bekommen nicht alles Bier auf, und die Tschechen nebenan sind auch schon voll, also hinterlassen wir zwei Flaschen in der Wiese dem nächsten Gast - ich würde mich drüber freuen, neben meinem frisch aufgebauten Zelt ein Bier zu finden.

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#29 Beitrag von blahwas »

Tag 12, Di 8.9.
Drei Länder ab Chamonix und Neubepellung
Es gab ja Bedenken, dass es im September in den Alpen zum Zelten etwas kalt sein könnte. Tatsächlich war es diese Nacht arschkalt im Zelt. Man friert nicht nur, man muss auch mehrmals die Blase ausleeren. Entweder war dies die kälteste Nacht des ganzen Urlaubs, oder einfach die erste, und daher noch ungewohnt. Immerhin kennen wir inzwischen alle möglichen Tricks, z.B. Packrolle und Regenkombi unter die Isomatte, zweite Isomatte drüber, zusätzliche Decke in den Schlafsack, Motorradklamotten und Handtuch drüber, unbedingt Kapuze des Schlafsacks benutzen und die Kordel richtig eng ziehen. Man stelle sich einfach einen großen Kleiderhaufen vor, wo irgendwo eine Nase raus guckt - so lässt es sich aushalten. Man darf sich nur nicht umdrehen. Adventure!

Heute geht es wieder zurück in die Schweiz und über den großen St. Bernhard wieder nach Italien. Das hatte Markus schon lange so geplant, also machen wir das auch, obwohl ich das gleiche gestern schon gemacht habe. Ich habe sogar den gleichen Weg ab Chamonix genommen - der sah kurvig aus :) Gut, dass wir identische Planungsmethoden haben. Markus kann sich auf dem Weg ins Kehren fahren einfinden, ich trainiere das ja schon seit einer Woche.

Über den St. Bernhard halten wir am Joe Bar Team Cafe. Es hat zwar heute geschlossen, aber wir fotografieren alles weg.
Bild
Joe Bar Team Bar
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Das im Comic unerwähnte Mitglied
Da wir wieder durch Aosta kommen, rufe ich nochmal Euromaster an und man freut sich, mich als Kunden zu begrüßen. Da wir erst gegen 11 Uhr mit Zeltabbau fertig sind und unterwegs frühstücken, kommen wir auch nicht seiner Mittagspause von 12-14 Uhr in die Quere - übrigens eine normale Zeit in Frankreich und Italien. Ich rolle also ein in die Werkstatt und sehe die Reifen an der Hebebühne bereit liegen - und sehe sofort, da stimmt was nicht. Tatsächlich, es ist ein 120er Vorderreifen, aber ein 180er Hinterreifen, und ich brauche eigentlich 160er. Mmpf. Nachfragt, großes Bedauern, man wühlt im Computer und durchsucht das Lager, aber es lassen sich sonst nur Vorderreifen auftreiben. Also beschließe ich, wir probieren das jetzt mal, vielleicht passt es ja.

Aus einem Artikel der Zeitschrift fastbike über die Lightweigt-Racer von Farquar Racing weiß ich, dass es passen müsste - die setzen ER6f mit Versys-Schwinge, Serienrädern und 180er Hinterreifen bei der Tourist Trophy und anderen Straßenrennen ein. Im Interview wurde gesagt, sie hätten 160er, 180er und 190er getestet, und 180er hätten am besten funktioniert. Es bleibt zwar ein Angstrand stehen, aber sie dominieren damit ihre Klasse im professionellen Road Racing. Das habe ich zwar nicht vor (im Rahmen dieser Reise), aber passen sollte es dann ja wohl. Wobei, wer weiß, was die für Distanzstücke verwenden. Um es nicht zu spannend zu machen: Nach die versammelte Mannschaft zu dritt mein Mopped angehoben bekommt passt es 1a, der 180er sieht auf der Felge ziemlich exakt wie ein 160er aus und hat seitlich einen Finger breit Platz zur Kette. Der 180er Angel GT an Markus' F800R sieht viel breiter aus. Der hat ja auch eine 5,5 statt 4,5 Zoll Felge. Zum Rand hin wird die Reifenauflagefläche sehr steil - das verspricht, dass man auch bei tiefer Schräglage vom Rand fernbleibt.
Bild
Der Herr rechts im Bild kann Englisch
Mein neuer Reifen ist ein Pilot Power. Er hat Grip von Anfang an. Normalerweise ist meine erste Amtshandlung auf einem neuen Reifensatz ein kurzer Burnout und ein paar Meter Fahrt mit regelndem ABS vorne. So ist die Mitte schon nach 20 Metern griffig und bereit für Notfälle oder unachtsames Beschleunigen. Hier gelingt nichts davon - der Reifen hat zu viel Grip! Verglichen mit dem alten Reifen sieht der neue in der Sonne so klebrig aus, dass man meinen könnte, sogar das Licht bliebe daran haften. Der Reifensatz fährt sich auch vom Lenkverhalten her klasse. Mittig normal, aber in Schräglage zunehmend handlich - die steile Flanke lässt grüßen. Ich habe mich schnell dran gewöhnt und erwäge während der folgenden Tage mehrmals, mir den Reifen in dieser Dimension in Deutschland eintragen zu lassen - wenn er überhaupt so lange hält, natürlich.

Raus aus Aosta fahren wir möglichst zivilisationsfern am Berg entlang, wo wir eine größtenteils legal befahrbare Kurvenstrecke finden. Den Berg rauf haben wir einen Fiat Panda vor uns (immer noch Italiens Nationalfahrzeug), dessen Fahrerin von Fahrdynamik nicht viel hält. Ich komme vorbei, zwei Kehren später warte ich auf Markus, und warte, und warte. Und warte. Dann kommt der Panda. Und sonst keiner. Ich drehe um, der wird doch nicht? Kacke, da liegt ein Helm. Gut, da steht Markus und sein Motorrad. Umgefallen? Umgefallen. Er musste anhalten, weil das Auto so langsam wurde und dann hat er keinen Halt gefunden. Künftig lieber vor der Kehre anhalten. Und Joe Bar-Team-Spirit-mäßig gesagt, erster Fehler natürlich: Einem Auto gefolgt statt zu überholen. Es ging nichts kaputt, nur leichter Kratzer im Motordeckel zeugen vom Missgeschick. Dann wäre der Punkt für diese Reise also auch schon abgehakt.

Weiter auf der Tour geht es in Italien zum Mont Blanc und dann zwei Sackgassen rechts und links im Tal entlang ab Entreves. Das sind sehr einsame Strecken mit minimalem Verkehr und auch wenig Fahrbahnbreite, dafür sehr viel Landschaft und großer Höhe. Dann hüpfen wir via La Thuile über den kleinen St. Bernhard nach Frankreich rüber. Auf dem Pass geht bereits die Sonne unter - es stehen ja auch rundum hohe Berge. Der kleine St. Bernhard macht wesentlich mehr Spaß als der große. Sehr wenig Verkehr, viele Kurven, viel Schwung. Dagegen ist der große wirklich eine Autobahn.

Normalerweise suchen wir uns eine Stunde vor Ende der Tagestour einen Supermarkt und kaufen zum Abendessen ein, und suchen uns dann von dort aus möglichst in Fahrtrichtung einen Zeltplatz. Heute ist es hier in der Pampa schon dunkel - einen offenen Supermarkt zu finden könnte schwer werden. Also kehren wir am ersten Restaurant ein und lassen es uns gut gehen. Die Französische Küche hat ja bekanntlich einen guten Ruf, und wir sind wieder mal zufrieden. Dann suchen wir uns einen Zeltplatz. Im nächsten Ort sind sogar zwei, also gucken wir beide an. Der erste scheint ein reiner Caravan-Platz zu sein und wirkt irgendwie spießig, also ab zum zweiten.

Mein Navi hat die Angewohnheit, auch auf "schnellste Strecke" gerne "Abkürzungen" quer durch die Stadt zu nehmen, statt auf Hauptstrecken zu bleiben. Hier im Ort führt es mich dabei geradewegs in eine Straße, die eigentlich eher ein Blumenbeet ist. Ich habe große Mühe, im Dunkeln mit der beladenen Versys auf dem drei Meter breiten, unbefestigten und unebenen Grund zu wenden um wieder raus zukommen - am besten ohne das Gemüse gegen das Haus seines Besitzers zu schleudern. Aber auch dies gelingt. Der neue Zeltplatz gefällt uns gut und wir bauen auf - geht schon schneller als beim ersten Mal. Und nebenan ist direkt ein Supermarkt - meine Sorge war also voreilig. Falscher Reifen, Umfaller, Dunkelheit aufm Pass - egal, hier kann wohl nichts wirklich schief gehen, alles klappt trotzdem. Ist Urlaub!

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#30 Beitrag von Lucky66m »

Das erinnert mich an eine Seealpentour mit meiner Bandit1259S.....damals war auch mein Hinterreifen fertig als ich in Aosta ankam. Der Herr auf dem Bild mit der Tätowierung und dem blauen Polohemd hatte auch meinen Reifen montiert. Ich wollte damals einen MPR2 CT und musste mangels Verfügbarkeit dann auch auf einen Pilot Power ausweichen. deja vu :D
Wie immer schön geschrieben Johannes :respekt:
Gruß Stefan/Lucky66m

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#31 Beitrag von everyday »

blahwas hat geschrieben:Verglichen mit dem alten Reifen sieht der neue in der Sonne so klebrig aus, dass man meinen könnte, sogar das Licht bliebe daran haften
I love it :top:
fahr so als ob Du sie geklaut hättest

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#32 Beitrag von blahwas »

Tag 13, Mi 9.9.
Savoyenrundfahrt mit Schleife um die Chaine des Aravis
Der Zeltabbau ist schon fast Routine. Abfahrt und eine Schleife um die Chaine des Aravis - sehr abgelegen, aber daran gemessen noch viel Verkehr. Traumhafte Aussichten. Speichersee hoch oben in den Bergen, echter See weiter "unten". Wer sich schon gefragt hat, was eigentlich aus dem ganzen Ökostrom wird, der in Deutschland produziert aber nicht verbraucht wird: Der wird genutzt um Wasser hoch zu pumpen, auf dass man es zu Zeiten höherer Nachfrage wieder runter rauschen lassen kann. Das hat physikalisch einen erstaunlich hohen Wirkungsgrad und ist auch sehr wirtschaftlich, da zu Zeiten von Überkapazitäten der Strompreis tatsächlich negativ werden kann. Die Landschaft verschandelt der See kaum, und selbst die Stromleitungen verlieren sich. Es ist echt kitschig hier. Hinter einer Rechtskurve jenseits der Baumgrenze links ein kleiner Hügel neben der Straße, dahinter das Alpenpanorama, und auf dem Hügel stehen tatsächlich drei Kühe in Reih und Glied und gucken uns an. Noch kitischiger und man müsste es in Folie einpacken, aber es ist tatsächlich Realität. Für mich Stadtmenschen kaum zu fassen. Und so in der Art geht es weiter. Da Markus jetzt dabei ist und gern fotografiert gibt es mehr und bessere Fotos!
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Nix los auf Straßen und am Himmel - so darf das sein!

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Almkitschalarm :)

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Kleine Idylle zwischendurch

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Feind in Sicht, aber bald neutralisiert
Spektakulär ist noch eine Baustelle, an der wir kurz warten müssen. Die Straße glänzt eigenartig. Wir merken schnell, dass wir mit den Stiefeln auf der Straße festkleben. Man braucht Mühe, um die Füße wieder hoch zu kriegen. Als man uns bedeutet weiterzufahren fährt das Auto vor uns an, und es klingt, als würde jemand einen riesengroßen Klettverschluss öffnen. Danach geht es über frisch planierte schwarze Körner, und die nächsten paar Hundert Meter klebt alles an unseren Reifen und es fühlt sich an, als hätte man platte Reifen vorne und hinten. Das gibt sich aber. Gut, dass wir beide nicht viel von Motorradputzen halten, denn sauberer wurde das Mopped an dieser Baustelle sicher nicht. Diese Strecke soll eigentlich eine Schleife sein, aber an einer Passhöhe geht es nur noch unbefestigt weiter.
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Wo geht's weiter?
Wir wagen uns in den ersten Abschnitt hinein, der zur Versorgung der Bergstation einer Seilbahn genutzt wird. Verfestigter Boden mit ein paar Steinen drauf, für uns voll beladen und mit Straßenreifen sorgenfrei zu meistern. Von der Bergstation geht es dann aber rechts ab auf einen Forstweg: Zwei Betonstreifen mit Wiese in der Mitte. Legal befahrbar, aber für uns mit den vollgepackten Straßenmoppeds ist hier aus Vernunftsgründen (ausnahmsweise) Schluss. Auf einer ähnlichen Strecke bin ich erst letzte Woche umgefallen, und zwar ohne Gepäck. Dann fahren wir lieben den ganzen schönen Weg außenrum, bis wir von der anderen Seite zu dieser unbefestigten Strecke kommen. Wir haben ja schließlich Urlaub. Und an diesem schicken See kommen wir nochmals vorbei.
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Schön hier!

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Und ich war dabei!
Auch von der anderen Seite her ist es sehr schön zu fahren. Danach ist es schon wieder Zeit für Supermarkt- und Zeltplatzsuche, und die F800 sehnt sich auch nach einer Tankstelle. Es ist übrigens super entspannend, mit jemandem in Urlaub zu fahren, der weniger Reichweite hat :) Die nächste Tankstelle gehört zum Supermarkt 400 Meter vom Zeltplatz der letzten Nacht. Das passt uns ganz gut. Da hätten wir Zelte eigentlich auch stehen lassen können, aber wer weiß das schon vorher, also bauen wir halt wieder auf. Tipp für euch: Den städtischen Campingplatz in Bourg-Saint-Maurice nehmen, das Zelt zwei Nächte und einen Tag stehen lassen und einen Fahrtag ohne Gepäck genießen. Man passiert eine Menge Pässe, die weniger bekannt sind - umso mehr Ruhe hat man hier. Col des Aravis, Col de Saisies, Col du Joly, Cormet de Roselend, Col des Annes, Col de la Colombiere und so weiter. Alles etwa 1000-2000 Meter hoch.

Dann wird wieder der Kocher angeworfen und das Abendessen vorbereitet. Baguette, Käse, Salami zum Abschneiden, einige Stücke Fleisch vom Benzinkocher und dazu noch etwas süßes. Außerdem Bier und/oder Wein. Markus findet noch ein ziemlich teures Cardio Bluetooth-Headset im Gras, das ich an der Rezeption abgebe. Jemand wird es vermissen und sich vielleicht noch an den Zeltplatz erinnern können.
Zuletzt geändert von blahwas am 8. Okt 2015 00:09, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#33 Beitrag von blahwas »

Tag 14, Do 10.9.
Col de la Madelaine
Wir sind gestern nicht ganz so weit gekommen wie geplant, also ändern wir die Route minimal ab. Dazu löschen wir drei Wegepunkte, drücken auf "Reihenfolge optimieren" und betrachten das Ergebnis kritisch. Es geht zunächst 30 Minuten über eine Schnellstraße, was wegen des Hammerpanoramas nichts macht. Wir kommen noch an einer Baustelle vorbei, wo auf der rechten Spur Steine nass gesägt werden - weißes "Wasser" läuft über die linke Spur und versaut uns die Moppeds 1x komplett. Das sieht auf den ersten und zweiten Blick sogar nach Sturzschäden aus.

Dann geht es einen Minipass hoch, der "nur" 960 Meter hoch ist (bei Albertville). Außerdem ist er nicht so flüssig zu befahren, da die erste Hälfte sehr schmal ist und es liegt teilweise Schotter. Auch die vielen Kehren sind nicht unsere bevorzugte Art der Streckenführung. Auf dem Abstieg gibt es aber eine Rastmöglichkeit und wir verfrühstücken die Reste von gestern. Lecker und sehr entspannend. Die neidischen Blicke der vorbeifahrenden Autofahrer sind uns gewiss.

Danach steht der Col de la Madelaine auf der Speisekarte - mein Lieblingspass überhaupt und für mich eines der zwei Highlights dieser Reise. Die Südseite ist flüssig zu fahren und der teilweise neue Asphalt erlaubt nahezu alle denkbaren Manöver. Da kommen schöne Erinnerungen hoch. Auf der Passhöhe stellen wir fest, dass mittlerweile Parkbuchten angelegt wurden, wo vorletztes Jahr noch nur ein einfacher Schotterplatz war. Die Aussicht ist aber unverändert.
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Wir machen eine lange Mittagspause im Cafe oben, wo ich eine neue 1000er Versys vorfinde. Zunächst erfreue ich mich am steckenden Zündschlüssel, später komme ich mit dem (deutschen) Fahrer ins Gespräch. Wir sind alle vollkommen begeistert vom Motorradfahren in Frankreich zur Nebensaison und hauen uns die Passnamen und die Freude um die Ohren.

Wegen der Umplanung ist hier Sackgasse für uns, die Route führt wieder zurück. Ich fahre den Pass aber lieber noch nach Norden zu Ende, drehe um und überfahre ihn dann wieder bis Süden. Ich liebe diesen Pass. Abwechlung, schnelle Passagen, weite Radien, enge Radien, später auch Kehren, variable Breiten und für mich auch Erinnerungen an die Fahrt von vor zwei Jahren, als wir hier einige kitzlige Sachen gemacht haben.
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Schon wieder wenig Verkehr. Da juckt es mich auch nicht, dass sich dabei Markus' Spiegel an meiner Versys lockert. Markus wollte runter fahren, bis ich ihm entgegenkomme, und dann wenden. Ich sehe ihn erst wieder oben auf dem Pass, er hat es nicht bis ganz runter geschafft - er hängt heute etwas durch. Macht nix, wir haben Urlaub und reichlich Zeit. Wir starten gemeinsam abwärts nach Süden und unten warte ich dann halt auf ihn. An mehreren Stellen hat meine Versys Spuren im Pass hinterlassen, und irgendwo auf dem Pass hat meine Versys die 60000 km geknackt - super Gefühl.

Nach diesem Pass ist der Tag dann irgendwie schon wieder so weit fortgeschritten, dass schon wieder Einkauf und Zeltplatzsuche angesagt sind. Ich kaufe ein. Markus durchforstet Google Maps und programmiert unsere Navis. Wir verstauen die Einkäufe und rollen 15 Minuten später auf den Zeltplatz, genauer gesagt auf die letzte freie Parzelle. Gegenüber zwei Motorradfahrer aus Düsseldorf mit einem Zelt - so klein ist die Welt. Ducati Hypermotorad und 1150 GS - wer da wohl das Gepäck schleppt?

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#34 Beitrag von blahwas »

Tag 15, Fr 11.9.
Route de Grande Alps - Diese Strecke ist einfach großartig
Morgens habe ich eine leicht feuchte obere Iso-matte? Und eine völlig nasse untere Iso-Matte plus Packrolle drunter? Dazu feuchte Knie am Schlafsack? Ergibt alles wenig Sinn, es hat ja nicht geregnet und eingenässt habe ich mich auch nicht, denn sonst wäre ja der Schlafsack nasse. Vielleicht hätte ich das Zelt doch abspannen sollen, damit sich Innen- und Außenzelt nicht berühren. Gut, dass es auf diesem Zeltplatz ja einen Fön im Waschhaus auf diesem Zeltplatz, also ist 15 Minuten später alles wieder trocken. Wir sind hier am Camping des Grands Cols (in 73300 Saint-Jean-de-Maurienne), und haben gestern den letzten freien Platz bekommen - ein einmaliges Erlebnis auf dieser Reise.

Vom Zeltplatz runter geht es direkt zu einer Tankstelle und in den Supermarkt, Frühstück einkaufen. Dann kommt der Col de la Telegraph - der ist mal richtig genial zu fahren. Ich bummle etwas rum, damit sich Markus meine Linie abschauen kann, und so richtig wach bin ich auch noch nicht. Bis mich eine Wasserboxer-GS mit österreichischem Kennzeichen und kein Gepäck außer Topcase überholt. Guten Morgen! Mal gucken, was der kann. Er fährt Rennlinie, bleibt aber immer im gleichen Gang - vermutlich im zweiten. Da fahre ich mit der Versys auch bergauf und beladen locker hinterher. Da ich es nicht eilig habe, fühle ich mich auch nicht aufgehalten oder ausgebremst, sondern genieße einfach seine verwirrten Blicke in den Rückspiegel - in angemessenem Sicherheitsabstand. Man will ja nicht unhöflich sein, und überholen ist etwas ganz anderes als dranbleiben.

Die Passhöhe kommt mir gleich bekannt vor, also hart gebremst zur Frühstückspause auf der selben Bank wie 2013. Wir lassen es uns richtig gut gehen mit den Einkäufen.
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Würden Sie diesem Herren einen gebrauchten Kettensatz abkaufen?
Den Telegraph weiter ("runter" trifft es hier nicht) kommen auch gleich der nächste Pass, nämlich der Galibier. Noch traumhafter zu fahren als der Telegraphe. Aussichten. Höhe. Die auf der anderen Seite plötzlich veränderte Vegatation - es wird mediterran. Alles noch schöner zu fahren als Madelaine. Habe ich bei meiner Liebe etwa die Namen verwechselt? Die totale Traumstraße. Aussichten, Kurven, Grip, kein Verkehr, keine Verbote. Keine Grenzen außer deinen eigenen. Hier bin ich richtig. Hier ist JEDER richtig. Paparazzi säumen die Straße und verkaufen die Fotos online. Wir tun es ihnen nach.
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Markus knippst mich beim Posen - nein, den Bremshebel sollte ich wirklich nicht tiefer einstellen, aber noch höher geht es kaum

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Ich knippse Markus beim Bummeln

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Aussicht während der Pause

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Aussicht während der Fahrt
Nach dem Galibier kommt der Col d'Izoard - es geht wunderschön weiter. Wir rasten an einer Staumauer ohne Namen in einer Schlucht mit ein wenig Zivilisation. Danach geraten wir hinter eine Kolonne. Vorne ein LKW, dahinter 2x Polizei, in alten Land Rovern. Naajaa, fährt man halt mal anständig dran vorbei. Der LKW biegt ab, als ich nur noch 1x Polizei vor mir habe - und der gibt Gas, als die Bebauung endet. Prima, also Gas auf und vorbei - warum kommt da vorne noch ein Kreisverkehr? Warum guckt der Opa im Benz der da von rechts reinfährt nur nach vorne und nicht zu mir? Warum zeigt mein Navi eine schwarze 50 auf weißen Grund mit rotem Kreis? Warum steht hinter dem Kreisel ein Ortsausgangsschild? Fragen über Fragen, die nur einen Schluss zulassen: Ich wohl gerade innerorts. Und ich habe gerade die Polizei überholt, die bereits zweistellig über Tempolimit unterwegs war. Ahem. Jetzt bloß cool bleiben und nichts falsch machen: Eben noch für den Benz bremsen und dann ohne in die Spiegel zu gucken und ohne sie am Benz-Kofferraum einzuklappen unauffällig im Wohlfühltempo weiterfahren - es geht bergauf, da kommen die eh nicht mit!

Bergauf? Pass! Und zwar den Col de Vars. Sehr flüssig zu fahren. Überhaupt ist heute der erster Gang nur nach Fahrpausen eingelegt worden. An einem Cafe halte ich an, um auf Markus zu warten, der hat's nicht so mit Kolonnen. Dann kommen zwei Motorräder aus der Gegenrichtung angefahren, und wollen ebenfalls anhalten, um abzusteigen. Einer davon verwechselt leider die Reihenfolge: Er
überbremst vorne auf dem schottrigen Seitenstreifen und steigt ab, ohne anzuhalten. Gemeinsam mit dem anderen Fahrer hebe ich die Honda von seinem Bein und wir richten sie wieder auf. Er kommt alleine hoch und soweit ich sein Bayerisch verstehe geht es ihm gut. Der Rest seiner Gruppe erscheint auch noch, und dies ist ihr zweiter Sturz heute. Aber nichts ernstes, und im Bremshebelrichten hat man schon Erfahrung. Schöne Größe nach Oberpfaffenhofen :)

Als Markus erscheint, der wegen der Kolonne gerastet hatte, setzen wir uns vor das Cafe und fragen uns, ob wir eigentlich über 1000 Meter sind? Er tippt: Nein, ich tippe: Ja. Kurzer Check: 2100. Oha. Das erklärt die Radfahrer mit dem seeligen Gesichtsausdruck. Wir sehen wieder die Oldtimer-Sportwagen-Gruppe (911, Schneewitchensargvolvo, 190E 2.5 usw.) von gestern, und das freut uns fast. Eine angenehme Art, den Ruhestand zu verbringen. Es sind auch nur 10 Fahrzeuge und sie haben uns bisher immer brav passieren lassen. Übrigens auch alles Deutsche. Wir sind halt die Urlaubsweltmeister.

Weiter geht es den Cole de Vars runter und im folgenden den Col de la Bonnette hoch. Wikipedia schreibt:
Die an der Passhöhe beginnende etwa zwei Kilometer lange Ringstraße um die Cime de la Bonette führt auf 2802 m und ist damit die zweithöchste asphaltierte Straße der Alpen. Noch höher ist nur die auf 2829 m ü. A. führende Ötztaler Gletscherstraße in Österreich (wenngleich diese anders als die hier behandelte Straße eine Sackgasse ist).
Wir sind also am höchsten* befahrbaren* Pass* Europas* (wobei * Begriffe kennzeichnet, über die man sich streiten kann, wenn man unbedingt will, z.B. Seehöhe oder relative Höhe, in der Saison ohne Anmeldung/kostenlos zu befahren, keine Sackgasse, geographisch Europa und nicht Niederländische Überseegebiete usw.). Entsprechend beobachtet man mit einem wohligen Schauern, wie der Höhenmesser am Navi von 1200 Meter immer weiter ansteigt. Bei 2000 schaltet er auf 2 km 5 Meter um, und so geht das immer weiter, bis über 2 km 800 m. Die Vegetation lässt stark nach und ganz oben ist eigentlich nur noch Geröll rundum. Außerirdisch.

Ab etwa 2000 Meter beginnt es zu nieseln, und wir fahren in die Wolken. Sehr weit oben (>2500 m) gibt es eine Gabelung, man kann hier abkürzen, oder eine Schleife um Gipfel weiter hoch fahren. Auf der anderen Seite der Abkürzung ist erkennbar sehr wenig Sichtweite. Als Markus erscheint, schäle ich mich in die Regenkombi, er hat das bereits, und wir fahren hier rechtsum, die volle Passhöhe von 2802 Metern genießen - Ehrensache. Wir sehen plötzlich kaum 20 Meter weit, und so ist das eher Formsache als Genuss. Immerhin ist die Straße ziemlich gerade und kein Fußgänger verirrt sich im Nebel vor unsere Vorderräder. Ein unachtsamer Schritt wäre hier auch leicht der letzte selbstbestimmte, denn es geht hunderte von Metern 45° den Berg runter. Man wundert sich fast, dass der ganze Berg nicht einfach rutscht.

Den Pass runter reißt der Nebel bzw. die Wolken auf und wir fahren bei Bewölkung mit leichten Schauern die Schlucht der Tinée - so richtig richtig lange. Immer wieder Brücken über den Fluss, alles gut einsehbar und gut ausgebaut, hier und da mal Kurven. Der Regen hört auf. Die ersten PKW haben MC auf dem Kennzeichen - das steht hier nicht für Motorrad Club, sondern für Monte Carlo aka Monaco. Immernoch ein Traum zu fahren. Dann ist wieder Supermarkt und Bäcker angesagt, und der Zeltplatzsuchmodus wird eingeschaltet, denn es ist bereits 18 Uhr. Unsere Route führt jedoch aus der Schlucht hinaus in eine nahezu menschenleere Region, wo sich die Straße im zweiten und dritten Gang an Hängen entlang windet. Nur alle Kilometer stehen mal ein paar Schrottautos oder schrottreife Autos am Straßenrand, und wenn man genau hinsieht, erkennt man hier und da auch so etwas wie eine Grundstückszufahrt, die sich an den Steilhang schmiegt. Von den Grundstücken sieht man nichts, oder nur irgendwelche Bretterbuden. Schön zu fahren ist das ja, und die Aussicht auf die tiefer stehende Sonne ist auch super, es kommt uns in einer Stunde auch nur ungefähr ein Auto entgegen, aber danach steht uns der Sinn gerade nicht, denn wir wollen sowas nicht im Dunkeln fahren, und angesichts der "Bevölkerungsdichte" hier kann der nächste Zeltplatz noch auf sich warten lassen. Der nächste Ort kommt auch erst nach rund einer Stunde. Hier fragen wir die Navis und Google Maps.

Google Maps hat einen Zetltplatz in 30 km Entfernung. Das ist leider Luftlinie, die Fahrzeit dorthin beträgt eineinhalb Stunden. Die POI-Sammlung "Archie's Camping" findet einen Zeltplatz in 6 km Luftlinie, 15 Minuten Fahrzeit. Der wird es dann auch. Er ist tatsächlich am angegebenen Ort und hat auch geöffnet - der Abend ist gerettet! Der Platz liegt in einer Schlucht und der Betreiber scheint ziemlich schrullig zu sein, jedenfalls hängt er sehr gerne selbstgeschriebene Schilder auf (an die 50) und legt anscheinend großen Wert auf die Einhaltung der Regeln.
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Wir stimmen niemals übereinen mit denjenigen, welche sich lustig machen die Regel des Zusammenlebens in der Gesellschaft - oder sowas in der Art.
Dafür ist er auch sehr freundlich, alles ist sauber, er bringt uns einen Tisch und Stühle, wir teilen uns den gesamten Platz mit nur einem Caravan, es gibt WCs mit Brillen, Klopapier und heiße Duschen! Zwei Personen mit 2x Duschen 20,50 Euro - geht klar. Achja, der Zeltplatz lag genau an unserer Route zum Col de Turini, es hätte also nicht schief gehen können.

Wie jeden Abend: Zelte aufbauen, Kocher anwerfen - mein Versuch eine Dose Chilli con Carne zu erhitzen schlägt fehl und ich erhalte Kochverbot für den Rest des Urlaubs. Wir haben beim Einkauf aber noch genug Alternativen beschafft.

Das war ein richtig schöner Tag heute mit den ziemlich sicher den besten Motorradstraßen Europas, wenn nicht sogar der Welt, den wir ohne Stress und Ärger bewältigt haben - und das zum Budget von 50 Euro am Tag inklusive Sprit. Wer gerne Motorrad fährt und hier noch nicht war der macht echt was falsch. Die Route de Grande Alps ist einfach großartig, auch wenn sie touristisch vordefiniert ist und man z.B. über den Tag immer wieder den gleichen Oldtimer-Club sieht. Es gibt keinen Grund zur Skepsis.

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#35 Beitrag von fransjup »

Danke für den tollen Bericht blawas
Sabber Sabber
Gruß fransjup
gruß fransjup

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#36 Beitrag von surfopi »

Hallo Johannes,

schöner Bericht, schöne Bilder. Und fast Alles richtig gemacht. Südlich des Izoard habt ihr allerdings DEN TRAUMPASS der Gegend links liegen lassen, den Col d'Agneau.
Einmal rauf und runter, kein großer Umweg und fast genau so hoch wie der Bonnette-Restefond.
Und südlich des col de Vars hättet ihr den pont du Chatelet an der Ubaye noch mitnehmen können, wenigstens fotografieren, und noch etwas weiter südlich den famosen Tunnel du Parpaillon. Aber das wäre schon richtiges Abenteuer geworden. Ausgiebigst erforschtes DRZ-Land.

Grüße aus dem wieder sonnigen Süden,
Karl

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#37 Beitrag von Umsteiger »

Ach Johannes, nach Deinen Berichten hat man immer Hunger und alles schreit: Will auch :sabber:
Großartig :top:
Bitte immer weiter so.

Herzliche Grüße

Georg

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#38 Beitrag von blahwas »

Tag 16, Sa 12.9.
Nix de Turini, Verdon
Morgens beim Zeltabbau fragen wir uns, wer da mit seiner Kawazuki und ausgeräumter 4-in-1-Anlage den ganzen Morgen hin und her fährt. Kein Wunder, dass der Zeltplatzbetreiber da komisch wird. Unsere erste Strecke heute ist der Col de Turini, aber vorher tanken wir noch. Es brausen tatsächlich bald diverse Fahrzeuge mit ausgeräumter 4-in-1-Anlage vorbei, mit schriller Lackierung, aber alle die selbe Richtung, alle mit 4 Rädern und Startnummer statt Kennzeichen: Es ist Rallye! Und zwar Gruppe N, soweit ich das erkennen kann. Und der Col de Turini als legendäre Rallye-Etappe ist eine Wertungsprüfung, und damit für den allgemeinen Verkehr gesperrt - also auch für uns. Obwohl wir sie zumindest bergauf vermutlich nicht aufhalten würden.
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Wünsche viel Spaß!
Aber den Rallye-Sport respektiere ich und darum diskutiere ich da auch nicht mit dem Streckenposten oder mogle mich durch und versaue womöglich jemandem seine Wertungsprüfung und gefährde damit die gesamte Veranstaltung. Wäre ich stinkreich, hätte ich vermutlich auch noch ein bis fünf Rennfahrzeuge für diesen Zweck. So müssen wir umplanen, und ich werfe ein paar Wegpunkte raus und dafür einen neuen einen Wegpunkt auf dem Weg zur Verdon-Schlucht rein.

Es geht zunächst zurück über den Berg von gestern Abend - wenn man es nicht eilig hat, genießt man das gleich viel mehr. Dann aber geht es nach links in eine Schlucht mit rundum roten Felsen, teilweise auch Tunnels. Die Straße ist dabei breit, mit frischem Rennstreckenasphalt ausgebaut, es ist wenig Verkehr, und die paar Autos fahren teilweise sportlich, machen aber alle innerhalb von Sekunden Platz. Man fährt sich schwindelig und hat noch was zu gucken. Und das war ein Zufallsfund! Frankreich!
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Zufallsaussicht zwischendurch
Weiter geht es auf dem geplanten Teilstück entlang der Verdon-Schlucht. Hier geht es nahezu ununterbrochen links-rechts-links-rechts-links-rechts-links-rechts-links-rechts-usw., größtenteils im dritten Gang, also ohne groß zu bremsen. Hellgrauer Fels. Immens tiefe und breite Schlucht. Viele Touristen. Aber auch hier kommt man vorbei und hat noch Zeit zum Gucken.
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Wie fotografiert man eine Schlucht? Von oben?

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Von unten mit Fischaugenlinse??

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Von unten mit Fischaugenlinseim Hochformat???

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Wer von oben zu nah ran geht, auf den warten jedenfalls die Geier
Die ganzen Kurven und das ständige Bedürfnis anzuhalten zehren aber an der Ausdauer, und so rasten wir mittags mal etwas länger: Eis essen und danach noch Einkaufen für das Abendessen.
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Und eine 2015er Versys 650 aus der Schweiz gucken
Aus der Schlucht hinaus geht es auf unseren nächsten großen Streckenabschnitt: Chevennen, Teil 1. Davor steht zunächst eine Transit-Etappe. Wir fahren ziemlich exakt Richtung Westen und wollen Strecke machen. Hierfür haben wir Wegpunkte auf Parallelstrecken zu den Bundesstraßen bzw. Autobahnen gelegt. So fährt man dann auch mal 30 Minuten zwischen ganzen Feldern voller verblühter Sonnenblumen her. Das erinnert irgendwie schon wieder an einen Horrorfilm, aber irgendwo müssen die ganzen Sonnenblumenkerne ja herkommen. Nicht vergessen: Frankreich ist in weiten Teilen ein Agrarstaat (mit einer sehr gut aufgestellten Bauernlobby).

Ein Zeltplatz findet sich aber entgegen unserer Befürchtungen auch hier. Abends plaudern wir noch nett mit einem britischen Pärchen, das gemeinsam 150 Jahre alt ist. Die beiden verbringen so viel Zeit wie möglich in Frankreich und Spanien und haben gemeinsam viel erlebt, inkl. Hobbyfliegerei. Glücklich alte Menschen nehmen mir die Angst vorm Altwerden - sehr entspannend. Und britischer Humor ist einfach super. Da nachts Sturm angekündigt ist, bieten sie uns einen Schlafplatz im Vorzelt ihres Caravans an. Wir bedanken uns reichlich, aber trauen erstmal unseren Zelten.

@Bericht
Ich hatte Tag 13 falsch verortet. Habe die Passnamen korrigiert und die Tagesroute verlinkt. Dafür gibt's morgen richtig Action zu berichten :)

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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#39 Beitrag von everyday »

Ja die Brits, einzeln viel angenehmer als des gesamten Volkes Ruf.
Ich liebe den Humor der Briten auch, besonders die reiferen Jahrgänge überraschten mich stets mit einzidartigem Humor, ihre Gastfreundschaft ist beeindruckend.
Wenn einer eine Reise tut, dann hat er was zu erzählen, bitte weiter so. :jubel: Yiihaa
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Re: Jahresurlaub 2015 - Jahrestreffen, Dolomiten, Frankreich

#40 Beitrag von blahwas »

Tag 17, So 13.9.
Transit, Cevennen
Die Nacht verläuft zunächst ruhig und ist die bisher wärmste (bzw. am wenigsten kalte). Gegen 3 Uhr morgens beginnt aber tatsächlich ein heftiger Sturm und die Zelte verbiegen sich. Es geht aber nichts kaputt oder auf, und keiner von uns wir ernsthaft nass, außer durch fahrlässiges Berühren der Zeltwände. Morgens schauert und gewittert es noch ein wenig, aber der Horizont zum Westen hin ist hell. Wir bauen also in einer Regenpause ab und machen uns auf den Restwestweg.

Der Start erfolgt bei Schauerwetter. Ich fahre Membran, Markus fährt Regenkombi. Eine Regenkombi zu tragen verhindert zuverlässig Dauerregen, stattdessen schwitzt man sich tot. Danke, Markus! Unsere Route führt uns in großem Bogen nördlich an Avignon vorbei. Die Wolken reißen auf. Hinter einer einsamen Strecke, wo wir am Wegesrand eben noch gefrühstückt haben, wird es plötzlich sehr heiß. Das Thermometer der BMW zeigt 26° - Zeit zum Ausschälen. Ich finde eine geeignete stelle zum Halten im Schatten und wir ziehen alle unteren Schichten aus. In Sichtweite steht ein "Col de irgendwas - overt" Schild und wir witzeln noch, gleich frieren wir wieder. Aber was kann es hier schon für großartig hohe Pässe geben? Klamotten verstauen und ab dafür!

Wir überholen bergauf einen Radfahrer nach dem anderen. Es wird frischer. Die Vegetation verändert sich. Es geht weiter bergauf. Immer wieder "overt"-Schilder. Wir sehen, dass der Gipfel in den Wolken liegt, und dann da oben irgendwas weiß aussieht - wie hoch ist dieser Pass denn bitte? Irgendwann tauchen wir in die Wolken ein - natürlich frieren wir längst, und tasten uns den Berg weiter hoch. 1900 Meter. Das ist wohl der Preis der Hochnäsigkeit. Was uns zu denken geben hätte sollen: Wenn es in Südfrankreich Pässe gibt, die "overt" sind, die also auch geschlossen sein können, dann MÜSSEN die hoch sein.

Der Pass ist im Bereich mit Sichtweiten über 100 Meter sehr spannend zu fahren mit viel Abwechslung und Aussicht. Kaum zu glauben, dass man das Mittelmeer nicht sehen kann. Sollte man einbauen, wenn man in der Nähe ist! Mehr Radfahrer als Autos, aber selbst an diesem Sonntag keine Störung für den persönlichen Flow. Die ergibt sich eher durch Schotter und Tannennadeln auf der Strecke - macht aber nix, denn das sind nur einzelne Flecken, das arbeiten die Reifen einfach weg.

Im Folgenden führt die Transitstrecke durch ein paar Orte und Gewerbegebiete. Aber auch das macht aber nichts, denn nicht nur dass heute Sonntag ist, nein, die Franzosen bauen ja auch lieber sehr große Kreisverkehre als Ampeln und halten nicht viel von Tempolimits und Überholverboten. Selbst da, wo sie stehen, werden sie allgemein nicht beachtet. Man kommt also sehr gut vorwärts mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit, die deutschen Bundesstraßen entspricht - ein erfrischender Kontrast zu deutschsprachigen Alpenländern.

Irgendwann erreichen wir die ersten Ausläufer der Cevennen. Die Cevennen gehören zum Zentralmassiv und sind eine abgelegene, wenig besiedelte Gebirgsregion zwischen 1000 und 1700 Höhenmetern. Es gibt sehr große unbewohnte und unerschlossene Hochebenen. Wir tanken nochmal voll und einigen uns, in einer Stunde einen Zeltplatz aufzusuchen. Dann geht es hoch in die Berge, auf einem schmalen und kurvigen Weg. Er hat zwar eine Mittellinie, aber viel mehr als unsere beiden Moppeds würden nicht aneinander vorbei passen, ohne dass einer ins Gras ausweichen muss. Anscheinend gab es kürzlich ein Unwetter, denn es liegt Sand an einigen Stellen. Weiter oben am Berg werden diese Stellen häufiger, und statt Sand liegen da Steine und zwar gar nicht so wenige.
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Zählt sowas schon als Erdrutsch?
Ich denke mir noch, gut dass ich Sportreifen aufzogen habe, und keine Rennreifen, denn ich komme ganz gut klar. Erstaunlichen Grip auch bei weiter aufgezogenem Gas über diesen Stellen. Aber wo bleibt eigentlich Markus? Und warum taumelt mein Motorrad so? Ist das Wind? Oder läuft die Fahrbahn schräg und ich kriege es nicht mit?

Markus taucht und taucht nicht auf, also drehe ich um. Ich sehe ihn stehen und sein Motorrad parkt dabenen. Er sagt: "Ich habe einen Platten!" - ohne groß nachzudenken komme ich drauf - "Ich glaube ich auch" - ein Blick seinerseits nach unten, "Jo, hasta". Tataa: 2x platte Hinterreifen.
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Immerhin, auf der Versys merkt man es später (mangels Reifendruckkontrollsystem)
Straßenreifen mögen eben keine spitzen Steine. Ich habe einen 1 cm Schnitt, und bei ihm steckt ein Stein in der Läuffläche. Wir befinden uns auf einer echt einsamen Strecke mit links Wald und rechts Wald, kein Haus in Sicht, und wenn da eines wäre, dann hätte es sicherlich keine Hausnummer.

Wir erwägen unsere Optionen:

1. Selbsthilfe
Ich habe zwar Flickzeug dabei und einen Kompressor, aber der Kompressor himmelt meine Sicherung und das Flickzeug reicht vermutlich nicht für diese größeren Einfahrverletzungen, besonders nicht an zwei Motorrädern.

2. Weiterfahren zu Unterkunft
Die Motorräder fahren zwar noch, aber nach 200 Metern geben wir auf, das taumelt zu sehr.

3. Hier helfen lassen
Markus ruft also seinen Schutzbrief - ich meinen nicht, denn der eine kann sich ja um beide kümmern, und ich reiche dann halt die Rechnung ein. Das erscheint aktuell einfacher, als wenn sich zwei verschiedene Versicherungen koordinieren sollen.

Die Meldung an den Schutzbrief gestaltet sich schwierig. Einerseits hat man abwechselnd Handynetz oder kein Handynetz, andererseits ist der Ort recht schwer zu beschrieben. GPS-Koordinaten werden nicht nur nicht abgefragt, sondern auch noch nicht aufgenommen. Stattdessen dann halt D2150 nahe Saint-Martin-Sur-Chalette. Bitte buchstabieren Sie. Haben Sie eine Hausnummer?

Zunächst ist die Stimmung gut, wir starten das Abendessen und teilen uns ein Bier. Der Himmel ist rundum Dunkelgrau. Uh-Oh. Nach 40 Minuten beginnt es zu regnen. Nach 1h ruft Markus erneut den Schutzbrief: Der Pannenhelfer hat den Auftrag bestätigt. Es regnet stärker. Bier ist alle. Nach 2h regnet es sehr stark, rundum läuft Wasser aus dem Wald braun über die Straße, wir tragen Regenkombis und harren der Dinge. Seitdem es regnet, hält jedes Auto und fragt, ob man uns helfen kann. Wir verweisen auf den Pannenhelfer, der unterwegs ist und lehnen dankend ab. Der Schutzbrief weiß nicht was los ist.
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Könnte ruhig mal aufhören zu regnen...
Nach 2,5h, immer noch Starkregen, ich mittlerweile durchnässt, beginnt es zu dämmern - ich beschließe, wir müssen hier weg, sonst übernachten wir noch hier, der Abschlepper kommt ja offensichtlich nicht. Autos kommen inzwischen keine mehr vorbei - Motorräder ohnehin nicht. Fahren wird irgendwie gehen, am besten bergab, das ist leichter für die Moppeds und da wohnen tendenziell auch mehr Leute. Wir satteln die Moppeds und schleichen auf mittlerweile völlig platten Hinterreifen in Schrittgeschwindigkeit bergab und halten an jedem Haus, das wir finden.

Haus #1 hat noch Licht, liegt aber 10 Meter unterhalb der Straße. Es ist niemand zu sehen. Die Grundstückszufahrt wird von einem reißenden Strom blockiert, der am linken Rand den bodenlosen Hang hinab rauscht. Das zu überqueren ist zu Fuß wie auf dem Motorrad nicht ohne und das Risiko nicht wert. Weiter.

Haus #2 hat einen Briefkasten an der Einfahrt, aber die Einfahrt ist unfassbar weit. Nach 2 Minuten Fußweg gebe ich auf. Es hat keinen Sinn, im Dunkeln einen undefinierbar weiten Weg zu laufen, den man auf dem Motorrad ohnehin nicht fahren kann. Geschweige denn wenden. Mit den platten Reifen kann man die Motorräder kaum schieben, und zum wenden ist der Weg auch zu schmal. Und ob der Weg durchgehend asphaltiert ist weiß auch keiner.

Haus #3 bewohnt offensichtlich ein Bauer, es brennt noch Licht. Er versteht uns zwar nur mühevoll und wir ihn kaum, aber er versteht unsere Lage und ist sofort hilfsbereit. Die Motorräder landen in seiner Garage, die eher ein Tierstall ohne Tiere ist. Jedenfalls ist der Boden unbefestigt mit tiefen schlammigen Pfützen. Er kennt eine Herberge in der Nähe - zwei Kilometer. Er telefoniert vorab zur Klärung und fährt uns dann mit seinem Auto hin. Wir sind sehr erfreut und dankbar ohne Ende. Klitschnass wie wir sind beschlagen die Scheiben im Auto innerhalb von 10 Sekunden und ich sehe auf dem Beifahrersitz echt nichts mehr - was den Fahrer nicht weiter stört. Er setzt uns 5 Minuten später präzise 50 cm neben der Eingangstür der Herberge ab, 2 km weiter den Berg hoch. Es regnet immer noch stark und so huschen wir so schnell wie möglich rein.

Die Herberge wird von einem Pärchen betrieben und sie haben noch ein Doppelzimmer für uns frei. Es gibt auch Abendessen für uns und wir können aus den nassen Sachen raus und duschen. Große Erleichterung. Und die Krönung: Sie spricht ziemlich gut Deutsch, und es sind weitere deutsche Gäste anwesend. Wie wahrscheinlich ist das bitte?

Zwischenzeitlich hat Markus den Schutzbrief erreicht. Er kann nicht kommen, weil die Zufahrt zur Straße blockiert ist durch einen Erdrutsch. Angesichts der 2 Stunden Starkregen und der Gewitter, die wir gerade erlebt haben, kein Wunder. Der Fahrer will es morgen früh um 10 nochmal versuchen. Wir sind gespannt. Adventure!

Man serviert uns Abendessen, wir hängen unsere nassen Sachen (also ungefähr alles) auf sämtlichen Stühlen im Speisesaal auf, und dann gehen wir aufs Zimmer. Es ist riesig und hat ca. 5 Meter Deckenhöhe. Die Wände sind 1,20 Meter dick. Ich schätze das Alter der Behausung auf 200 Jahre. Knapp daneben, es sind 1200! Die Cevennen sind für ein Wetterphänomen bekannt: Feuchte Luft vom Atlantik trifft auf trockene Luft vom Mittelmeer, und das Ergebnis sind heftige Regenfälle - es gibt jedes Jahr Tote in den Tälern, wo das Wasser zusammenläuft. Da haben wir uns ja etwas ausgesucht. Na dann, gute Nacht. Unsere erste Nacht im Bett in Frankreich wegen der Umstände, aber bei Regen wollten wir ohnehin nicht zelten. Heute haben wir gut was erlebt und schlafen sehr gut.

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