Tag 16, Fr 10.06. - Champs, Allons, Vars, Izoard, Galibier, Telegraphe
Heute geht es in einem Rutsch nach Norden. Ja, das ist der Beginn der Rückreise. Ich halte mir als Luxus den Sonntag frei, sprich, ich will schon Samstag daheim sein. M+M wollen Samstag noch einen schönen Fahrtag in den Vogesen machen und Sonntag heim. Immerhin ist heute Kaiserwetter.
Mit dem Zeltplatz direkt am Pass hat man das Privileg, sehr früh am Pass zu sein, heute also am dem Col de Champs. Den Tag direkt mit einem Pass zu beginnen ist echt erhebend. Sehr empfehlenswert! Morgens findet man allerdings auch Murmeltiere und die Steinabgänge der letzten Nacht. Ich halte an, um einen besonders dicken Stein wegzuräumen, der sonst einen Motorradfahrer bergab in einer blinden Rechtskurve überrascht hätte. Damit wäre die gute Tag des Tages abgehakt und ich kann mich wieder dem fröhlichen Pässeblasen widmen. Der Col de Champs war mir kein Begriff, hat aber sehr epische Aussichten an der Südostseite und ordentlich Straßenbreite und -zustand. Mit 2045 m auch nicht flach. Wir zwar nicht ganz die ersten, aber hey. Das alles bei Sonnenschein.
schöne Aussicht
kleine Rast
Blahwas Express Fotoservice
Guter Start in den Tag. An der Nordwestseite fährt man dann durch den Wald, die Strecke wird holprig und enger, und man fährt teilweise über Ablaufrinnen – wo ich jedesmal meine Packrolle in den Rücken gehämmert bekomme. Da darf gerne Michael vor fahren, der längs mehr Platz auf seiner Großenduro hat.
Unten im Dorf Colmars ist eine für Manuel besonders interessante Tankstelle, denn die nächste käme erst in 80 km. Außerdem ist hier Markt, wir decken uns zum Frühstück ein. Am Rande einer Wiese mit Spielplatz finden wir Bänke, wo wir dann auch gleich unser Frühstück verzehren. Sehr gute Laune heute!
Danach geht es etwas nördlich zum nächsten Pass, dem Col d'Allons (2247 m), der nur ein Auto breit ist, und wo ein K1600GT-Fahrer mit umherfotografierender Sozia so lange so tut als wäre ich nicht hinter ihm, bis ich mal kräftig den Motor aufheulen lasse - da zuckt er zusammen. War er womöglich tatsächlich so blind, mich und die anderen beiden hinter ihm nicht gesehen zu haben, statt nur so getan zu haben? Und das mit französischem Nummernschild... Immerhin lässt er mich jetzt durch. An der Passhöhe geht man sich aus dem Weg und wir genießen die Aussichten getrennt.
Und dann parkt der auch nicht in der Aussicht...!
Nach der Abfahrt wird wieder etwas Strecke gemacht, durchs Tal nordwärts durch Barcelonette, wieder über den Col du Vars (2108 m), dort rasten wir auf ein Eis (3,60 Euro), ...
Hier kann man's aushalten.
und schon sind wir wieder auf die Route de Grande Alpes und fahren den Col d'Izoard hoch – hoffentlich heute mal offen. Jawoll! Hier ist es echt noch ein Stück schöner als auf allen anderen Pässen, die Strecke noch abwechslungsreicher. 2360 m sind auch nicht zu verachten.
Aussicht mit schöner (ja!) Versys
Siegerpose
Auf der Abfahrt macht Michael Posingfotos von uns. Die müsst ihr euch jetzt leider anschauen.
Whiteknight?
Synchronposen
Extragrip dank Zylinderschleifer
Irgendwann habe ich genug und mache Pippipause. Bei der Hitze heute trinke ich wieder mal wie ein Loch. Kaum bin ich aus dem Gebüsch zurück am Motorrad, schon stehen da zwei weitere und quatschen mich an: Spontanes MO24-Treffen! Hackstueck und Standard94 sind gerade auf der Durchreise von Nord nach Süd, Hackstueck ist meine Versys aufgefallen. Großes Hallo und fleißiger Austausch, dann erscheinen auch mal M+M, die inzwischen mit Posen fertig sind, mich vermissen, und es wird ein Fünfer-Treff.
Einfach mal 1000 km von daheim zufällig Internetbekannte treffen
Leider fahren wir in verschiedene Richtungen, sonst hätte man das noch vertiefen können. Aber cool, sich einfach so so weit ab der Heimat zu treffen! Den Reisebericht von Hackstueck und Standard94 gibt übrigens
hier zu lesen.
Als wir gerade starten wollen ziehen vier Power-Naked-Premium Bikes vorbei, BMW S1000R und sowas, Fahrer in Leder, turnen in jeder Kurve rum, kein Gepäck dran. Mal gucken was da geht! Aufholen geht nur schwerlich, aber dranbleiben geht. Mit einer vollgepackten Versys 650. Kleines Erfolgserlebnis zwischendurch
Als nächstes auf der Route fahren wir den Galibier hoch, mit dem haben wir auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Wir haben Glück – die Passhöhe ist inzwischen geräumt. Statt durch den Tunnel fahren zu müssen erleben wir die erhabene Passhöhe (2642 m). Die völlig verstopft mit Sportwagen ist. Beim Beweisfoto kommt der Verkehr endgültig zum Erliegen, aber wer's eilig hat, nimmt eh den Tunnel.
Viel schöner wird's nicht...
Viel cooler auch nicht!
Und Motorradfahren kann man hier auch prima.
Bergab genießen wir noch Panorama und überqueren den Col de Telegraphe (1566 m) erneut, wo wir auf der Passhöhe eine kurze Pause machen. Eine große Gruppe Schweizer Motorradfahrer bzw. Motorradfahranfänger mit roten Neonhelmen haben wir bisher geschickt umgehen können – bisher im ganzen Frankreich-Abschnitt noch kein Stress mit Gruppenüberholmanövern. Dann kommen zwei Französische Supermotos an, KTM 690 SMC R und Husqvarna 701 SM, Fahrer in Lederkombis, null Gepäck, halten kurz, quatschen miteinander, anscheinend haben sie gerade etwas sehr heiteres erlebt. Dann zieht die Schweizer Gruppe vorbei, und die beiden flippen vor Freude fast aus. Gegenseitiges Annicken, und dann geht’s wieder los für die zwei. Und ich war nicht dabei. Anfänger ärgern ist ja an sich uncool, aber Schweizer und Premiumbiker ärgern wiederum irgendwie cool. Supermoto fahren ist cool, Pässefahren ist cool, Supermoto auf Pässen fahren ist vermutlich mit Sex nicht zu ersetzen, und wenn man dabei noch Schweizer Premiumbiker ärgert, wer bin ich, mich darüber zu mokieren? Wir lassen den Schweizern Vorsprung und starten 5 Minuten später. Ein Münchener Premiumbiker ist von der rechten Seitenansicht meiner Versys sehr fasziniert, vielleicht versucht er die Fußraste von der Seite zu fokussieren. Das ist nicht so einfach, denn wäre sie nicht einklappbar, würde sie als feststehende Klinge in manchen Ländern unter irgendein Waffengesetz fallen. (Außerdem wäre ich dann vermutlich schon lange tot.)
Nun lautet unser Tagesbefehl: Strecke machen nordwärts! So können M+M morgen noch Vogesen fahren, und ich habe es weniger weit nach Hause. Es wird dann ein Zeltplatz an einem See zwischen Grenoble und Annecy, der mit vier Sternen ausgezeichnet ist. Als wir um 18:20 ankommen, ist die Schranke schon zu, wie kommen wir denn jetzt rein? Eine Frau auf einem Fahrrad spricht uns an, sie arbeitet hier und wir gehen den Anmeldeprozess durch. Eigentlich wollten wir eine Hütte für drei oder einen Wohnwagen zur Feier des Tages, und weil Regen angesagt ist, aber wir bekommen nichts – es ist schon ausgebucht. Es fällt mir etwas schwer das zu glauben, aber wir nehmen es hin und bleiben hier. Mit drei Zelten müssen wir für zwei Parzellen bezahlen, obwohl auf einer reichlich Platz wäre. Ich habe den Eindruck, wir sind nicht wirklich willkommen. Auch der verdichtete Boden ist selbst mit Hartbodennägeln und einem dicken Stein schwer zu bezwingen – Zelte sind hier wohl nicht Hauptklientel. Immerhin gibt es in der Nähe die Möglichkeit essen zu gehen. Nach dem Zeltaufbau bekomme ich noch eine Duschmarke geschenkt, die ich benutze zur Feier des Tages, und dann ziehen wir also los. Im Pizza-Restaurant in 10 Minuten Fußentfernung ist man gerade am saubermachen, obwohl der Laden eigentlich noch 45 Minuten offen haben sollte. Gäste sind auch keine da. Wir ziehen weiter und finden ein uriges Restaurant an der Hauptstraße mit reichlich Franzosen drin. Es spricht niemand Englisch, das macht aber nichts, wir können inzwischen halbwegs funktionales Touristenfranzösisch und die Karte ist mehrsprachig. Außerdem läuft Fußball EM! Frankreich gegen Rumänien. Der Laden ist einigermaßen voll, wir sind die einzigen Ausländer, manche haben die Nationalfarben ins Gesicht gemalt, aber besonderen Aufstand wegen des Spiels macht niemand. Bei Toren Frankreichs klatschen wir mit, gesungen wir in Summe eine Minute, am Ende gewinnt Frankreich – und das Essen schmeckt richtig gut. Auch das Bier rinnt die Kehlen runter, heute mal pur für mich, es war kein Radler zu kriegen.
Lecker!
Zurück am Zeltplatz schleppen wir eine Bank zu den Zelten und sichten wir die Fotos aus den Digicams, Handies und meiner Gopro mittels Laptop – gerade letztere sorgt immer wieder für Erheiterung, etwa einmal am Tag wird jemand beim Erleichtern erwischt
Dann geht’s ab ins Zelt und Gute Nacht!