Sa 13.7. Bayerisches Voralpenland (Ost) und Salzburger Land
Heute ist Regen angesagt, und abends wieder das gleiche Hotel. Auf das Wetter kann man als Passknacker auf Mission leider keine Rücksicht nehmen. Naja, könnte man schon, aber dann muss man eben "irgendwann anders" die Punkte im südöstlichsten Eck Deutschlands holen. Da ich auch noch den Bayerischen Wald und die Schwäbische Alb "irgendwann" ab Mitte September für den Landespreis "Alle Passknacker in Deutschland" holen muss, ist mir das zu riskant, also gibt's heute halt eine Regentour. Manuel ist raus, das ist ihm zu derb. Die Route hatte ich so geplant, dass ich auf schnellstem Wege per Autobahn nach Salzburg fahre, und dann von Ost nach West mich immer weiter an den deutschen Punkten entlang hangle, bis ich entweder alle habe, oder bis ich abbreche. Dann geht's per Autobahn zurück, mit einer kurzen Unterbrechung für den Punkt Hochberg, der genau an der A8 liegt. Aber weil heute Samstag ist und ein Ferienwochenende noch dazu, ist Großalarm auf der Autobahn Richtung Süden angesagt, inklusive gesperrter Ausfahrten: In Österreich mag man keine Staus in Ortschaften durch Autofahrer, die versuchen, den Autobahnstau zu umfahren, also steht die Polizei an Ausfahrten und schickt alle wieder drauf, die sie für Transitverkehr halten. Ich habe absolut keine Lust auf solche Diskussionen, und habe auch keine amtlich beglaubigte Bescheinigung, dass ich in einem Hotel in Obertauern bin und nicht nur ein Durchreisender nach Italien. Also drehe ich die Route einfach um: morgens bis zum westlichsten Punkt per Autobahn, und dann alle Punkte knacken. Damit nehme ich mir die Option, elegant abkürzen zu können, aber das habe ich ja ohnehin nicht vor. Stattdessen gucke ich mir mal auf Karte interessiert die Passknackerpunkte östlich von Salzburg an - so habe ich eine Option zur Verlängerung, wenn mir die 430 km nicht reichen.
Von Obertauern runter fährt man 20 km Bundesstraße und kommt gut voran, dann geht's auf die Autobahn, wo der Verkehr zu 99% fließt. Der versprochene Regen ist da, aber immerhin kein Starkregen und kein Sturm. Heute dürfen keine LKW fahren, was die meisten Autofahrer aber nicht mehr merken. Die rechte Spur ist trotzdem nur für LKW. Am Grenzübergang gibt es 5 Minuten Stau (für mich), denn die Polizei steht auf der deutschen Seite, guckt in jedes Auto rein und leitet alle Transporter/LKW ab. Durch das Geschleiche werden tatsächlich meine Handschuhe feucht, vorher haben sie die Griffschalen trocken gehalten. Aber dafür gibt's ja Heizgriffe. Die Regenkombijacke funktioniert, die Regenkombihose nicht so sehr: Nach einer Stunde habe ich einen klammen Hintern, obwohl ich noch einen Membrankombi drunter habe. Das ist enttäuschend, aber immerhin nicht komplett nass und nicht allzu kalt. Der Hochberg liefert dann einen willkommenen Anlass, die Autobahn zu verlassen, wenn auch nur für 15 Minuten. Das war übrigens mein erster Passknacker überhaupt.
45 km später endlich der nächste Punkt. Er heißt Samerberg / Luitpoldeiche und ist ein Aussichtspunkt.
Dabei ist eine Ortsdurchfahrt, und ich kann mich schon mal an den Verkehr auf dem bayerischen Land gewöhnen: Alle sind so anständig, dass es keine Polizei und keine Blitzer braucht. Autos älter als 5 Jahre sind nicht erlaubt. Deutsche Marken und SUV sind Pflicht. Viele Fahrschulen. Ich komme gut voran. Zum nächsten Punkt "Waldbichlpass" geht es genau südlich. Nach meinem Kartenmaterial liegt er eigentlich auf der Österreicher Seite der Grenze, zählt aber beim Passknacker zu Deutschland. Pässe, die Grenzübergänge sind, kann man immer so oder so sehen. Dann parkt man mal ein wenig auf der einsamen Straße hier am Ende der Welt... und dann kommt natürlich nach 10 Sekunden das Postauto angefahren.
Jetzt geht's weiter durch Austria, weil es auf der deutschen Seite keine geeignete West-Ost-Verbindung gibt. Den Österreicher Punkt Klobenstein hole ich mir noch als kleines Leckerli, weil er nur 8 km Umweg kostet und weil ich keine roten Marker in meiner Passknackerkarte mag
Die Grenzübergänge nach Deutschland sind alle voll mit Urlauberverkehr. Man sieht deutsche Nummernschilder aus der ganzen Republik, und ich treffe gefühlt halb NRW. Aber auch Benelux und Skandinavien sind vertreten - dabei gäbe es doch eigentlich attraktive Autoreisezug-Verbindungen ab Hamburg und Düsseldorf für sie. Vielleicht sollte man dafür mal Werbung machen, statt die Polizei Autobahnausfahrten bewachen zu lassen? Nur so 'ne Idee. Ich fahre Motorrad und gewöhne mich an die Feuchtigkeit.
Ab Reit in Winkl bin ich wieder auf deutschen Straßen unterwegs, nehme den Masererpass und einen Abstecher zur Winklmoosalm mit. Ich bin übrigens nicht der einzige, der nicht gerne nass wird.
Ich befinde mich nun auf der deutschen Alpenstraße und habe reichlich PKW vor mir. Es gibt immer Leute, die gerne 50 bei erlaubten 100 fahren wollen oder die mit ihrem Wohnmobil nicht die Steigungen hochkommen. Überholen geht zwar immer mal wieder, macht aber wenig Sinn, weil weiter vorne gleich die nächste Kolonne fährt. Einmal lande ich beim Wiedereinscheren in einem langen Linksbogen auch mit dem Vorderrad auf einem längs und nach außen verlaufenden Bitumenschmierstreifen und erschrecke ganz gewaltig. Ansonsten verhalten sich die im Trockenen etwas farblosen Roadtec-01 im Regen aber recht robust, wenn auch nicht ganz so genial wie die CRA3: Nach einer Pinkelpause sind die Reifen immer noch nass. Der CRA3 hätte sich in einer Minute Standzeit selbst getrocknet, weil er so viel Temperatur aufbaut.
Die nächsten Passknackerpunkte sind Abstecher von der Alpenstraße, z.B. Jochberg und Steinpass. Letzterer ist wieder ein Grenzübergang und hat noch dazu eine Baustelle (wo gerade nicht gearbeitet wird) mit Wechselampelschaltung und entsprechend Kilometerlangem Rückstau. Da hat der Motorradfahrer Vorteile. Ich werde noch Zeuge, wie ein Österreicher Autofahrer aussteigt, um einem Österreicher Motorradfahrer ordentlich die Meinung zu geigen. Auf sowas habe ich keine Lust. Da warte, ich bis der Gegenverkehr endet und lasse das alles hinter mir. Zurück auf der deutschen Alpenstraße liegt dort bald ein Passknackerpunkt mit hohem Hauptwortwurstalarmfaktor, der Schwarzbachwachtsattel. Berchtesgarden wird auf meiner Passknackerroute elegant umfahren durch "Hochschwarzeck" und "Im Rostwald", was eine durchaus schöne Strecke ist. Mittlerweile hat auch der Regen aufgehört. Und dann bin ich auch schon fast fertig mit dem Pflichtteil. Wenn man auf der B999 fährt, dann ist man bald am Obersalzberg, darf wieder Maut bezahlen, und zwar im übrigens blödesten Verfahren, dass ich bisher erlebt habe: Parken, Absteigen, Regensachen öffnen, am Parkautomaten Ticket kaufen (5 Euro), Aufsteigen, zur Schranke fahren, Ticket irgendwo wieder hervorzaubern, und dann kommt's: Ticket wieder abziehen, durch die Schranke fahren, irgendwo und irgendwie Ticket (als Quittung) einstecken und sich wieder wasserdicht anziehen, weiterfahren. Immerhin bin ich hier und heute der einzige Mensch weit und breit, also halte ich niemanden auf. Die Rossfeldstraße ist beeindruckend und vielleicht auch die einzige nennenswerte Kammstraße in Deutschland. Wenn man auf Wolken herabblickt, fühlt sich das auch sehr erhaben an.
Ich schieße mein Nachweisfoto und lade alles beim Passknacker hoch, und zu prüfen, ob ich auch wirklich alle habe. Ich habe wirklich alle. Super! Jetzt geht's an den Heimweg. Der direkte Weg wären 90 km, davon das meiste Autobahn, aber auf Autobahn habe ich keine Lust, wegen der hohen Wahrscheinlichkeit von Stau und möglichen Diskussionen mit der Polizei an den Ausfahrten. Also "Autobahn vermeiden" ins Navi. Ich wäre 15:30 wieder am Hotel, was mir zu früh ist, also baue ich weitere Passknackerpunkte zwischen Salzburg und Obertauern in die Route ein. So komme ich auf 160 km und 3 Stunden Fahrzeit - das passt doch!
Bei Bad Dürrberg gibt es einen kleinen Grenzübergang. Danach kommen längere Ortsdurchfahrten, und ich habe wieder etwas Touristenverkehr. Ich laufe auf eine Vierergruppe S1000XR aus Benelux auf, die anscheinend gerade anreisen. Da fahre ich eine Weile mit, bis mir das zu langsam (und chaotisch) wird, denn Ortsschilder kennen sie wohl nicht so richtig, sind aber zaghaft beim Überholen. Ich schnappe mir die Punkte Putzenbauer und Pass Lueg. Bei letzterem ist das Fotomotiv knapp hintern Tunnelportal auf der Kurveninnenseite. Das macht das Wiedereinfädeln etwas pikant. Praktischerweise hört man aber sehr gut, ob ein Fahrzeug im Tunnel ist oder nicht. Danach geht's über Abtenau östlich, und dann per Schwaigweg südlich. Hier wird's dann pittoresk. Es sieht sehr nach Nebenstrecken im Schwarzwald aus. Da kann man durchaus gut Motorrad fahren: Landschaft, Kurven, wenig Verkehr, wenig Ortschaften. Und leider auch eine Strecke mit 1000 frischen Flicken mit Schotter drauf.
Dann fahre ich wieder ein paar Kilometer parallel zur A10, und dann in einer Schleife um Radstadt via Filzmoos, Mandling und Löbenau. Hier hat man auch die ganz hohen Berge mit Schnee drauf im Blick, und nach jeder Abzweigung ins nächste Tal anderes Wetter: Regen, Wolken, Sonnenschein. Die Temperatur schwankt auch, aber dank feuchter Regenhose und innen trockener Regenjacke mit reichlich Lagen drunter kriege ich das nicht mit, ich bin heute meine eigene Klimazone. Ich sehe aber, dass die Spiegel immer mal wieder beschlagen, und auch das Helmvisier möchte Zugluft auf der Innenseite. Statt Brille habe ich in weiser Voraussicht Kontaktlinsen an.
Dann geht's die B99, quasi Hausstrecke für einen Tag, wieder nach Obertauern hoch. Hier kann man frisch und frei fahren, fast alles ist Tempo 100. Den Autos ist es zu steil und so kann man kurzen Prozess machen, besonders ohne Gepäck auf dem Motorrad. Ich bin 17:45 wieder zurück und hole endlich auch den Passknacker in Obertauern selbst.
Im Hotel angekommen dürfen Stiefel, Handschuhe und die Regenhose dann in den Skiraum, auf dass sie morgen früh trocken und mollig warm sein mögen. Das Leder wird danach dann auch irgendwann wieder gefettet, versprochen. Manuel kommt von seiner 350 km Runde deutlich nach mir zurück. Beim Abendessen werden wir wieder verwöhnt, aber nicht gestopft. Gut so! Manuel und ich begießen den letzten gemeinsamen Abend, denn ich reise morgen ab, bzw. weiter.
Ich hatte heute 495 km und hätte noch mehr fahren können.