04.07. Katalonien und Schotterwunderwelt
heute habe ich mir eine Schotterstraße als Extra vorgenommen, die ich schon letztes Mal machen wollte. Die gehört zwar nicht zum Landespreis, hat aber 3 Pässe Typ XXX und 3 zur Landeswertung, und es passt mir besser in die Routenplanung, als die Straße von beiden Seiten jeweils nur ein Stück zu fahren. Ansonsten gibt es noch ein Hotel in einer Kleinstadt am Ende, und wenn nach der Siesta noch Zeit ist, liegen 3 Punkte im Osten, die aber 40 km extra wären, wenn ich sie heute Abend noch fahre.
Auf geht's zum Coll de la Trava und weiter zum Coll de Bancs. Hier kommen gute Erinnerungen an den letzten Pyrenäenurlaub auf. Malerisches Bergdorf am Wegesrand gefällig?
Knapp vorm zweiten Punkt habe ich jedoch ein ziemlich blödes Gefühl: Ein Teil von mir möchte sehr dringend auf ein WC. Eins zum sitzen. Mit viel Klopapier. Und ich bin hier mitten im Nirgendwo unterwegs. Okay, Google Maps raus, natürlich hat man Netz am ADW, ist ja nicht Deutschland, im nächsten Dorf gibt's eine Bar und die hat sogar auf! 3 km, das halt ich noch aus. Im Bergdorf kosten die Seitenstraßen dann Überwindung, weil sie super schmal und steil sind. Wenden will ich hier nicht, und dass ich dringend auf den Thron muss hilft auch nicht. Die Bar gibt's wirklich, sieht aber zu aus. Die Tür lässt sich öffnen, wie ich noch auf dem Motorrad sitzend feststelle. Nur ist hier kein Platz um ein Motorrad abzustellen. Habe ich erwähnt, dass es eng und steil ist? 50 Meter findet sich ein Platz und ich versuche mit krampfhaft ans spanische Wort für Toilette zu erinnern. Ich habe noch immer nicht systematisch Spanisch gelernt. Erstens bin ich faul, und zweitens ist das die Generalprobe für eine geplante längere Reise, wo ich oft keine Sprache haben werde. Aber dann fällt's mir ein: Aseos! Rein in die Bar, ab in den Keller und Erleichterung erhalten. Im Keller von der Bar im letzten Bergdorf hat man übrigens 4 von 5 Balken LTE, nur falls einem dabei langweilig wird. Damit ich den Thron nicht umsonst geschändet habe, kaufe ich etwas. Ein Eis! Ich hatte noch keines diesen Urlaub.
Freundlicherweise war das der letzte Ausfall dieser Art heute. Hitze und Durchfall passen wirklich schlecht zusammen. Überhaupt, die Hitze - wenn ich hier schon leide, brauche ich echt nicht nach Zentralasien zu fahren
Es folgen drei Pässe auf einer Reihe, die ich danach alle wieder zurück fahren muss - och! Port, Compte, Jou. Sieht gut aus und fährt sich auch so.
Über Josa und Trapa geht es östwärts, auch schick ...
... aber dann biege ich nach Norden ab. Der Mirador de Greslot ist ein Aussichtspunkt, den man spektakulär finden würde, wenn man nicht ahnen würde, was danach kommt: Man kann um die Ausfahrt komplett 1x außenrum fahren. Wenn man sich traut. 3 Pässe XXX: Bassotes, Torn, Bauma. Und genau das habe ich jetzt vor. Bei OSM sieht es gut ausgebaut aus, mir kommt aber kein einziges Motorrad entgegen. An einer etwas steileren Stelle, die auch noch als einzige sandig ist, würge die MT-09 ab. Schrittgeschwindigkeit ohne Kupplung geht zwar schon, aber vielleicht nicht im dritten Gang. Wiederanfahren gelingt. Der Lohn der Mühe, neben jeder Menge virtueller Passknackerpunkte:
Fast so schön wie die MSKS. Den Asphalt findet man wieder am Bena, und dann geht's über den Escriga zurück ins normale Straßennetz. Jetzt muss ich ein Stück die Hauptroute C-16 fahren, die ist voller Touristen und auch die Polizei steht an manchen Ecken. Da bin ich froh, als ich bald zum Coll de Pradell abbiegen kann. Schöner See unterwegs:
Wenige Kilometer südlich hiervon wäre der nächste Punkt, Rasos de Peguera. Navi und Routenplaner wollen aber außenrum fahren, 31 km weit. Hmm. Auf OSM sieht nicht schlimm aus, zumindest nicht schlimmer als der Traktorpfad gestern. Versuch macht kluch. Es sind 5 km schlechte Landstraße und 2 km Schotter. Direkt am Ende des guten Asphalts dieser Anblick:
Umgestürzte Bäume, stehende Wasser auf der Straße. Man fährt grundsätzlich nicht in Pfützen, deren Grund man nicht sehen kann. Während ich noch überlege, kommen mir zwei SUVs entgegen. Wenn die das können, kann ich das auch. Außerdem sehe ich beim Schwappen des Wassers, dass die Fahrbahnmitte gut befahrbar ist. Also rüber, gar kein Problem. Die 5 km schocken mich nicht. Die 2 km dagegen schon. Es ist doch sehr steinig und ausgewaschen hier. Steine in Ziegelsteingröße lauern auf unachtsame Krümmer und Ölwannen. Gegen Ende wird es auch noch richtig steil, und ich denke mir, hätte ich das vorher gewusst, wäre ich außenrum gefahren.
Ich muss hin und wieder anhalten um mir eine Linie auszugucken. Aber nicht zu oft, denn die Fuhre will ja auch wieder angefahren werden: MT-09 mit abgenutzten Straßenreifen und Gepäck für 3 Wochen. Ganz am Ende wird's dann ganz fies. Man kann das Kreuz an der Höhe schon sehen und den Asphalt, aber die Abbruchkante des Asphalts zum Schotterwegs hin ist halb so hoch wie meine Räder tut der Yamaha definitv sehr weh. Ich halte 2 Meter vorher und sondiere die Lage. Ganz links könnte man es auf der Erde versuchen, die ist aber 30° seitlich geneigt. Es liegen sehr große Steine herum, da könnte man doch... da kommt auch schon freundlicher Einheimischer an, und legt mir Steine in den Weg. Das ist eine gute Idee! Wir bauen uns eine Rampe, um diese Stufe hoch zu kommen. Mit genug Schwung komme ich hoch, mit zuviel Schwung schieße ich die Steine weg und falle um, und mit zu wenig Schwung falle ich auch um. Und wenn ich hier umfalle, habe ich ein echtes Problem. Warum habe ich mich nur in diese Lage gebracht? Weil ich schon mal mit der Versys entlang gefahren bin. Damals war es ziemlich ok. Nur was das 2017, und im Nachhinein fällt mir ein, dass wir nur runter gefahren sind. Und klappt's heute?
Hat geklappt - im ersten Anlauf
Danach brauche ich aber ein längere Pause und mir zittern dabei die Knie. Ich nehme mir vor, sowas nicht mehr zu machen. Also, zumindest heute und morgen nicht.
Es folgt wieder die ätzende C-16 mit ätzend langsamen Autos und ätzendem Überholverbot. Endlich geht's wieder einen Pass hoch: Coll de Pau. Hier ist offensichtlich ein Radrennen. Damit muss man sonntags rechnen. Freundlicherweise ist die Straße aber nicht für den restlichen Verkehr gesperrt. Außerdem ist sie schön, 20 km lang, und über 2000 Meter hoch! Warum kennt sowas eigentlich kaum einer? Also mit besonderer Rücksicht rauf und wieder runter. Echt schön hier!
Die Nordseite ist Schotter, daher drehe ich um und fahre wieder runter ins Tal. Der nächste Punkt ist ein Tunnel einer Schnellstraße, die knapp neben dieser Strecke verläuft, wenn auch mit deutlichem Höhenunterschied. Ich entdecke eine kurze Verbindung, die mir 20 km sparen würde, aber sie ist Schotter, und ich denke an die guten Absichten von vorhin. Auf der Hauptstrecke ist vor mir ein BMW M4, der es wissen will, und der sehr merkwürdig riecht. Entweder hat er scharfen Sprit getankt, oder einen Werkstatttermin, von dem er noch nichts weiß. Nach der Hauptstrecke wird's wieder schön, und auch schön kühl:
Collada de Toses, Coll de Creuta und Castellar der N'Hug bilden so eine Art spanische RDGA (Route de Grandes Alpes)
Hier ist es auch wieder sehr einsam. Ich bin inzwischen ziemlich müde und es geht auf 17 Uhr zu. Es waren zwar nur 340 km und wenig Pausen, aber viel Schotter dabei. Die Verlängerung heute Abend wird gestrichen.
Vor dem Hotel wird noch getankt und sogar geputzt für 1 Euro. Das Hotel besteht aus zwei Gebäuden und ich muss im anderen Einchecken, was mich ziemlich nervt mit dem Gepäck. Dafür steht das Motorrad erstmals überdacht und man ist auch sonst nett zu mir. Und Sicht auf die Altstadt habe ich auch.
Morgen werde ich, wenn nichts allzu schief geht, den Passknacker Landespreis Spanien 2021 abschließen. Wow! Danach werde ich nach Frankreich übersetzen, also muss ich mich noch um einen Covid-Test bemühen. Anscheinend werden Schnelltests akzeptiert. Und dann brauche ich frische Reifen, aber das wird wohl ein Thema für Frankreich sein. Zum Glück hat die MT-09 äußerst übliche Reifendimensionen. Vorbuchen ist für mich logistisch schwierig, aber Reifenhändler und Werkstätten gibt's in Frankreich genug. Nur ob die Zeit für mich haben, wenn in Frankreich Ferienzeit ist, steht auf einem anderen Blatt.
Tag 8 von 21
4. Platz Rangliste, 96,6% von Spanien
1 Foto während der Fahrt gemacht