Reisebericht Passknacker Schweiz 2021
Verfasst: 12. Jun 2021 15:00
Reisebericht Passknacker Schweiz 2021
Bei der Planung meines restlichen Motorradurlaubes für 2021 spukt mir die Idee rum, mal alle Passknacker in Frankreich zu holen. In den Pyrenäen bin ich demnächst ja ohnehin, wenn ich meine Yamaha aus Madrid heimfahren und Spanien komplett mache. Allerdings ist Frankreich beim Passknacker sehr gut vertreten, es warten schlappe 888 Punkte auf einen Besuch im restlichen Jahr. Okay, nur 885, denn 3 Stück habe ich ja schon im April auf dem Weg nach Spanien mitgenommen Das ist ein echtes Großprojekt, riesig viel Fläche, Outlier (weit abgelegene Punkte) an der Nordsee und in den Ardennen, viele Mittelgebirge, und in den Alpen viele wenig befahrene Punkte bzw. Sackgassen, die von Schnee bedroht sind und nicht geräumt werden.
Plan B wäre die Schweiz. Da ist die Anreise zu den meisten Punkten aus Deutschland kürzer, es gibt keine einsamen Outlier, und es liegt auf dem Rückweg aus Spanien, und außerdem auf dem Hin/Rückweg zur geplanten Italienreise im September. Das wäre realistisch machbar. Natürlich sind die Übernachtungen teuer, aber in Frankreich doch eigentlich auch, wenn es spontan sein muss. Nach intensivem Quälen des Routenplaners mit Ausplanen aller notwendigen Reiseabschnitte und Tagezählerei in Excel steht fest: Ich mache in 2021 die Schweiz komplett statt Frankreich komplett. Für Portugal komplett müsste dann eigentlich auch noch Zeit sein, aber in diesem Reisebericht geht's jetzt um die Schweiz
Am 3.-6.6. ist langes WE, 4 Tage frei. Der lange geplante Besuch aus NRW sagt leider kurzfristig ab. Mein großes Topcase und mein Tankrucksack sind in Madrid bei der Yamaha. Als Ersatz verwende ich mein kleines Rollertopcase und einen extragroßen neu gekauften Tankrucksack, wo auch die Regenkombi bequem reinpasst, neben Getränken für den Tag und Einkäufen für 2 Tage. Außerdem verdreht mir eine Frau so dermaßen den Kopf, dass ich ganz durcheinanderkomme, und die mich am Donnerstag besuchen möchte. Dann wird das wohl nur eine 3-Tages-Tour. Okay, also eine ziemlich spontane 3 Tage-Schweiz-Tour Weil mein Kopf noch immer sehr verdreht ist, habe ich die zweite Unterkunft versehentlich für die erste Nacht gebucht. Kein Problem, Route umdrehen, andere Unterkunft auch andersrum buchen, fertig!
Fr 4.6. Heim-Schweiz-Heim, Tag 1/3: Nürnberg-Winterthur
Naja, nee. So einfach ist das mit dem Umdrehen einer mehrtägigen Route nicht. Der Abreisetag ist bei mir traditionell der längste. Mir doch egal wann ich abends heimkomme, wenn ich nur noch geradeaus rollen und am nächsten Tag nicht Motorrad fahren muss. Und am Hinweg heute habe ich mir per Google Maps einen Supermarkt gesucht, der auf dem Weg liegt... aber auf dem anderen Weg, den ich noch im Kopf hatte. Den Weg nach Konstanz statt nach Bregenz. Das merke ich aber erst auf dem Parkplatz des Lidl Laupheim. Im Lidl ist das totale Chaos ausgebrochen. Pandemie heißt, dass man unbedingt als vollzählige Familie einkaufen gehen muss, die Nase darf über die Maske rausgucken, sonst ist das mit dem Atmen ja unmöglich, und Abstände muss man auch nicht einhalten. Immerhin werde ich gerügt, weil ich keinen Einkaufswagen für meine Wegzehrung genommen habe. Ordnung muss ja sein.
Nach dem Snack geht’s Richtung Bregenz, da sind ein paar nette Bundesstraßen dabei, dann aber A96. Kurz vor Bregenz stelle ich fest, scheiße, ich fahre ja heute durch Österreich (wenn auch nur sehr kurz) - wie sind da überhaupt die Corona-Einreiseregeln? Die Schweiz ist ja erfrischend liberal auf dem Landweg, aber Austria? Muss man sich da anmelden?? Zum Glück kann man das alles bequem von unterwegs regeln.
Die Autobahn um Bregenz herum bzw. unter Bregenz durch ist seit 2020 endlich mautfrei für die ersten paar Ausfahrten. Bis zu welcher genau, ist aus der Beschilderung im Vorbeifahren nicht so gut zu erkennen, und ist man erst mal auf der Autobahn, kommt da auch kein Schild mehr „hier noch mautfrei“ oder „ohne Vignette bitte JETZT abfahren“. Es ist laut ADAC bis Hohenems ohne Maut, ich meine aber ein Schild mit „mautfrei bis Dornbirn“ gelesen zu haben. Jetzt gibt’s aber Dornbirn-Nord und Dornbirn-Süd, also 1-2 Ausfahrten früher. So oder so, ich lande in Lustenau und tanke noch in Österreich voll, für ca. 1,25 Euro je Liter. Die Schweiz ist da teurer geworden.
Hier fließt tatsächlich der Rhein, vor dem Bodensee. Das war mir bisher gar nicht bewusst. Im Rheintal ist natürlich viel Besiedelung und ich habe weder für die Schweiz nur für Austria eine Autobahn-Vignette. Die für die Schweiz wollte ich mir kaufen, habe aber vergessen an der Tankstelle zu fragen. Dann fahre ich halt ohne Autobahn bis zur nächsten Gelegenheit. Es zieht sich, bis es endlich den ersten Passknacker des Tages hochgeht: Wildhaus. Eine sehr schöne Strecke mit toller Landschaft und wenig Verkehr. 366 km bin ich jetzt schon unterwegs. Zwei andere Deutsche Motorradfahrer treffe ich an einer Baustellenampel und wir fahren etwas gemeinsam, bis ich zur Schwägalp abbiege. Ein exponierter Punkt auf 1360 Metern, ich nähere mich der Wolkendecke, bleibe aber zum Glück noch drunter.
Ich bin jetzt im Kanton „Appenzell Ausserrhoden“. Echt schön hier. Viel Weidefläche im Gebirge bis 1300 Meter.
Sehr wenig Verkehr und eine sagenhafte Dichte an Passknackerpunkten, z.B. 12 Punkte in 10 km Umkreis von „Arnig“. Dafür sind aber mehr 10 km Fahrtstrecke nötig Aber 10 Punkte innerhalb von 50 km Fahrtstrecke ist schon recht dicht. Ich habe mittlerweile 400 km hinter mir und noch 200 km vor mir. Immerhin bleibt das Wetter trocken. Es waren den ganzen Tag Schauer angesagt, und so bin ich eigentlich zu warm angezogen, weil ich mich nicht so recht aus der Membranhose raus traue.
Tief des Tages sind zwei PKW, die mir auf einer unübersichtlichen Bergstrecke nebeneinander entgegenkommen. Der überholende Audi hat wohl mal mit dem Überholvorgang angefangen ohne Sicht, aber unter der Annahme, dass da keiner kommt. Wegen rechts Fels und links Leitplanke mit Abgrund ist Ausweichen für mich nicht sicher möglich, aber der Audifahrer nimmt mich rechtzeitig wahr und bremst. Und der Überholte Autofahrer kriegt das entweder alles in Echtzeit mit oder gar nicht, denn er fährt unvermindert weiter – was gut ist, denn hätte er gebremst, wäre kein Platz zum Einscheren für den Audi gewesen, und ich und er hätten anhalten müssen, wofür der Platz knapp geworden wäre. So komme ich sauber, aber erschrocken durch.
Den Punkt Hänen kann ich wegen einer Baustelle nicht von Norden anfahren, hier muss ich mir selbst eine Umleitung suchen. Zum Glück ist es kein großer Umweg, und die andere Seite hätte ich später eh fahren müssen, denn der Punkt Wasserfluh ist nur 2,5 km entfernt.
So oft wie ich heute Restaurants und ihre Aussteller fotografiere frage ich mich manchmal, ob Passknacker nicht in Wirklichkeit ein Projekt von Motorradfeinschmeckern ist, die durch die Nachweisfotos der Teilnehmer eigentlich nur über aktuelle Angebote ihrer Lieblingsrestaurants informiert werden wollen
Kurz vor Wattwill geht es wieder ins Tal, und ich fahre fast auf eine Autobahn auf. Moment, das darf ich noch nicht. Lieber anhalten. Ah, eine Tankstelle, da kann man anhalten. Und umplanen. Moment, Tankstelle? Da kann ich ja endlich die Vignette kaufen. Das macht 40 Franken für das restliche Kalenderjahr. Jetzt geht’s Richtung Zürichsee, aber kurz vorher nördlich, in einen Abschnitt sehr kurviger und schmaler Nebenstrecken zwischen landwirtschaftlichen Nutzflächen, man könnte auch sagen, intensives Feldwegstopler mit Durchschnittsgeschwindigkeit 30 km/h. Das ist schön zu fahren, aber es zieht sich gewaltig und ein wenig müde werde ich auch allmählich. Und dann stehe ich vor der Scheidegg Alp vor diesem verwirrenden Schild.
„Das Fahren … ist während des Schlittelbetriebs von 14-17 und 19-22 … verboten“
Was ist ein Schlittelbetrieb? Es ist 16:30. Warte ich jetzt 30 Minuten? Google findet zu „Schlittelbetrieb“ genau den Hinweis auf ein paar Fahrverbote und anscheinend saisonale Busangebote. Das Ganze scheint einen Wintersport-Kontext zu haben: Es ist mitunter von Schlittel- und Skibetrieb die Rede. Dann ist ein Schlittel wohl das, was in Deutschland ein Schlitten ist, ich darf jetzt hier selbstverständlich fahren, und jeder Schweizer amüsiert sich an dieser Stelle vermutlich. Die kleinen Unterschiede Oben ist es dann aber sehr schön.
Auch der weitere Weg ist augenfreundlich.
Den letzten Punkt schnappe ich erst 18:50, was mir unangenehm ist, denn ich habe später noch eine Verabredung.
Aber erst checke ich im Hotel ein. Das ist eine verwirrende Anlage. Zunächst ist nicht klar wo man parken soll, dann ist der Eingang auf der anderen Seite des Gebäudes, dann ist es Codeschloss statt menschlicher Rezeption, und dann passt der Code aus der Buchungsbestätigung nicht. Im Restaurant im gleichen Gebäude werde ich unwirsch abgebügelt, ich solle halt die Nummer anrufen die da angeschrieben steht. Da geht auch jemand ran und erklärt mir, dass man vor ein paar Stunden eine weitere Mail mit einem anderen Code gesendet hat. Der funktioniert dann auch. Das Zimmer ist im zweiten Stock und völlig in Ordnung. Dass andere Gäste im Gebäude und auch im Aufzug keine Masken tragen finde ich weniger in Ordnung. Ich habe zwar schon viel geschwitzt, aber jetzt kann ich ja auch noch ein paar Treppen steigen mit Gepäck. Spätestens jetzt ist aber wirklich eine Dusche fällig. Jedes Hotel hat einen offensichtlichen Nachteil, den man online nicht rausbekommt, aber vor Ort sofort wahrnimmt. Offensichtlicher Nachteil dieses Hotel ist die zu geringe Menge an Parkplätzen, die auch noch kostenpflichtig sind. Die Versys parkt kostenlos bei den Mülltonnen. Wird schon nicht mitgenommen werden.
Das Hotel Swiss Star Illnau ernenne ich hiermit zum Haus des verwirrenden Eingangs und komischen Parkens. Die Restaurantkraft ist später dann doch sehr freundlich zu mir. Typisch Schweiz: Eigentlich aber doch alle sehr nett hier. Das gilt besonders für Gnome aus dem MO24-Forum, der hier in der Nähe wohnt und arbeitet und mich zu einem Biergarten bringen möchte. Es besteht Helmpflicht. Da ist klar, was kommt: Meine erste Mitfahrt in einem Beiwagen.
Die Kawasaki ZZR 1100 EML ist natürlich insgesamt groß, und auch das Boot ist geräumig. Meine Endloshaxen haben bequem Platz gefunden, wobei man nicht genau gerade sitzt, sondern etwas nach links. Ungewohnt ist, dass man nach links keine freie Sicht hat, und dass es nach Benzin riecht. Das Gespann hat jede Menge Kraft und man spürt den Kräftesalat in jeder Kurve. Und bei jedem Bordstein spürt man die drei Achsen. Durchaus faszinierend. Selbst fahren durfte ich nicht, aber dafür habe ich volles Verständnis. Jedes Gespann ist ein Unikat und nicht einfach so zu ersetzen. Weder der Geldwert, noch was an Arbeit, Liebe und Kreativität drinsteckt.
Der Biergarten ist sehr nett, liegt aber verkehrsgünstig an Bundesstraße, Eisenbahnnadelöhr und auch ein paar Flugzeuge starten und landen. Der große Cäsar-Salat ist wirklich groß. Den Brotkorb übersehe ich zunächst. Danach lasse ich ihn mir einpacken. Voila, Frühstück! Hinterher stehen 1,50 auf der Rechnung, aber nicht fürs Brot, sondern fürs extra Spiegelei auf dem Salat. Auch sonst werde ich nicht pleite. Danke, Gnome! Zurück am Hotel bekomme ich sogar noch Wegzehrung geschenkt. Wows Top Danke an MO24-Gnome Touri Services
Das war ein langer Tag heute. Ich habe 620 km abgerissen und musste nur 2x tanken. Die Schweiz hat mir heute ihre schöne Seite gezeigt! Schöne Strecken, bestes Wetter, 29 Passknacker gesammelt und abends noch nette Gesellschaft. Gerne weiter so.
Bei der Planung meines restlichen Motorradurlaubes für 2021 spukt mir die Idee rum, mal alle Passknacker in Frankreich zu holen. In den Pyrenäen bin ich demnächst ja ohnehin, wenn ich meine Yamaha aus Madrid heimfahren und Spanien komplett mache. Allerdings ist Frankreich beim Passknacker sehr gut vertreten, es warten schlappe 888 Punkte auf einen Besuch im restlichen Jahr. Okay, nur 885, denn 3 Stück habe ich ja schon im April auf dem Weg nach Spanien mitgenommen Das ist ein echtes Großprojekt, riesig viel Fläche, Outlier (weit abgelegene Punkte) an der Nordsee und in den Ardennen, viele Mittelgebirge, und in den Alpen viele wenig befahrene Punkte bzw. Sackgassen, die von Schnee bedroht sind und nicht geräumt werden.
Plan B wäre die Schweiz. Da ist die Anreise zu den meisten Punkten aus Deutschland kürzer, es gibt keine einsamen Outlier, und es liegt auf dem Rückweg aus Spanien, und außerdem auf dem Hin/Rückweg zur geplanten Italienreise im September. Das wäre realistisch machbar. Natürlich sind die Übernachtungen teuer, aber in Frankreich doch eigentlich auch, wenn es spontan sein muss. Nach intensivem Quälen des Routenplaners mit Ausplanen aller notwendigen Reiseabschnitte und Tagezählerei in Excel steht fest: Ich mache in 2021 die Schweiz komplett statt Frankreich komplett. Für Portugal komplett müsste dann eigentlich auch noch Zeit sein, aber in diesem Reisebericht geht's jetzt um die Schweiz
Am 3.-6.6. ist langes WE, 4 Tage frei. Der lange geplante Besuch aus NRW sagt leider kurzfristig ab. Mein großes Topcase und mein Tankrucksack sind in Madrid bei der Yamaha. Als Ersatz verwende ich mein kleines Rollertopcase und einen extragroßen neu gekauften Tankrucksack, wo auch die Regenkombi bequem reinpasst, neben Getränken für den Tag und Einkäufen für 2 Tage. Außerdem verdreht mir eine Frau so dermaßen den Kopf, dass ich ganz durcheinanderkomme, und die mich am Donnerstag besuchen möchte. Dann wird das wohl nur eine 3-Tages-Tour. Okay, also eine ziemlich spontane 3 Tage-Schweiz-Tour Weil mein Kopf noch immer sehr verdreht ist, habe ich die zweite Unterkunft versehentlich für die erste Nacht gebucht. Kein Problem, Route umdrehen, andere Unterkunft auch andersrum buchen, fertig!
Fr 4.6. Heim-Schweiz-Heim, Tag 1/3: Nürnberg-Winterthur
Naja, nee. So einfach ist das mit dem Umdrehen einer mehrtägigen Route nicht. Der Abreisetag ist bei mir traditionell der längste. Mir doch egal wann ich abends heimkomme, wenn ich nur noch geradeaus rollen und am nächsten Tag nicht Motorrad fahren muss. Und am Hinweg heute habe ich mir per Google Maps einen Supermarkt gesucht, der auf dem Weg liegt... aber auf dem anderen Weg, den ich noch im Kopf hatte. Den Weg nach Konstanz statt nach Bregenz. Das merke ich aber erst auf dem Parkplatz des Lidl Laupheim. Im Lidl ist das totale Chaos ausgebrochen. Pandemie heißt, dass man unbedingt als vollzählige Familie einkaufen gehen muss, die Nase darf über die Maske rausgucken, sonst ist das mit dem Atmen ja unmöglich, und Abstände muss man auch nicht einhalten. Immerhin werde ich gerügt, weil ich keinen Einkaufswagen für meine Wegzehrung genommen habe. Ordnung muss ja sein.
Nach dem Snack geht’s Richtung Bregenz, da sind ein paar nette Bundesstraßen dabei, dann aber A96. Kurz vor Bregenz stelle ich fest, scheiße, ich fahre ja heute durch Österreich (wenn auch nur sehr kurz) - wie sind da überhaupt die Corona-Einreiseregeln? Die Schweiz ist ja erfrischend liberal auf dem Landweg, aber Austria? Muss man sich da anmelden?? Zum Glück kann man das alles bequem von unterwegs regeln.
Die Autobahn um Bregenz herum bzw. unter Bregenz durch ist seit 2020 endlich mautfrei für die ersten paar Ausfahrten. Bis zu welcher genau, ist aus der Beschilderung im Vorbeifahren nicht so gut zu erkennen, und ist man erst mal auf der Autobahn, kommt da auch kein Schild mehr „hier noch mautfrei“ oder „ohne Vignette bitte JETZT abfahren“. Es ist laut ADAC bis Hohenems ohne Maut, ich meine aber ein Schild mit „mautfrei bis Dornbirn“ gelesen zu haben. Jetzt gibt’s aber Dornbirn-Nord und Dornbirn-Süd, also 1-2 Ausfahrten früher. So oder so, ich lande in Lustenau und tanke noch in Österreich voll, für ca. 1,25 Euro je Liter. Die Schweiz ist da teurer geworden.
Hier fließt tatsächlich der Rhein, vor dem Bodensee. Das war mir bisher gar nicht bewusst. Im Rheintal ist natürlich viel Besiedelung und ich habe weder für die Schweiz nur für Austria eine Autobahn-Vignette. Die für die Schweiz wollte ich mir kaufen, habe aber vergessen an der Tankstelle zu fragen. Dann fahre ich halt ohne Autobahn bis zur nächsten Gelegenheit. Es zieht sich, bis es endlich den ersten Passknacker des Tages hochgeht: Wildhaus. Eine sehr schöne Strecke mit toller Landschaft und wenig Verkehr. 366 km bin ich jetzt schon unterwegs. Zwei andere Deutsche Motorradfahrer treffe ich an einer Baustellenampel und wir fahren etwas gemeinsam, bis ich zur Schwägalp abbiege. Ein exponierter Punkt auf 1360 Metern, ich nähere mich der Wolkendecke, bleibe aber zum Glück noch drunter.
Ich bin jetzt im Kanton „Appenzell Ausserrhoden“. Echt schön hier. Viel Weidefläche im Gebirge bis 1300 Meter.
Sehr wenig Verkehr und eine sagenhafte Dichte an Passknackerpunkten, z.B. 12 Punkte in 10 km Umkreis von „Arnig“. Dafür sind aber mehr 10 km Fahrtstrecke nötig Aber 10 Punkte innerhalb von 50 km Fahrtstrecke ist schon recht dicht. Ich habe mittlerweile 400 km hinter mir und noch 200 km vor mir. Immerhin bleibt das Wetter trocken. Es waren den ganzen Tag Schauer angesagt, und so bin ich eigentlich zu warm angezogen, weil ich mich nicht so recht aus der Membranhose raus traue.
Tief des Tages sind zwei PKW, die mir auf einer unübersichtlichen Bergstrecke nebeneinander entgegenkommen. Der überholende Audi hat wohl mal mit dem Überholvorgang angefangen ohne Sicht, aber unter der Annahme, dass da keiner kommt. Wegen rechts Fels und links Leitplanke mit Abgrund ist Ausweichen für mich nicht sicher möglich, aber der Audifahrer nimmt mich rechtzeitig wahr und bremst. Und der Überholte Autofahrer kriegt das entweder alles in Echtzeit mit oder gar nicht, denn er fährt unvermindert weiter – was gut ist, denn hätte er gebremst, wäre kein Platz zum Einscheren für den Audi gewesen, und ich und er hätten anhalten müssen, wofür der Platz knapp geworden wäre. So komme ich sauber, aber erschrocken durch.
Den Punkt Hänen kann ich wegen einer Baustelle nicht von Norden anfahren, hier muss ich mir selbst eine Umleitung suchen. Zum Glück ist es kein großer Umweg, und die andere Seite hätte ich später eh fahren müssen, denn der Punkt Wasserfluh ist nur 2,5 km entfernt.
So oft wie ich heute Restaurants und ihre Aussteller fotografiere frage ich mich manchmal, ob Passknacker nicht in Wirklichkeit ein Projekt von Motorradfeinschmeckern ist, die durch die Nachweisfotos der Teilnehmer eigentlich nur über aktuelle Angebote ihrer Lieblingsrestaurants informiert werden wollen
Kurz vor Wattwill geht es wieder ins Tal, und ich fahre fast auf eine Autobahn auf. Moment, das darf ich noch nicht. Lieber anhalten. Ah, eine Tankstelle, da kann man anhalten. Und umplanen. Moment, Tankstelle? Da kann ich ja endlich die Vignette kaufen. Das macht 40 Franken für das restliche Kalenderjahr. Jetzt geht’s Richtung Zürichsee, aber kurz vorher nördlich, in einen Abschnitt sehr kurviger und schmaler Nebenstrecken zwischen landwirtschaftlichen Nutzflächen, man könnte auch sagen, intensives Feldwegstopler mit Durchschnittsgeschwindigkeit 30 km/h. Das ist schön zu fahren, aber es zieht sich gewaltig und ein wenig müde werde ich auch allmählich. Und dann stehe ich vor der Scheidegg Alp vor diesem verwirrenden Schild.
„Das Fahren … ist während des Schlittelbetriebs von 14-17 und 19-22 … verboten“
Was ist ein Schlittelbetrieb? Es ist 16:30. Warte ich jetzt 30 Minuten? Google findet zu „Schlittelbetrieb“ genau den Hinweis auf ein paar Fahrverbote und anscheinend saisonale Busangebote. Das Ganze scheint einen Wintersport-Kontext zu haben: Es ist mitunter von Schlittel- und Skibetrieb die Rede. Dann ist ein Schlittel wohl das, was in Deutschland ein Schlitten ist, ich darf jetzt hier selbstverständlich fahren, und jeder Schweizer amüsiert sich an dieser Stelle vermutlich. Die kleinen Unterschiede Oben ist es dann aber sehr schön.
Auch der weitere Weg ist augenfreundlich.
Den letzten Punkt schnappe ich erst 18:50, was mir unangenehm ist, denn ich habe später noch eine Verabredung.
Aber erst checke ich im Hotel ein. Das ist eine verwirrende Anlage. Zunächst ist nicht klar wo man parken soll, dann ist der Eingang auf der anderen Seite des Gebäudes, dann ist es Codeschloss statt menschlicher Rezeption, und dann passt der Code aus der Buchungsbestätigung nicht. Im Restaurant im gleichen Gebäude werde ich unwirsch abgebügelt, ich solle halt die Nummer anrufen die da angeschrieben steht. Da geht auch jemand ran und erklärt mir, dass man vor ein paar Stunden eine weitere Mail mit einem anderen Code gesendet hat. Der funktioniert dann auch. Das Zimmer ist im zweiten Stock und völlig in Ordnung. Dass andere Gäste im Gebäude und auch im Aufzug keine Masken tragen finde ich weniger in Ordnung. Ich habe zwar schon viel geschwitzt, aber jetzt kann ich ja auch noch ein paar Treppen steigen mit Gepäck. Spätestens jetzt ist aber wirklich eine Dusche fällig. Jedes Hotel hat einen offensichtlichen Nachteil, den man online nicht rausbekommt, aber vor Ort sofort wahrnimmt. Offensichtlicher Nachteil dieses Hotel ist die zu geringe Menge an Parkplätzen, die auch noch kostenpflichtig sind. Die Versys parkt kostenlos bei den Mülltonnen. Wird schon nicht mitgenommen werden.
Das Hotel Swiss Star Illnau ernenne ich hiermit zum Haus des verwirrenden Eingangs und komischen Parkens. Die Restaurantkraft ist später dann doch sehr freundlich zu mir. Typisch Schweiz: Eigentlich aber doch alle sehr nett hier. Das gilt besonders für Gnome aus dem MO24-Forum, der hier in der Nähe wohnt und arbeitet und mich zu einem Biergarten bringen möchte. Es besteht Helmpflicht. Da ist klar, was kommt: Meine erste Mitfahrt in einem Beiwagen.
Die Kawasaki ZZR 1100 EML ist natürlich insgesamt groß, und auch das Boot ist geräumig. Meine Endloshaxen haben bequem Platz gefunden, wobei man nicht genau gerade sitzt, sondern etwas nach links. Ungewohnt ist, dass man nach links keine freie Sicht hat, und dass es nach Benzin riecht. Das Gespann hat jede Menge Kraft und man spürt den Kräftesalat in jeder Kurve. Und bei jedem Bordstein spürt man die drei Achsen. Durchaus faszinierend. Selbst fahren durfte ich nicht, aber dafür habe ich volles Verständnis. Jedes Gespann ist ein Unikat und nicht einfach so zu ersetzen. Weder der Geldwert, noch was an Arbeit, Liebe und Kreativität drinsteckt.
Der Biergarten ist sehr nett, liegt aber verkehrsgünstig an Bundesstraße, Eisenbahnnadelöhr und auch ein paar Flugzeuge starten und landen. Der große Cäsar-Salat ist wirklich groß. Den Brotkorb übersehe ich zunächst. Danach lasse ich ihn mir einpacken. Voila, Frühstück! Hinterher stehen 1,50 auf der Rechnung, aber nicht fürs Brot, sondern fürs extra Spiegelei auf dem Salat. Auch sonst werde ich nicht pleite. Danke, Gnome! Zurück am Hotel bekomme ich sogar noch Wegzehrung geschenkt. Wows Top Danke an MO24-Gnome Touri Services
Das war ein langer Tag heute. Ich habe 620 km abgerissen und musste nur 2x tanken. Die Schweiz hat mir heute ihre schöne Seite gezeigt! Schöne Strecken, bestes Wetter, 29 Passknacker gesammelt und abends noch nette Gesellschaft. Gerne weiter so.