Interessante Motorrad-urteile

Fragen zur Straßenverkehrsordnung, TÜV, Zulassungsrecht, Versicherungen und Gewährleistung von Kawasaki.
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Bräwadda
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Interessante Motorrad-urteile

#1 Beitrag von Bräwadda »

Kein Abzug „Neu für Alt“ bei Motorradschutzkleidung

Seit Jahren wird vor den Gerichten immer wieder zwischen Geschädigtem und gegnerischer Versicherung darüber gestritten, ob bei beschädigter Schutzkleidung nach einem Motorradunfall ein Abzug vom Neupreis dieser Gegenstände zu machen ist, wenn diese zum Unfallzeitpunkt schon älter waren.

Ein solcher Abzug „Neu für Alt“ ist bei modischen Gegenständen, Straßenbekleidung oder Sachen mit kurzer Haltbarkeit üblich und von der Rechtsprechung anerkannt. Bei Motorradschutzkleidung hat die Rechtsprechung diese Frage bisher sehr unterschiedlich entschieden.

Nunmehr gibt es eine höhergerichtliche Entscheidung, die wohl als richtungweisend gesehen werden darf. In einem Hinweisbeschluss bestätigte das OLG München am 23.01.2009 die ständige Rechtsprechung des LG Darmstadt zum Abzug "Neu für Alt" bei Motorradschutzkleidung. Aufgrund der Schutzfunktion ist bei beschädigter Schutzkleidung nun auch nach der Rechtsprechung der Bayern eindeutig, dass nicht der Zeitwert sondern der Kaufpreis zu ersetzen ist (OLG München, Az. 10 U 4104/08).
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Versicherungsschutz für Motorrad bei Diebstahl während einer Probefahrt

Ein Motorradfahrer beabsichtigte, sein gut ein Jahr altes Fahrzeug, eine BMW R 1200 GS zu verkaufen. Dieses Motorrad hatte er Teilkasko versichert. Nach einem Inserat im Internet erschien ein Interessent auf einem älteren Yamaha-Motorrad, FJ 1100, der sich als „Josef Krause“ vorstellte. Der BMW-Besitzer überließ dem Kaufinteressenten sein Fahrzeug zu einer kurzen Probefahrt, ohne sich vorher einen Personalausweis vorlegen zu lassen. Die Fahrzeugpapiere hatte er dem Kaufinteressenten nicht mitgegeben.

Während der Probefahrt verschwand der angebliche Herr Krause mit der BMW und ließ sein altes Motorrad zurück, von dem sich später herausstellte, dass es als Bastlerfahrzeug für 600 € erworben und nicht umgemeldet worden war. Der Versuch, den angeblichen Käufer zu vermitteln, blieb daher ohne Erfolg. „Herr Krause“ war nicht existent. Die Teilkaskoversicherung verweigerte die Zahlung der Entschädigung mit der Begründung, der Motorradfahrer sei Opfer eines nicht versicherten Betruges geworden. Jedenfalls habe er grobfahrlässig gehandelt, als er das hochwertige Motorrad dem unbekannten Käufer zu einer örtlich und zeitlich nicht begrenzten Probefahrt überlassen habe.

Über die vom Motorradfahrer gegen die Teilkaskoversicherung angestrengte Klage entschied der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln am 22.07.2008, Aktenzeichen: 9 U 188/07. Das Gericht gab dem Motorradfahrer recht und begründete seine Entscheidung u. a. damit, dass hier von einer „Entwendung“ im Sinne der Versicherungsbedingungen auszugehen ist. Der Verkäufer habe, als er das Motorrad zur Probefahrt an den angeblichen Kaufinteressenten zu einer zeitlich und räumlich begrenzten Probefahrt überließ, seinen „Gewahrsam“ an der Maschine nicht aufgeben wollen, dieser sei nur gelockert gewesen. Dies ergebe sich schon allein daraus, dass der Fahrzeugschein für das BMW-Motorrad nicht mit übergeben worden sei. Der Interessent habe sich bei seiner Probefahrt nur im Gebiet der kleinen Ortschaft bewegen sollen, in der der Eigentümer wohnt. Obwohl der Eigentümer des BMW-Motorrads sich keinen amtlichen Ausweis zeigen ließ und nicht um Hinterlassung einer Sicherheit für die Zeit der Probefahrt bat, sei die Versicherung nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls von ihrer Zahlungspflicht frei geworden. Zwar seien die Versäumnisse des Verkäufers als sorgfaltswidrig anzusehen, sie stellen aber keinen groben Verstoß dar, weil der Kaufinteressent sein zum Straßenverkehr zugelassenes Motorrad zurückgelassen habe.

Der Verkäufer habe danach annehmen dürfen, den Interessenten im Notfall auch über das Kennzeichen ermitteln zu können. Auch habe die hinterlassene Maschine in den Augen des Verkäufers einen gewissen Wert dargestellt.
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Keine Haftung für die Folgen eines umgefallenen Motorrads

Kippt ein abgestelltes Motorrad um und beschädigt dabei ein daneben geparktes Auto, haftet der Fahrer des Motorrads nicht in jedem Fall für den Schaden am Pkw.

Der geschädigte Autobesitzer muss dann für seinen Schaden selbst aufkommen, wenn das Motorrad durch den Haupt- oder Seitenständer ordnungsgemäß gegen das Umkippen abgesichert wurde.

Dies entschied des Amtsgerichts Rüsselsheim (AZ: 3 C 536/99). In dem verhandelten Fall verklagte der Autobesitzer einen Motorradfahrer auf Schadenersatz, weil das Zweirad gegen sein Auto gekippt war. Da das Motorrad jedoch wie vorgeschrieben auf seinem Ständer abgestellt war, sah das Gericht kein schuldhaftes Verhalten des Beklagten und lehnte die Ansprüche des Klägers ab.

Auch eine Haftung auf Grund der so genannten Betriebsgefahr, bei der ein Halter auch dann Schadenersatz leisten muss, wenn er sich nicht schuldhaft verhalten hat, scheidet nach Ansicht des Gerichts aus. Eine Betriebsgefahr kann nämlich nur von einem Fahrzeug ausgehen, das am Verkehr aktiv teilnimmt, nicht jedoch von einem parkenden Fahrzeug.
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Minderung des Schmerzensgeldes bei Sturz mit einem Motorrad ohne Tragen von Schutzbekleidung

Erleidet ein Motorradfahrer, der nur einen Sturzhelm und keine weitere Schutzkleidung trug, bei einem Sturz erhebliche Verletzungen, ist sein Schmerzensgeldanspruch zu mindern.

(Aus den Gründen: …Bei der Bemessung der Höhe des von dem Kläger uneingeschränkt geltend gemachten Schmerzensgeldes ist grundsätzlich die Doppelfunktion des Anspruchs zu berücksichtigen. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden sowie die Genugtuung für das erlittene Unrecht verschaffen. Dabei steht bei Straßenverkehrsunfällen die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes im Vordergrund. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war Anspruchs mindernd zur berücksichtigen, dass den Kläger angesichts des Umstandes, dass er abgesehen von dem Sturzhelm keine zum Fahren eines Motorrades geeignete Schutzkleidung getragen hat und es hierdurch zu den Schürfverletzungen sowie der Knieverletzung gekommen ist, ein erhebliches Verschulden gegen sich selbst trifft…)
OLG Düsseldorf vom 20.2.2006
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Schieben ist kein Einfahren in ein gesperrtes Gebiet

Verbotszeichen 260 der StVO verbietet nicht das Schieben und Parken von Krafträdern

Ein Motorradfahrer hatte im Juli 2007 sein Motorrad am Seeufer eines Badesees bei Karlsruhe abgestellt, obwohl dieser Verkehrsbereich durch das Verbotszeichen 260 gesperrt gewesen war. Dabei war er bis zu dem Schild gefahren, hatte das Motorrad von dort an bis zum Abstellplatz geschoben und es an dieser Stelle fünf bis sechs Stunden belassen.

Der Motorradfahrer erhielt ein Bußgeld von € 15,00 weil das Verbotszeichen 260 nach Meinung der Bußgeldstelle auch den ruhenden Verkehr erfasse.

Anders sah dies letztlich der 1. Strafsenat des OLG Karlsruhe, welcher sich schließlich mit der Sache zu befassen hatte. In seiner richtungweisenden Entscheidung stellte er u.a. fest:
Das Verbotszeichen 260 verbietet nicht das Schieben von Krafträdern. Mit der Einführung dieses Verkehrszeichens hat der Verordnungsgeber nämlich nur eine nähere Aufschlüsselung und Spezifizierung des allgemeinen Verbotszeichens 250 „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ vornehmen wollen. Bei dem Zeichen 250 findet sich aber hinsichtlich seines Anwendungsbereichs die bereits durch den Verordnungsgeber selbst vorgenommene ausdrückliche Einschränkung, dass das Verbot unter anderem nicht das Schieben von Krafträdern erfasst.

Aber auch der ruhende Verkehr wird von dem Verkehrsverbotszeichen 260 nicht erfasst. Da die Verbotszone auch erlaubterweise benutzt werden könne, nämlich dann, wenn ein Kraftrad nur geschoben und nicht gefahren werde, ist der Bedeutungsgehalt des Verbotszeichens unklar. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer kann diesem nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, dass es auch das Halten und Parken von Kraftfahrrädern verbietet, zumal die StVO für Halte- und Parkverbote besondere Zeichen vorsieht. Will die zuständige Behörde daher neben dem durch Zeichen 260 erfassten Einfahren von Krafträdern in den geschützten Bereich auch deren Halten und/oder Parken verbieten, so muss sie zusätzliche Verbotsschilder aufstellen. (Beschl. v. 23. 2. 2009, Az: 1 Ws 65/08)
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jobau
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#2 Beitrag von jobau »

... den Haftungsausschluß fürs umgekippte Mopped finde ich ungerecht gegen den
Autofahrer - ähnliche Urteile kenne ich nur von Sachschäden durch Kinder.
Wenn ich da der Halter wäre, würde ich platzen vor Wut.

Ansonsten hört sich alles erfreulich fair an.

Grüsse

Jo

Serpen-Tina

Re: Interessante Motorrad-urteile

#3 Beitrag von Serpen-Tina »

Vielen Dank für deine Mühe, wieder was dazugelernt. Das mit dem umgekippten Motorrad hätte ich "Bauchmäßig" auch anders gesehen. Also - lesen bildet :clap:

Lieber Gruß TINA

Bräwadda
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#4 Beitrag von Bräwadda »

Will mich nicht mit fremden Federn schmücken ist aus den ADAC-Newsletter herausraubkopiert! :(
Aber trotzdem Danke für das Lob!
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blahwas
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#5 Beitrag von blahwas »

Interessantes Urteil: Tempolimits mit Zusatzschild "Schneeflocke" gelten bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit - sagt das LG Hamm laut T-Online

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DerDuke
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#6 Beitrag von DerDuke »

In der Zeitschrift Motorrad News gibts immer einen kleinen Fachartikel eines auf Verkehrsrecht und motorradbezogene Themen spezialisierten Anwalts. Ich finds recht lesenswert, da sind teilweise erstaunliche Urteile drin.

Hier noch ein Link zu einer Kanzlei in Berlin, die in ihrem Blog sowas wie Juratainment betreibt. Manche Sachverhalte sind erfrischend humorvoll dargestellt:

Kanzlei Hoenig
Wenn ich nicht mehr weiter kann, schließ ich Plus an Minus an... :floet:

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kingandy
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#7 Beitrag von kingandy »

Hallo,

-Kein Abzug „Neu für Alt“ bei Motorradschutzkleidung-

Genau das war bei mir damals der Fall.Die gegnerische Versicherung wollte auch nur den angeblichen Restwert der Kleidung bezahlen.
Leider war mein Anwalt damals,ich sag mal -nicht so aufgeweckt- und ich musste mich selber darum kümmern,dieses Urteil vorzuweisen.
Da ich keine Belege mehr hatte,bei Louis im Netz ähnliche Klamotten gesucht inkl. Helm(meinen gab´s nicht mehr),alles kopiert und rüber geschickt.
- (habe da etwas plus bei gemacht) :razz:

Alles andere hat er,ach ne sorry war eine Sie gut geregelt. ;)

kingandy
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Silver Surfer
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#8 Beitrag von Silver Surfer »

Jaja, der Hoenig. Stellt seine uralte grün/weisse Wanne auf die Spinnerbrücke, stadtauswärtsfahrend sehr gut zu sehen, steht drauf „Kanzlei“.
*hohoho* (Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht einem SiSu)
Mö­gest Du im­mer das Dop­pel­te des­sen be­kom­men, was Du mir wünschst. Bild

HüHa90
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Re: Interessante Motorrad-urteile

#9 Beitrag von HüHa90 »

Vielen Dank für die tollen Infos, find ich sehr lobenswert hier sowas reinzuschreiben :top: :clap:

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