Ich erzählte einem Kollegen, dass ich nach Feierabend in unser Industriegebiet fahren wolle, um defekte (Wohnungs-) Türschlösser zu reklamieren. Er meinte, er sei zeitgleich nebenan bei BMW, ich solle dann doch eben rüber kommen und wir schauen uns ein paar Mopeds an. Gesagt getan. Ich wollte wirklich nur mal schauen, denn mein Traummoped, eine R1200R war außerhalb meines Budgets. Aber direkt im Eingangsbereich stand dann eine in genau meiner Wunschfarbe und genau der Ausstattung, die ich mir selber konfiguriert hätte. Ich habe mich dann vom (nicht unfähigen Geschäftsleiter und Verkäufer) ins Büro ziehen lassen und wir haben mal ganz unverbindlich etwas geredet. Er meinte, dass es seit 2019 die neue R1250R gäbe er aber nicht geglaubt hatte, dass er so eine als Vorführer rechtzeitig zur Saisoneröffnung geliefert bekommen würde (wer weiß ob‘s stimmt). Also hatte er nochmal 3 „alte“ R1200R bestellt und die würde er jetzt mit ordentlichem Nachlass verkaufen. Ich habe gesagt „Nein Danke“ und bin wieder nach Hause….aber er hat mir angesehen, dass ich am Grübeln war. So verabschiedete er mich mit den Worten „Ich wünsche ein paar schlaflose Nächte“. Wie Recht er doch hatte. Ich konnte die nächsten beiden Nächte echt nicht pennen. Ich hatte das Gefühl, dass, wenn ich jetzt nicht zuschlage, mir eine echt super Gelegenheit durch die Lappen geht. Eine ausführliche Recherche der derzeitigen Angebote bei den ganzen Onlineportalen ergab, dass eine 1 bis 2 Jahre alte R1200R mit vergleichbarer Ausstattung mit bis zu 15.000km auf der Uhr (unverhandelt) genau so viel kosten sollte, wie das Neufahrzeug beim gewieften Händler. Ich rief den Händler an und fragte nach einer Probefahrt. „Sorry, das Probefahrzeug ist derzeitig unterwegs und kommt erst morgen (Samstag) wieder zurück. Aber ich kann Dich gerne anrufen, wenn es früh morgens zurück gebracht wird, dass Du dann noch eine Runde vor Ladenschluss drehen kannst.“ Tatsächlich rief er samstags vormittags an und ich stand 30 Minuten später beim Händler, um das Moped Probe zu fahren. Er meinte noch „der Typ, der das Motorrad vor Dir Probe gefahren hat, hat das Fahrzeug mit dem Anhänger abholt, dann 2 km drauf gefahren und heute Morgen mit dem Anhänger wieder zurück gebracht.“ Was er mir damit sagen wollte war, dass das Moped insgesamt erst 2 km auf der Uhr hat, die Reifen also noch nicht eingefahren waren. Das hatte ich aber so nicht verstanden. Ich fahre also, nachdem ich einmal abgewürgt hatte, bei 5°C und dichtem Nebel vom Hof. 200m weiter stehe ich bei Rot an der Ampel, bei Grün würge ich das 2. mal ab. Ich komme mit dem Gas der BMW im Vergleich zu meiner Versys erstmal irgendwie nicht klar. Hinter mir wird man nervös und will mich scheinbar anschieben (der Brummi fährt bis auf einen halben Meter an mich ran). Ich drücke den Starter und gebe Gas und will nach rechts abbiegen. Der Hinterreifen dreht durch, das Heck bricht aus und binnen Millisekunden bin ich schweißgebadet. Ich dachte wirklich, dass ich die Karre genau jetzt in diesem Moment weg schmeisse. Der Rutscher kam mir wie eine 90° Drehung vor (vermutlich waren es nur 20cm). Dann jedoch greift die Elektronik ins Geschehen ein und ich ziehe nach diesem eleganten Slide davon. Zum ersten Mal merke ich, was es bedeutet, wenn man diese ganzen Helferlein an Bord hat. ASC, DTC, THC und was weiß ich alles
. Den Rest der Probefahrt traue ich mich nicht ans Kurvenfahren ran. Es ist einfach zu kalt und rutschig, ich sehe wegen des Nebels und der Tropfenbildung am Visier nichts und der Reifen baut irgendwie keinen Gripp auf (bzw. meine Gashand ist nicht feinfühlig genug, um 125 PS sanft auf die Straße zu kriegen). Wie man vom Road- auf den Rainmodus schaltet weiß ich leider auch noch nicht. Also teste ich nur das ABS mit einer satten Vollbremsung. Bei der Versys taucht die Nase weit ab und ich komme gechillt zum Stehen. Bei der BMW bin ich von der brachialen Bremskraft vollkommen überrascht (der Vorderreifen kann also doch Gripp aufbauen). Das Heck hebt sich minimal an und schon stehe ich, leider nicht ohne schmerzhaft an den Tank zu stoßen. Zum Glück habe ich schon 2 Kinder. Mit so einer Bremskraft hatte ich nicht gerechnet. Ich kehre um und teste auf der Rückfahrt den Schaltassistenten. Dieses Stück Technik macht richtig Spass, rauf wie runter, kein Problem. Ich stelle mir jetzt schon vor, wie ich nach langen Tagestouren keine erschöpfte Kupplungshand mehr haben werde. Ich stelle die BMW nach insgesamt 40 km (Geradeausfahrt ohne Schräglage) beim Händler ab und erzähle von meinem Rutscher und er sagt mir „Hab‘ doch gesagt, dass das Moped erst 2 km alt ist“. Da haben wir wohl aneinander vorbei geredet. Ich fahre nach Hause und schlafe noch einmal richtig schlecht. Um es jetzt nicht unnötig in die Länge zu ziehen: Am nächsten Tag habe ich telefonisch das baugleiche Moped aus der Ausstellung bestellt.Die 2008er Versys hatte ich 3 Tage danach auch schon verkauft. Zum Abschluss der letzten Saison hatte ich ihr noch einen neuen Kettensatz und einen neuen Hinterreifen spendiert. Kurz bevor ich die BMW Probe gefahren bin wollte ich nach gefahrenen 1000km die Kette nochmal Nachspannen lassen. Dabei stellte ich leider fest, dass der fast neue Hinterreifen schon einen Nagel drin hatte und nochmal getauscht werden musste. Was für ein Ärger. Ich habe die Versys also der Schrauberbude angeboten und die hatten am darauffolgenden Tag bereits eine Interessentin dafür (vllt meldet sich ja bald jemand hier aus OWL an mit einer schönen blauen Versys). Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber ich war tatsächlich ein wenig traurig, dass ich nicht nochmal eine Abschiedsrunde mit der Versys drehen konnte. Sie war nach dem Führerschein knapp 3 1/2 Jahre lang mein Anfänger- und Lernfahrzeug und dafür war sie echt spitze. Die Leistung hat nie überfordert und trotzdem konnte man schon kräftig heizen, wenn man denn wollte und das bei moderatem Spritverbrauch. Nur das Hinterrad ABS hat mir eine Zeitlang Sorge bereitet, aber selbst das Problem konnte letztlich gelöst werden.
Naja, jetzt habe ich eine R1200R. Das Moped, welches ich schon immer haben wollte. Bisher hatte mir nur die Optik extrem zugesagt, nach der Probefahrt und mittlerweile weiteren 500 km auf dem eigenen Moped weiß ich, dass ich mich richtig entschieden habe. Dabei bin ich noch in der Einfahrphase und darf nicht richtig Gas geben. An die Versys werde ich jedenfalls stets mit guten Erinnerungen zurück denken und würde sie auch weiterhin jedem empfehlen und ans Herz legen. Dass ich so früh schon das Moped wechsle, damit hatte ich selbst nicht gerechnet. Dabei wollte ich doch nur die Türschlösser reklamieren.
