Montag, tremor und BDR529
Nachdem wir am Vorabend vergeblich versucht hatten, Blahwas' Versys wieder in Gang zu setzen und ihm eindringlich abgeraten hatten, mit dem Hinterrad einfach weiter zu fahren, war der Plan am Montag gemeinsam zu einer Werkstatt im Nachbarort zu fahren. Dem Geräusch nach wäre ich nicht mehr als Schritttempo gefahren, aus Angst das Rad könnte unvermittelt blockieren. Am Pass in einer Kurve keine angenehme Vorstellung.
Also morgens raus aus dem Zelt, auf die Pferde und los. Ich bin 5 Meter weit gekommen - super - Platfuß am Hinterrad. Also Planänderung: Blahwas fährt vor und wir kümmern uns um den Reifen. Die Ursache ist zum Glück schnell gefunden. Ein Metallteil steckt im Reifen. Also Reifenflickzeug rausholen und an die Arbeit. Metallstück mit der Zange entfernen, dann mit der Ahle wird das Loch aufgeraspelt. Dann wird mit viel Kraft ein mit Vulkanisationkleber eingeschmierter Flickstreifen eingepresst. 15 Minuten warten - aufpumpen - fertig. Na ja fast fertig. Sind nur 2,2 Bar drin. Aber bis zu nächsten Tankstelle wird's reichen.
Wir telefonieren mit Blahwas. Die Motorrad-Werkstatt hat wie alle anderen Montags geschlossen. Er klappert weiter einige freie Autowerkstätten ab, die aber leider alle abwinken. Blahwas bricht letztendlich die Suche ab, hat aber eine Einsehen und riskiert nichts, sondern verbringt den restlichen Tag im Bummeltempo mit seiner gebeutelten Versys.
Wir klicken uns mit Hilfe der Passknackerpunkte auf die Schnelle eine Strecke für den Tag zusammen.
Tremor und ich fahren zur nächsten Tankstelle, ich werfe einen Euro in den Kompressor und fülle Luft nach - dachte ich. Leider funktioniert das Teil nicht und ich verliere noch ein paar Zehntel. Jetzt sind es nur noch 1,9 Bar. Also auf zur nächsten Tanke, allerdings ist es in Frankreich eher Glücksache eine Tanke mit Kompressor zu finden. Nach vier erfolglosen Versuchen, finden wir eine Autowerkstatt, die mich an ihren Kompressor lässt. Endlich geht's los.
Auf dem Plan steht der Col de la Morte (was für ein Name! Den mussten wir mitnehmen), Alpe d'Huez und eine Reihe weiterer eher unbekannter Pässe. Zum Col de la Morte geht's bei schönstem Sonnenschein über eine wenig befahrene Landstraße. Wir laufen auf einen kleine Peugeot auf, der recht flott unterwegs ist, dabei aber jede Kurve komplett schneidet. Entweder will der ein Rennen oder er hat uns nicht gesehen. Sehr ungewöhnlich in Frankreich. Wir bleiben vorsichtshalber dahinter. Es dauert bis zur nächsten Geraden, auf der wir dann überholen, nicht ohne uns vorher eine Zeit lang davon zu überzeugen, das Peugeot auf seiner Spur bleibt. Entgegen unserer Erwartung saß kein jugendlicher Halbstarker hinter dem Steuer, sondern eine Frau mittleren Alters mit Tunnelblick. Ich glaube, die hat nichts mehr gemerkt.
Der Col de la Morte ist dann noch eher unspektakulär zu erreichen und wir fragen uns, woher er wohl den Namen hat. Tremor weist auf die "Kreperie" (oder so ähnlich) direkt gegenüber hin. Bevor die flachen Witze noch lebensbedrohlich werden, fahren wir lieber weiter. Es folgt eine aus flüssigen Kurven bestehende Abfahrt, angenehmerweise durch einen Schatten spendenden Wald. Frankreich ist Motorradfahrerland.
Den nächsten Pass hätten wir uns dann doch eher gespart, wenn wir geahnt hätten, dass es sich offensichtlich um eine Teststrecke für Stoßdämpfer handeln muss. Immerhin entschädigt die Landschaft für den unterirdischen Straßenbelag.
Von hier aus geht's zum Mythos Alpe d'Huez. Mal sehen, was da so dran ist. Wie zu erwarten, sind viele Radfahrer unterwegs, die aber erstaunlicherweise nicht mithalten können. Vielleicht haben hier auch die Apotheken Montags geschlossen. Wir schaffen es bis zum Gipfel - warum alle darum so eine Welle machen? Wir wissen es nicht. Auch die Steigung sollte ja nicht das Problem sein - geht ja bergab, wie man hier sehen kann.
Wir suchen wieder etwas weniger frequentierte Strecken und landen auf einem Gipfel, den wir für ein paar Fotos nutzen.
Es fängt an zu regnen und wir beeilen uns, in die Regenkombis zu kommen. Ein paar hundert Meter tiefer hört es auf und die Temperaturen steigen sprunghaft. Also raus aus der Kombi und weiter. Natürlich setzt der regen sofort wieder ein und ich halte, um wieder in die Kombi zu steigen. Tremor bleibt skeptisch, ob das nötig ist, aber wenn die Klamotten erst mal nass sind... Natürlich hört es nach 30 Sekunden fahrt wieder auf. Grmmpfffhh. Immer diese Rechthaber. Das war's dann aber auch mit dem Regen.
Wir fahren über eine schnurgerade etwas wellige Strecke. "Etwas" war dann aber doch die Untertreibung des Tages. Ich fahre im Landstraßentempo also um die 90-100 Km/h, als sich die Straße vor mir wie eine riesige Welle (geschätzter "Wellenhöhe" 2-3 Meter) auftürmt, dann aber auf dem Wellenberg unvermittelt in eine Ebene übergeht. Soll heißen, ich hebe mit beiden Rädern vom Boden ab - auf einer breiten Landstraße! Für tremor sieht das ganze wohl spektakulärer aus, als es sich anfühlt - hat was von Kirmes-Achterbahn: "Airtime". Er nimmt Gas weg. Meine Überraschung ist noch nicht ganz verflogen, als die nächste Welle folgt. Und noch eine. Es fängt an Spaß zu machen und ich überlege, noch mal umzudrehen, besinne mich aber, es nicht zu übertreiben.
Wir kommen nun zum Hoch und dem unmittelbar folgenden Tief des Tages für tremor. Wir passieren eine Brücke über eine tiefe Schlucht, auf der eine Spur gesperrt ist. Die "Baustelle" entpuppt sich als Absprungplattform für Lebensmüde. das ist das Stichwort für tremor. Ich halte am Ende der Brücke, schaue zurück und frage "Und? Willste springen?". Er schaut kurz zurück und antwortet ohne zu zögern "Ja.". Auf die Gegenfrage, sage ich nur "Ich bin doch nicht bescheuert!" Also drehen wir und fahren zu einem Blockhaus mit der Anmeldung. Die machen das hier wohl öfter.
Die Anmeldung geht fix. Er kommt nur kurz auf die Waage, drückt 89€(!) ab und wir marschieren zur Brücke. Er ist der letzte Springer des Tages und wird fachgerecht gefesselt. Jeder Vorgang wird fotografiert - vermutlich damit keine klagen kann, wenn's schief geht. Aber ich sage nichts. Dann geht alles ganz schnell. Er wird gefragt, ob er noch eine paar letzte Worte an die Anwesenden richten möchte und steht schon oben auf dem Geländer. Ich schaue in die 105 Meter tiefe Schlucht und schüttle den Kopf. Dann lieber Fallschirmspringen als sich in so eine Schlucht zu stürzen. Nach dem Countdown geht tremor in die Kniee (klar, dann ist's nicht so hoch) und springt ohne zu zögern runter. Weg ist er. Ich filme das Ganze und schüttle immer noch den Kopf.
Ich schlendere zurück, gönne mir ein Kaltgetränk in der Hütte und warte, bis sich tremor bei der Hitze den Berg wieder hoch gekämpft hat. Nach einer kurzen Erholungsphase beschließen wir, die Route etwas abzukürzen, wollen aber auf einen dem Anlass angemessenen Pass nicht verzichten:
Wir legen noch einen kurzen Zwischenstopp beim Supermarkt ein, um ein paar Getränke mitzunehmen. Tremor wartet bei den Moppeds und wirkt ganz nervös, als ich raus komme. Ich folge seinem Blick und sehe jetzt auch die nahende schwarze Wolkenwand. Wenn wir nicht zurück schwimmen wollen, wird's jetzt aber Zeit. Wir geben Gas und als wir auf den Platz einbiegen, fallen die ersten Tropfen. Wir retten uns gerade noch in den Pavillon, als Petrus die Schleusen öffnet. Perfektes Timing.
Meine Reifenflickaktion vom Morgen war leider nicht ganz erfolgreich, der Reifen hat den Tag über leicht an Druck verloren, was der Spülitest auf dem Campinplatz bestätigt. Also noch zwei weitere Streifen einsetzen, bis alles dicht ist. Bis zum nahen Ende des Profils am Ende des Urlaubs war kein Druckverlust mehr messbar. Einen halben Tag Urlaub wegen eines Reifens zu verlieren, wäre auch ziemlich blöd gewesen.
EDIT zu den Kameras: tremor verwendet eine Olympus E3, ich eine Canon EOS 600D