Mi Tschechien Teil 4/4?
Ich bin mal wieder zu früh wach für das Hotelfrühstück, habe aber auch keinen Hunger. Dafür habe ich diese Aussicht aus dem Hotelzimmer.
Ich könnte jetzt aufs Frühstück warten, aber ich werde ja wohl in der Nähe von Kawa was zu essen finden, während dort gearbeitet wird. Morgens geht es also nach Budweis, wo ich um 9 Uhr bei Kawasaki auf der Matte stehen will. Erstmalig spare ich mir morgens die Membran in der Klamotte, die fliegt nach spätestens einer Stunde eh raus. Die direkte Strecke zur Werkstatt ist nur 50 Minuten lang, es liegt aber noch ein Passknacker am Weg, der gleich mal einkassiert wird: Zahradka. Einer von diesen Punkten im Wald, mit kurviger Strecke aber sonst wenig Mehrwert.
Budweis ist übersichtlich und der Verkehr ist nicht schlimm. Ich hatte eigentlich Berufsverkehr erwartet, der hält sich aber sehr in Grenzen. Entweder gibt es hier einen Bevölkerungsrückgang oder die Öffis sind stark, was typisch für Osteuropa wäre. Es gibt einige Ampeln, und die Einheimischen Beachten sie. Sich wie die Einheimischen zu verhalten ist immer meine erste Idee in der Fremde. Der Kawahändler ist auf gehobenem Flagship-Store Standard, mit weißen Ledesrofas. Der Mann am Empfang ist sehr freundlich, kennt meine Mails, spricht aber kein Wort Englisch mit mir. Wir tippen abwechselnd in Google Translate an seinem PC. Ich erhalte einen Auftragsschein für die Montage der mitgebrachten Kette und einen Ölwechsel. Handschriftlich steht da 12:30. Ich gucke gequält. Er lächelt und macht 11:30 draus. Ich bin sehr happy! Reisende soll man nicht aufhalten.
Ich mampfe zunächst eine mitgebrachte Banane, die ich gestern nicht mehr geschafft habe, trinke mein Wasser und schaue mich im Shop um. Dann begebe ich mich zu Fuß auf einen kleinen Rundgang und stelle fest, dass ich hier kurz hinterm Hauptbahnhof bin. Da findest sich auch eine Metzgerei, aber ich habe kaum Hunger. Sie hat würzig aussehende Backwaren, und mit Hand und Fuß kaufe ich diese für 25 Cent. Schmeckt ganz gut und der Magen fühlt sich schon wieder voll an. Passt. Noch ein wenig die Straßen abwandern, und um 10:30 gucke ich mal zum Händler zurück. Ich höre ein mir vertrautes Motorgeräusch, und sehe meine Versys vor der Werkstatt. Die Kette ist jetzt gold statt vorher grau. Ist der schon fertig? Ich gehe hin, der Mechaniker ist vielleicht 20 Jahre alt und sagt freundlich "all done!". Ich freue mich wie ein kleines Kind zu Weihnachten, bedanke mich überschwänglich, und gehe bezahlen: 80 Euro sind für mich ok. VISA ist auch ok. Der Mann am Empfang kann zum Abschied plötzlich doch Englisch. Seid doch nicht so schüchtern – don’t be afraid to be shit!
Die Kette ist natürlich zu stramm eingestellt, aber das ist ja immer so, schließlich ist es Kawa-Vorgabe. Ich hatte extra vorher das Federbein weicher eingestellt und stelle es jetzt wieder härter (5/7). Das hilft etwas, aber lange nicht ganz. Da es mittlerweile schon wieder unangenehm warm ist, verschiebe ich die Korrektur der Kettenspannung auf die nächste Pause, möglichst kühl im Wald auf einem Berg.
Also rein in die Klamotten und mit bester Laune westwärts zum nächsten Passknacker: Nova Hospoda. Da der Boxenstopp so kurz ausfiel habe ich heute die Möglichkeit, nicht nur alle restlichen Passknacker zu fressen, sondern auch noch mein eigentlich für morgen geplantes Tagesziel Nürnberg zu erreichen.
An der erstbesten Haltemöglichkeit im Wald oben am Berg halte ich und widme mich der Kette. Und jetzt kommt endlich mal was aus der Abteilung Slapstick: Beim Spannen der Kette sollte der Leerlauf eingelegt sein. Beim Parken am Berg sollte ein Gang eingelegt sein. Der Seitenständer hält das Motorrad aber auch, wenn es nur leicht bergauf steht. Dank meines wiederverwendbaren Sicherungssplints brauche ich keine Zange zum Spannen, und so bin ich bald fertig. Auch der Kettenöler wird wieder ausgerichtet. Alles fertig, ich habe sogar Handschuhe getragen und saubere Finger.
Sehr zufrieden schnalle ich das Gepäck wieder drauf, steige in meine Klamotten und aufs Motorrad. Liebe Kinder, folgendes bitte nicht nachmachen: Am Berg im Leerlauf parken, so dass der Seitenständer das Motorrad hält, und dann einfach so aufsteigen. Was passiert dann? Logisch, das Motorrad fährt los, sobald man den Seitenständer entlastet, und zwar rückwärts. Das hatte ich so noch nicht, aber ich habe gelernt, was man tun muss, wenn das Motorrad ungefragt rückwärts fährt: Gang rein treten, ruhig ohne Kupplung, und Finger und Füße von den Bremsen lassen. Vorne hätte man eh keinen Grip. Das klappt tatsächlich und ich ärgere mich über meine Vergesslichkeit bzw. den schlecht gewählten Platz für diese Wartungsarbeit.
So, jetzt aber, Tschechien fertig knacken! Die Region hier grenzt an den Bayerischen Wald an und wirkt gleich viel deutscher, oder mehr nach Österreich-Ungarn, als der Ostteil. Es sind auch deutsche Motorradfahrer unterwegs, die man an Kaufpreisen der Maschinen über 20000 Euro erkennt und natürlich daran, dass sie nicht einfach so jeden grüßen. Die letzten tschechischen Passknackerpunkte sind ganz nett, aber hauen mich nicht mehr um. Ich bin im Endspurt und habe mein Ziel vor Augen. Ich will gar nicht rasten. Es ist wenig Betrieb hier, rechts und links oft Wald und man hat wenig Ablenkung von der Straße.
Dabei habe ich noch die vermutlich haarigste Situation des ganzen Urlaubs, weil mir in einer nicht einsehbaren Linkskurve ein LKW aus Ostblock-Zeiten in der Straßenmitte entgegenkommt, der ob seines gehobenen Tempos auch nicht mehr nach innen ausweichen kann. Ich kann auch nicht nach außen ausweichen, denn ich bin schon so weit außen, wie es sinnvoll geht – Varahannes Sicherheitslinie, halt. Ich weiß auch, dass man im ersten und zweiten Schreckmoment immer denkt, dass es nicht passt, obwohl es doch passen würde – und ich bleibe cool. Und es hat gepasst. Cool bleiben können ist echt nicht zu unterschätzen im Sattel.
Um 14 Uhr erreiche ich Spicacke Sedlo, meinen letzten Punkt in Tschechien.
Der letzte tschechische
Erneut lege ich eine Pause ein und prüfe mit der gesammelten Technik, ob ich auch wirklich alle habe – einmal versehentlich "Wegpunkt überspringen" am Navi drücken reicht ja, um einem den Landespreis zu versauen. Es sind aber tatsächlich alle da und ich bin sehr zufrieden. In rund 5 ganzen Fahrtagen (heute und Samstag zähle ich halb) habe ich alle Passknackerpunkte in Tschechien gesammelt, und diverse in Polen, Slowakei, Deutschland und Österreich gleich mit dazu
Darauf bin ich schon etwas stolz.
Was mache ich nun mit dem restlichen Tag? Westlich von mir liegt der Bayerische Wald. Da gibt’s auch zahlreiche Passknacker, und ich habe dafür eine Route vorbereitet. Die lade ich einfach mal. Die war eigentlich für morgen gedacht, und endet in Nürnberg bei meinem Elternhaus. Ich könnte noch mal unterwegs übernachten und mir noch die fränkische Schweiz vornehmen. Aber irgendwie bin ich ein wenig ermattet, und so gerne ich Motorrad fahre, ich bin heute den 8. Tag unterwegs, langsam wird’s etwas fad. Also entscheide ich mich abzukürzen und nehme nur ein paar bayerische Passknacker mit: Brennes, Absetz, Höllhöhe, Dachsriegel, Lengau, und der Rest ist dann Autobahn. Ich bin erstaunt, dass das nur eine Stunde von Nürnberg ist, und dass ich keinen Stau habe.
Am Elternhaus freue ich mich auf ein Wiedersehen, seit meinem Umzug nach NRW vor 16 Jahren komme ich immer seltener vorbei, und die Eltern werden auch nicht jünger. Mal in einer vertrauten Umgebung zu sein und sich verständlich machen zu können ist auch schön. Abends besuche ich noch meine Schwester und ihren Sohn, dem ich als Kinderloser interessiert beim Aufwachsen zugucke. Meinen Schwager verpasse ich leider. Der fährt immerhin auch Motorrad! Gepennt wird bei den Eltern im mir bestens vertrauten Gästezimmer.
Route heute etwa 450 km