Reisebericht Toskana 2018

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blahwas
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Reisebericht Toskana 2018

#1 Beitrag von blahwas »

Reisebericht Toskana 2018 - mit einer Prise Ligurien garniert mit etwas Emilia Romagna, Marken und einem Hauch von San Marino
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Die Toskana, unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer nahen Vergangenheit - im Juni 2018. Dies sind die Abenteuer von vier unerschrockenen Motorradfahrern,
die viele Lichtmillisekunden von der Heimat entfernt unterwegs sind, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen.
Die vier dringen dabei in Gegenden vor, die (fast) nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Die vier Hauptdarsteller:
Blahwas auf einer Versys 650
Manuel auf einer MT07 Tracer
Tremor auf einer KTM 690 SMC-R
BDR529 auf einer R 1200 GS

In weiteren Nebenrollen:
Eine Eidechse (R.I.P.)
Ein cholerischer Holländer
Zwei italienische Fahrlehrer
Eine Bandit bittet zum Duell
Herr Rossi
Die Schwerkraft (unaufgefordert)

Den Reisebericht hat ursprünglich BDR529 geschrieben. Er ist ja manchen vom Höhentreffen bekannt. Wir waren an einigen Tagen getrennt unterwegs, darum werde ich im folgenden tagesweise erst seinen Bericht posten und dann meinen.

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blahwas
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Re: Reisebericht Toskana 2018

#2 Beitrag von blahwas »

Planung und Vorbereitung
BDR529 schrieb: Nach dem letztjährigen Urlaub mit BDR529, Blahwas, Tremor und Manuel in den Cevennen und Pyrenäen stand diesmal die Toskana auf dem Programm. Wir hatten noch zwischen Sardinien, Korsika und der Toskana geschwankt, aber dann kurzerhand abgestimmt. Also auf in die Toskana.

Wie zuletzt hatten wir uns auf die Anreise mit zwei Autos und jeweils einem Anhänger geeinigt. Die ausschlaggebenden Vorteile für uns ist die entspannte Anfahrt mit Fahrerwechsel. Dadurch sparen wir Zeit, die wir vor Ort einsetzen können. Zudem ist im Auto auch Platz für einen Pavillon, einen Tisch und 4 Stühlen sowie dem allerwichtigsten: Eine kleine Kühlbox, die unsere Getränke temperiert. Ein weiterer Vorteil: Wir können die Tagestouren ohne Gepäck absolvieren und müssen morgens nicht ab- und abends wieder aufbauen. Dafür geht ein bisschen Abenteuergefühl verloren. Beim nächsten Mal werden wir wieder neu entscheiden.

Die Toskana ist zu groß, um sie von einem einzigen Basislager aus mit Tagestouren zu erkunden. Daher wählten wir zwei Basislager aus, müssen dazu allerdings auch einmal umziehen. Mit Hilfe von Google Maps und Zoover schlug ich zwei Campingplätze vor, einer im Norden, einer im Osten der Toskana. Wir wurden uns schnell einig und wir konnten mit der Planung beginnen.

Blahwas hatte in kurzer Zeit alle irgendwie greifbaren Passknacker-Punkte jeweils zu Tagestouren rund um die beiden Campingplätze zusammengefasst. So schnell kann die Planung gehen. Da sich mein Bedürfnis Punkte zu sammeln in sehr engen Grenzen hält, und ich mir auch einige Sehenswürdigkeiten ansehen wollte (u.a. Siena, Volterra, Mugello), habe ich noch einige Alternativrouten geplant, um auch ein paar schöne Fotomotive zu sammeln. Mal sehen, was dabei rauskommt. Wie in vergangenen Urlauben auch, werden wir die eigentliche Routenauswahl für den nächsten Tag am Abend vorher festlegen.

Diesen Routen stehen an den beiden Basislagern zur Auswahl:
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1. Basislager Camping Pian d'Amora

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Transferetappe

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2. Basislager Camping Falterona

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#3 Beitrag von blahwas »

Anfahrt (2./3.6.18)

BDR529 schireb: Blahwas und ich einigten uns darauf, Samstag abends los zu fahren, was Blahwas nicht davon abhielt tagsüber mal eben noch 23 Passknacker in Belgien und der Eifel einzusammeln. Verrückter Passknacker-Junkie!

Ich sammelte ihn abends in Koblenz auf, und wir machten uns auf den Weg in Richtung Schweiz. Wie ich erfahren hatte, benötigt dabei nicht nur mein PKW eine 35€-Jahresvignette, sondern auch mein Anhänger. Also 70€ für die Schweiz. Das kommt einem schon recht viel vor, es relativiert sich allerdings, wenn man in Italien für eine Strecke vom Gotthard bis nach Massa rund 50€ Mautgebühr zahlen muss. Na ja, egal. Verwundert war ich allerdings, dass an der Grenze ein Zöllner angelaufen kam, als er uns kommen sah und unseren Anhänger kontrolliert hat. Als er die Plakette sah, die ich auf Anraten der freundlichen Verkäuferin auf der linken Anhänger-Seite aufgeklebt hatte, zeigte er den Daumen hoch und winkte uns freundlich durch. Das wird vermutlich öfters aus Unwissenheit an der Grenze zu überraschten Gesichtern führen.

Nach dem Gotthard-Tunnel, es muss um die 1:00 Uhr Nachts gewesen sein, waren wir beide durch und haben uns im Auto auf's Ohr gehauen. Wirklich schlafen war das allerdings nicht. Mein Auto ist für sowas zu klein. Das rächt sich am nächsten Tag. Ich bin für 4 Stunden Halbschlaf nicht gebaut worden. Das muss zukünftig anders werden. Übernachtung auf einem Campingplatz oder einem Hotel - mal sehen.
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Morgens um 5 ging's weiter ohne Stau bis zu unserem ersten Basislager auf dem Campingplatz Pian d'Amora, den wir gegen Mittag erreichen. Wir besichtigten den Campingplatz und suchten uns zwei schöne Plätze aus, die uns ausreichend Schatten boten. Da Der Platz an einem Hang liegt und in Terrassen angelegt ist, können die PKW nicht bis zum Zeltplatz gefahren werden, doch unsere beiden Plätze lagen nur wenige Meter von einigen Stellplätzen für PKW und Motorräder entfernt, was uns einiges an Schlepperei erspart hat.
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Ein Hoch auf die Nebensaison. Bei Tremor und Manuel, die sich erst Sonntag früh auf den Weg gemacht hatten, lief es nicht so rund und sie verpassten das Essen in der Pizzeria. Die Bedienung ist sehr freundlich und die Pizza sehr lecker. Der Campingplatz war schon mal eine gute Wahl.

Wir nutzen den Nachmittag, um unsere Getränkebox in einem großen Supermarkt zu füllen. Das ist hier Sonntags natürlich kein Problem. Dazu mussten wir allerdings mit den Motorrädern erstmal zig Kurven den Berg herunter und wieder hinauf bewältigen. Manchmal hat man einfach Pech. Zwischendurch war noch etwas Zeit für ein paar Schnappschüsse des Ortes, in dem wir uns niedergelassen hatten. Es hätte uns schlimmer treffen können.
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Auf eine größere Tour verzichten wir, da wir durch die Anfahrt und wenig Schlaf noch ziemlich müde sind.

Was lange fährt, kommt endlich an: Gegen 22:00 Uhr treffen dann auch tremor und Manuel auf dem Campingplatz ein. Gemeinsam werden noch schnell die Motorräder abgeladen und dann dürfen die zwei unter unseren kritischen Blicken ihre Zelte aufbauen. Ein wenig mitgeholfen haben wir dann doch, auch wenn's schwer fiel. Anschließend gibt's zur Belohnung für die Nachzügler ein kühles Bier - man ist ja schließlich professionell vorbereitet. Der erste Fahrtag wartet!

Und als blahwas ergänze ich:
Bei der Anreise ist mir noch in Erinnerung geblieben, dass gegen 1 Uhr morgens rund um Zürich diverse Luxusautos aus deutscher und italienischer Produktion mit heimischen Kennzeichen auf der Autobahn offensichtlich Rennen gefahren sind. Schön scheinheilig hier. Pennen im Auto hat für mich besser geklappt als für BDR. Anhängeranreise ist nicht die reine Freude, aber halt ein effektives Mittel zum Zweck: Günstig und zügig ins Zielgebiet kommen. Dank reichlich Erfahrung in dieser Fahrzeug-Konstellation sind wir beim beladen schon sehr effektiv. Nix kippelt mehr. Vor dem schlechten Fahrbahnzustand wurden wir ja vorab gewarnt, und das hat sich leider schon am ersten Tag bewahrheitet. Unebenheiten sind in Ordnung, Belag ohne Grip finde ich dagegen fragwürdig. Sehr positiv dagegen die italienische Fahrkultur, dass man überall was zu essen/trinken bekommt und dass eigentlich alle freundlich zu uns waren. Der erste Campingplatz mit seiner Terrassenlage machte den Weg zum Waschhaus ziemlich weit, aber das Restaurant auf dem Platz war lecker und die Bedienung herzlich. Dafür reichte das WLAN mal wieder nicht ganz bis zum Zelt.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#4 Beitrag von blahwas »

Montag, 4. Juni - Warmfahren

BDR529 schrieb: Endlich der erste Fahrtag. Wir peilen ca. 10:00 Uhr für die Abfahrt an und sortieren die Ausrüstung, Manuel und Blahwas entfernen überflüssige Topcase-Träger und wir laden die Navis mit der geplanten Tour. Die heutige Route umfasst 263 Kilometer Richtung Nord-Westen und führt auch ein Stück durch die Emilia-Romagna.
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Die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist sehr durchwachsen, es sind immer wieder Schauer angesagt, aber heute soll es trocken bleiben. Ich bin Optimist und lasse die Regenkombi im Zelt, zweifle aber, ob ich das nicht bereuen werde.

Was sich schon am Vortag bei der ersten Fahrt zum Supermarkt angedeutet hatte, bestätigt sich im Laufe des Tages immer wieder. Die überall zu findenden Schilder bezüglich des Straßenzustands sind ernst zu nehmen. Die Straßen sind in einem denkbar schlechtem Zustand. Schlaglöcher, endlose Flickenteppiche und Absenkungen sind eher die Regel, als die Ausnahme. Damit lässt sich aber umgehen, wirklich schwierig ist allerdings der Asphalt selber, der auch bei Trockenheit durchgehend sehr glatt und rutschig ist. Wir haben in der nördlichen Toskana alle immer wieder mit Rutschern zu kämpfen. Das kennen wir so aus anderen Regionen nicht. Von rastenschleifender Fahrweise ist hier dringend abzuraten. Dafür entschädigt die tolle Landschaft und das zu dieser Jahreszeit geringe Verkehrsaufkommen.
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Am Passo di Praderena weist uns Blahwas auf eine Offroad-Abkürzung hin, die ein paar Kilometer weiter wieder auf die Route führt. Tremor und ich wollen es versuchen, Manuel winkt sofort ab, immer noch von seiner letzten Offroad-Erfahrung in den Cevennen einschließlich Leck-geschlagenen Ölwanne traumatisiert, meidet er jegliche Schotter- oder Offroad-Wege.
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Hätten wir diesmal auch besser gemacht, denn der erste Teil des Weges ist durch sehr grobes altes Pflaster, feuchter Wiese und und zunehmendem Gefälle geprägt. Als wir dann im Wald auf einen dichten Belag aus nassem Laub treffen, dem unsere Straßenreifen nichts mehr entgegen zu setzen haben, beschließen wir umzudrehen.
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Wir kommen so gerade noch die Steigung wieder hoch und erreichen die Straße.

Mir fällt auf, dass etwas fehlt. Wo ist meine Sonnenbrille? Mir schwant, dass ich die bei der letzten Pause auf dem Koffer abgelegt und vergessen habe. Ich fahre einen Kilometer zurück, in der Hoffnung, dass sie nur herunter gefallen ist. Und tatsächlich finde ich sie wieder, allerdings ist sie unter die Räder gekommen. Meine forensische Analyse ergibt, eindeutig, dass sie von einem Conti Road Attack 3 überrollt wurde und dann schwer verletzt zurück gelassen wurde. Klarer Fall von Unfallflucht. Die Eingrenzung des Täters wird allerdings dadurch erschwert, dass wir alle den gleichen Reifen fahren.

Alle Wiederbelebungsversuche scheitern und ich muss sie schweren Herzens beerdigen.

Am Passo di Pratizzano legen wir eine Pause ein und genießen die tolle Aussicht. Manuel nutzt im Urlaub jede Gelegenheit für ein neues Instagram-Foto seiner MT07.
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Dort steht auch ein Gedenkstein für zwei gefallene Partisanen, die im April '45 bei der Befreiung Italiens von den Faschisten gefallen sind. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die Familie der beiden Vettern empfunden hat, als man ihnen die Nachricht ihres Todes überbracht hat. Sowas lässt mich immer an der Menschheit insgesamt zweifeln. Einige der wenigen Spezies auf Erden, die sich gegenseitig systematisch umbringen.
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So eine Gedenktafel reicht mir schon vollkommen aus, um den Wahnsinn des Krieges zu begreifen. Einen Besuch in einer KZ-Gedenkstätte würde ich vermutlich nicht ertragen können. Was für eine Verschwendung von Leben.

Das Wetter wird jetzt zunehmend schlechter und wir bekommen die ersten Regentropfen ab und die Straßen werden immer rutschiger. Am Passo del Lagastrello beschließe ich, die zwei folgenden Stichstraßen zu zwei Passknackerpunkten auszulassen und mich auf die Suche nach einem Café zu machen. Wir vereinbaren, dass ich vorfahre und im nächsten Café warte. Am Ristorante Il Capriolo Di Meloni Stefano angekommen (die Italiener können einfach gut klingende Namen) bemerke ich, dass der Kleber, mit dem meine Smartphone-Halterung an eine Trägerplatte geklebt ist, offensichtlich nicht hitzefest ist und beginnt sich abzulösen. Das ist mit etwas Sekundenkleber schnell behoben.

Kurze Zeit später treffen die drei begleitet von einer größeren Gruppe deutscher Harley-Fahrer ein und wir gönnen uns Chips und Getränke.

Wir fahren weiter Richtung Carrara und Massa und man sieht überall entlang des Weges Gewerbetriebe, die mit riesigen Marmorblöcken handeln, und auch verlassene Industriegelände.
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Leider lädt das Wetter weiterhin nicht zum verweilen ein. Wir werden zwar nicht wirklich nass, aber es fährt sich schon ziemlich verkrampft auf den glatten Straßen.
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Wir kreuzen heute mehrfach die Linea Gotica, eine Verteidigungslinie der deutschen Wehrmacht gegen die alliierte Invasion aus Süd-Italien. Wir finden eine Gedenktafel für einen Partisanen - Adriano Tardelli "Das Bajonett" - der Juden, Homosexuelle, Roma und Widerstandskämper durch diese Linie geschmuggelt hat und 1945 von den Faschisten hingerichtet wurde.
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Von Massa aus, geht es Richtung Castelnuovo di Garfagnana, eine Strecke, die mir der Besitzer des Campingplatzes wärmstens empfohlen hat. Wir kommen an einem Marmorsteinbruch vorbei, bei dem mir ein großes aus dem Fels geschnittenes Portal auffällt, dass ich bei schönerem Wetter auf jeden Fall wieder besuchen möchte. Auch die Straße verspricht bei trockenem Wetter höchsten Fahrspaß.

Wir beenden den Tag diesmal zu viert in der Pizzeria am Campingplatz mit Pizza und Pasta. Wir kommen noch mal auf die letzten Urlaube zu sprechen und Johannes lässt nicht unerwähnt, das Tremor und ich bei der Stella Alpina unsere Motorräder beide einmal aus Unachtsamkeit abgelegt hatten (im Stand wohlgemerkt). Eine Spitze, die sich am nächsten Tag zu unser beider Befriedigung noch rächen sollte.

Wir studieren noch die Wetterlage und beschließen aufgrund des zu erwartenden Sonnentages, die Route ans Meer zu nehmen. Die wird uns zudem erneut durch das vielversprechende Tal von heute Nachmittag führen.

blahwas kommentiert noch:
Am ersten Fahrtag sind wir ein wenig einer Regenwolke hinterher gefahren, ohne jedoch wirklich drunter zu kommen. Die Passknackerpunkte waren teilweise interessant, teilweise belanglos, aber meist kurvig und abgelegen, wie ich das mag. Den Bereich nordwestlich der SS63 hätte man sich aus Fahrspaß-Sicht aber sparen können. Umso schöner war das Hochgebirge zwischen Carrara und Barga (SP4/SP13) mit dem Marmor, das wir leider nur im Nebel und bei ziemlicher Kälte erlebt haben. Für mich eine unangenehme Erinnerung an den Spanienurlaub drei Wochen zuvor :eek:

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#5 Beitrag von blahwas »

Dienstag, 5. Juni - Sonne, Strand & Marmor
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BDR529 schrieb: Heute wachen wir mit dem für Italien gebuchtem Wetter auf. Strahlender Sonnenschein und von Wolken keine Spur. So soll es sein. Daher werden die luftigsten Klamotten angezogen und die Regenklamotten bleiben, wo sie hingehören. Wobei es mir für immer ein Rätsel bleiben wird, wie Manuel es in der schwarzen Textilkombi selbst bei höchsten Temperaturen aushalten kann, und sich auch in Pausen nicht der Jacke entledigt. Ich bin da eher italienisch veranlagt und fahre schon mal nur im T-Shirt. Nur an Flip-Flops mag ich mich nicht richtig gewöhnen. Ohne Mesh-Jacke, Aramid-Jeans und Mesh-/Lederstiefel würde ich jämmerlich eingehen.

Unsere Tour startet in Richtung Castelnuovo di Garfagnana und von dort aus in das Tal mit den Steinbrüchen in Richtung Massa / Carrara. Die Strecke hält was sie gestern versprochen hat und verwöhnt mit flüssigem Kurvengeschlängel und toller Landschaft. Wir lassen aufgrund des glatten Asphalts Vorsicht walten, zumal die Straßen durch die Marmor-Transporter an Einfahrten zu Steinbrüchen ein wenig weißlich gepudert sind. Die LKWs sind schon beeindruckend, wenn sie uns mit einem einzigen großen Steinquader in der Größe eines kleinen Containers auf der Ladefläche begegnen. Die Zurrgurte, mit denen die Quader befestig sind, wirken allerdings eher als Alibi-Schutz. Das ist etwa so, als würde man den Gurt im Auto durch einen Wollfaden ersetzen.

Einen ersten Stopp legen wir an einem kleinen Stausee ein und genießen die Landschaft.
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Ich fahre vor, um das gestern entdeckte Portal nicht zu verpassen. Et voilà es steht auch heute noch an seinem Platz. Den Steinbruch erreicht man durch das Portal und findet an den Wänden das eine oder andere Kunstwerk auf den Marmor gemalt. Eine bessere Fotokulisse kann man sich nicht ausdenken.
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Hier will man eigentlich nicht so schnell wieder weg, aber heute lockt die Küste und so brechen wir wieder auf. Wir erklimmen den ersten Pass, bei dem die Zufahrt zu einem Steinbruch stilgerecht mit großen Marmorblöcken abgestützt wird. Man hat's ja. Wir posieren für das erste Gruppenfoto.
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Beim Losfahren passiert das, wovor schon Salomo in der Bibel warnte: "Hochmut kommt vor dem Fall!" Blahwas' Motorrad verliert plötzlich dramatisch an Höhe und nimmt eine entspannte Liegeposition ein. Aber es ist nichts passiert und wir helfen der Maschine wieder in eine würdigere Stellung. Tremor und ich können nicht umhin und fragen mit breitem Grinsen im Gesicht "Hattest du nicht gestern Abend noch voller Stolz....". Aber lassen wir das. Wir nehmen es als Bereicherung für unseren Reisebericht gerne mit. Das soll auch nicht der letzte Fauxpas von uns gewesen sein. Nur einer wird sich der Gruppendynamik entziehen und keine Beiträge zu unserer Heldensaga beisteuern. Aber zu seiner Verteidigung sei jetzt schon gesagt, dass er die Urlaube zuvor durchaus schon vorgelegt hatte.
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Wir erreichen nach einer Vielzahl von Kurven Massa und die Küste zieht uns in ihren Bann. Unser nächstes Ziel ist La Spezia. Wir meiden die Autobahn und fahren über die Landstraße, die allerdings praktisch nur innerorts verläuft. Wir überholen großzügig Auto um Auto, was hier niemanden stört, und kommen ganz ordentlich voran. Wir werden etwas später im Urlaub noch in die tieferen Geheimnisse eingeweiht werden, wie man sich als Motorradfahrer in Italien angemessen verhält. Aber dazu später mehr.

Wir verlassen die Toskana und sind jetzt schon in Ligurien. Auf Höhe von San Torenzo zieht es mich zum Meer und ich bedeute den anderen, doch eine Pause am Strand einzulegen. Trotz etwas verwirrender Beschilderungen bezüglich Sperrungen der Uferstraße, von der aber Motorräder ausgenommen sind, finden wir schnell die Uferpromenade und parken in den reichlich vorhandenen Parkplätzen für Roller und Motorräder. In einem Café erkundige ich mich, ob die Sitzplätze mit Sonnenschirmen und musikalischer Untermalung gegenüber der Straße direkt am Strand zum Café gehören und wir dort bedient werden. "Naturalmente, la prego di sedersi." oder so ähnlich klingt hervorragend und wir lassen und nieder. Urlaub! Die Bedienung ändert den nervendem Techno in entspannende etwas, dass ich mal als italienischen Reggae einordnen würde. Perfetto!
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Wir genießen Insalata Caprese bzw. Melone Prosciutto und kühle Getränke. Warum haben wir keine Badesachen mitgenommen? Ich will gar nicht mehr weg, aber wir raffen uns dann doch wieder auf und fahren weiter Richtung La Spezia und dann über die Küstenstraße zum Parco Nazionale delle Cinque Terre. Die Landschaft ist atemberaubend schön und man ist hin und her gerissen, ob man nach der nächsten Kurve wieder anhalten will um die Landschaft und das Meer zu bewundern oder weiter fährt, um noch mehr Landschaft zu entdecken.
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Am Passo del Termine drehen wir ab und fahren Richtung Landesinnere. Für mich steht der Entschluss bereits fest, die nächsten Tage hier noch einmal hinzukommen. Wir halten uns gen Osten und erreichen über den Passo dei Solini den wenig spannenden Passknackerpunkt "Bagatello". Der Name ist hier Programm. Die Navis tun sich hier ein wenig schwer mit der Routenberechnung und kommen wie so oft zu unterschiedlichsten Wegen.
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Tremor macht Pause...
Auf den OSM-Karten entdecke ich eine Abkürzung, durch die OSMAnd aber partout nicht routen will. Aber der Weg sieht doch prima aus und ist nicht ausdrücklich verboten! Was weiß das blöde Navi schon. Manuel sieht den gut befestigten Waldweg und winkt ab - Blahwas schließt sich ihm an. Wir vereinbaren eine Tankstelle in Aula als Treffpunkt und fahren los.

Aus Sicht BDR529 ging es so weiter:
Der Weg führt bergab und eine erste Stufe nehmen wir locker, die zweite auch noch. Der Weg wird enger. Vor der dritten schon deutlich höheren Stufe zögern wir ein wenig und beraten uns. Zum Wenden ist es schon zu eng. Ach komm' das geht schon und wir fahren weiter. Der Weg wird enger und besteht inzwischen nur noch aus einer ausgewaschenen Rinne. Mist! Welcher Idiot ist auf die Idee gekommen hier herunter zu fahren? Das Vorderrad rutscht schon bedenklich bei gezogener Bremse. Tremor hält dankenswerterweise Abstand, damit er mich nicht abräumt, wenn er stürzt, bzw. nicht in mich rein rutscht, wenn ich mich ablegen sollte. Zurück können wir schon lange nicht mehr. Ich schicke Stoßgebete zum Himmel, dass wir da irgendwie durch kommen. Es geht nur noch in Gänsemarsch weiter. An einem kleinen geraden Stück halte ich und warte auf tremor, der sich aber nicht blicken lässt. Ich überlege ihn zu fragen, ob er Lust hat, mal die Motorräder zu tauschen, glaube aber die Antwort bereits zu kennen.

Ich will gerade absteigen, um nach ihm zu sehen, da höre ich den vertrauten Klang es Einzylinders. Warum hat das so lange gedauert? Tremor sieht ein wenig verschwitzt aus und erklärt mir ausführlich die ballistische Kurve, in der er die KTM in eine etwas ungünstige Position mit der Oberseite bergab im Gebüsch abgelegt hat. Zum Glück wiegt die KTM nur 160 Kg und er konnte sie durch viel Krafteinsatz wieder in die Vertikale bringen.

Auf dem Boden entdecke ich eine ältere Reifenspur von einer Dreckfräse, was mich zumindest hoffen lässt, dass der Weg nicht in einer Sackgasse oder vor einem Abgrund endet. Eine Wahl haben wir nicht, also tasten wir uns weiter bergab bis wir endlich über einen "normalen" Trampelpfad auf eine Straße treffen. Völlig verschwitzt aber SEHR erleichtert nehmen setzen wir die Fahrt wieder fort. Ich bin ein wenig stolz, dass ich die GS ohne Sturz darunter gebracht habe. Aber wozu Hochmut führt haben wir ja heute schon erlebt. Ist nur eine Frage der Zeit - sehr wenig Zeit, wie sich heraus stellen wird.
Aus Sicht blahwas:
Da BDR529 und tremor unbedingt einen steilen Trampelpfad in den Wald hinein ausprobieren wollen, den ich mich mit dem Mountainbike kaum trauen würde, trennen sich unsere Wege bis zur nächsten Tankstelle, ca. 20 km weiter. Manuel und ich haben eine nette Kurvenstrecke den Berg runter und im Tal quetschen wir uns an zahlreichen Autos vorbei. Wir besichtigen mehrere Tankstellen und ich falle leider wieder mal eine Säule "mit Bedienung" rein, wo man auch dann 25 cent pro Liter (auf die ohnehin schon hohen italienischen Preise drauf) bezahlt, auch wenn man selbst getankt hat, weil der Tankwart erst angetrabt kommen musste.
Und wieder gemeinsam, aus Sicht BDR529 erzählt: An der Tanke treffen wir auf Blahwas und Manuel und lassen uns nichts anmerken. Wir berichten in allen Einzelheiten über unseren Husarenritt, lassen nur den unerheblichen Teil mit dem kleinen Missgeschick aus. Wir wollen Blahwas und Manuel schließlich nicht unnötigerweise mit solchen Details belasten.

Auf dem Rückweg nehmen wir noch drei weitere Passknackerpunkte mit und freuen uns auf die Dusche. Tremor spannt noch seine Kette nach, während ich einen Tisch in der Pizzeria reserviere und Brot für den nächsten Morgen bestelle. In der Pizzeria werde ich mit Vornamen begrüßt und die Reservierung ist schon für 4 Personen mit Uhrzeit eingetragen, bevor ich etwas sagen kann. Die sind richtig nett hier.

Für den kommenden Tag wählen wir eine sehr lange Route entlang unzähliger Passknackerpunkte, wobei uns Blahwas einige Abkürzungsoptionen aufzeigt, falls die Tour sich sehr in die Länge ziehen sollte.

blahwas kommentiert noch:
Zum zweiten Fahrtag, bei besserem Wetter sieht die Welt gleich viel schöner aus! Die Marmorlocation war echt der Hammer. Klasse, dass BDR das bemerkt hat! Strand ist eigentlich nicht so mein Thema, aber die Küstenstraße ist dagegen wieder sehenswert. Leider ist die auch touristisch attraktiv, daher hat man dort dann auch mal andere Motorradgruppen, die sich weniger als wir dafür interessieren, auf welcher Seite der Mittellinie sie so rumfahren. Bei dem Waldweg dachte ich echt, wir sehen euch an dem Tag nicht wieder :)

Tanken hat mich spätestens ab diesem Tag gewaltig genervt. Entweder man erwischt den Tanksäule mit Bedienung und kann für ca. 20 cent pro Liter Aufpreis (also dann 1,85 pro Liter) volltanken, oder man muss mit irgendwelchen übellaunigen und wortkargen Automaten rumhampeln, die nur in den seltensten Fällen irgendeine deutsche Kreditkarte akzeptieren. Stattdessen hampelt man dann mit kleinen Scheinen rum und tankt nie voll, oder einer steckt einen Fuffi rein, drei Leute tanken alle ein Bißchen was und rechnen das hinterher irgendwie wieder auseinander. Getränke an Tankstellen kaufen ging meist nicht, mangels Shop oder Personal. Gut, dass ich kurz zuvor eine 3 Liter-Trinkblase angeschafft habe.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#6 Beitrag von blahwas »

Mittwoch, 6. Juni - Eine Eidechse und die Schwerkraft
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BDR529 schrieb: Der Tag beginnt wieder mit schönstem Wetter und entspannter Stimmung. Die heutige Route steht ganz im Zeichen der Punktejagd unseres Chef-Passknackers.
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Ich werde auch noch auf meine Kosten kommen. Das wird bestimmt ein guter Tag für uns. Für eine Eidechse wird der Tag nicht ganz so gut verlaufen. Selbige stürzt sich todesmutig kurz vor Blahwas auf die Straße und verharrt mitten auf der Fahrspur - Blahwas' Reflexe sind chancenlos, was das Schicksal der Echse besiegelt und so endet sie als Straßenpizza. Ich überlege kurz, wie man eine Echse angemessen bestattet, aber es ist nicht genug übrig... Wir arbeiten die Pässe ab und genießen die Fahrt und die umwerfende Landschaft.
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Die Passknackerpunkte selber - na ja. Man muss Mülltonnen mögen. Am heutigen Tag finden sich direkt drei solcher Punkte, die durch Mülltonnen garniert sind. Ich weiß nicht, wer solche Punkte vorschlägt. Als uns der Sprit ausgeht, steuern wir die nächste Tankstelle an. Hier in der Gegend funktioniert meine EC-Karte bis auf eine Ausnahme tadellos. Das war im Trentino noch anders.

Dann kommt mein großer Auftritt: Ich bin mit Tanken fertig und mache die Säule frei. Ich erblicke ein Stück weiter ein schattiges Plätzchen. Da fahr' ich doch gleich mal hin. Helm aufziehen für 10 Meter? Ach was!. Die Handschuhe in der linken Hand, den Helm noch auf dem Spiegel lasse ich den Motor an. Kuppeln mit zwei Handschuhen in der linken Hand, während der Helm das Einlenken am Windschild verhindert ist eine super Technik. Ich kann jedem empfehlen das mal auszuprobieren. Das lenkt wunderbar davon ab, dass man sich mit dem linken Fuß im Rammschutz der Zapfsäule verheddert. Es kam, wie es kommen musste und mein Motorrad lag da nieder.

"So fährt man auch nicht los!" rufe ich. Tremor darauf: "So steigt man auch nicht ab!". Blöder hätte ich mich kaum anstellen können.
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Blahwas 1, Tremor 1, Ich 1, Manuel 0.
Eine halbe Stunde später mache ich es noch besser und fahre eine sehr steile Kehre weit innen an, wodurch die GS schon das Gewicht zum Großteil auf dem Hinterrad verlagert hat. Durch kräftiges Gas geben wird die Front noch leichter und das Vorderrad verliert die letzte Haftung und schmiert weg. Die GS liegt auf der rechten Seite und ich schlage einen eleganten Rückwärtspurzelbaum bergab. Großes Kino!

Diese Kurventechnik war mir neu. Ich versetze die GS per Killschalter in ein künstliches Koma, um die Schäden zu begutachten. Die GS hat die üblichen Abschürfungen am Ventildeckel - man sieht jetzt den Spachtel vom letzten Bodenkontakt aus dem vorletzten Jahr. Aber die GS läuft klaglos wieder an und lässt sich nichts anmerken. Die paar Kratzer heilen schon wieder. Von ein paar Gebrauchsspuren lässt die sich nicht beeindrucken.

Tremor fragt sich, wie ich das angestellt habe. Ich antworte: "Eure zwei Stürze gestern an einem Tag, schaffe ich locker alleine!"

Blahwas war schon ein Stück voraus gefahren und hatte meinen Sturz nicht mitbekommen. Wir treffen ihn ein paar Kehren weiter. Auf seinen fragenden Blick, erkläre ich: "Ich brauchte mal eine kurze Pause." Blahwas: "Links oder rechts?" Ich: "Rechts." Das wäre geklärt.

Damit steht es aktuell: Blahwas 1, Tremor 1, Ich 2 und Manuel 0. Wir schauen Manuel kritisch an und ermahnen ihn, dass er diesen Urlaub auch noch seinen Unterhaltungsbeitrag leisten muss. Manuel scheint nicht überzeugt.

Den nächsten Stopp legen wir auf einer Anhöhe mit einem grandiosen Blick über Lucca ein.
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Blick über Lucca
Am Nachmittag geht es einen Pass hoch, der mit einer hier seltenen Asphaltmischung mit hohem Grip und flüssigen Kurven glänzt. Tremor und ich nutzen die Gelegenheit, unsere Mitfahrer entschwinden aus dem Rückspiegel. Oben angekommen dann der Klassiker: Wir springen vom Mopped, reißen die Helme vom Kopf und holen hektisch die Getränke aus dem Gepäck und schauen demonstrativ gelangweilt, wo denn die Blümchenpflücker bleiben. Manuel kommt nach einiger Zeit angezockelt, geht aber nicht auf uns ein und meint, dass Blahwas kurz ausgetreten ist. Mist, wir wurden hinterhältig ausgetrickst. Irgendwann werde ich mal erwachsen - bestimmt. Spaß gemacht hat's trotzdem.

Gegen Nachmittag verdüstert sich das Wetter und wir überlegen, ob wir noch die komplette Route mit allen Passknackerpunkten zurück fahren wollen oder lieber abkürzen. Blahwas und Manuel lassen die Punkte natürlich nicht liegen.

BDR529 fährt fort:
Tremor und ich nehmen den direkten Weg zurück und machen unterwegs noch eine Fotopause.
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Kann man schöner wohnen?

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Wir bleiben auch diesmal vom Regen verschont und freuen uns schon auf unsere abendliche Pizzeria.

Mir war heute die Passknackerei ein wenig langweilig geworden und ich überlege mir, mich an der morgigen Runde nicht zu beteiligen und stattdessen noch einmal Richtung Küste (diesmal mit Badesachen) zu fahren und dabei das wunderschöne Tal mit den Marmorsteinbrüchen mit zu nehmen. Das ist die letzte Chance, da wir am Freitag den Campingplatz wechseln. Tremor gefällt die Idee und er will sich anschließen.

Wir beschließen, uns morgen aufzuteilen, damit jeder auf seine Kosten kommt. Eine 4er-Gruppe hat für mich schon eine ideale Größe. Klein und flexibel.
Als blahwas beschreibe ich dann mal, was nach der Trennung der Eurobikern (Michael und Sebastian) von den Nipponbikern (Manuel und mir) uns so am 06.06. wiederfahren ist:
Zunächst mal muss ich als Routenplaner sagen, dass die Route mit den letzten vier Passknackerpunkten tatsächlich recht lang wurde. Das lag daran, dass wir zwei Mal im Marmorgebirge und einmal am Strand waren, so wurden diese vier Punkte zuvor Opfer der Umplanung.

Der erste dieser Punkte, Montemagno, ist irgendein Ort an einer "Bundesstraße". Lohnte nicht. Ironischerweise waren die Eurobiker hier noch mit dabei. Danach ging es für sie auf direktem Weg nach Hause. Für uns Nipponbiker ging es links hoch in den Berg auf eine sehr schmale und noch kurvigere Strecke, zum Passe del Lucese. Man sieht sehr viel grün und tastet sich zwischen Tempo 30 in den Kehren und 80 auf den kurven Verbindungen durch den Wald. Dahinter ging es laut diversen Navis nicht weiter, laut OSM-Karten aber sehr wohl. Also fuhren wir einfach weiter, der Nase und der Strecke nach. Wir erreichen den Passo Sella (Lucca), 756 Meter hoch, ohne Schotter, aber mit ein paar eher holprigen Teilstücken. Es ist sehr einsam hier, sehr ländlich und sehr grün. Wie an so vielen Stellen in Italien ist man erstaunt, das auch sehr bergige und abgelegene Gegenden noch besiedelt sind, zumindest mit Bauernhöfen und Dörfern. Touristen kommen hier sicherlich nicht jeden Tag entlang.
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Der nächste Punkt heißt Alto Matanna und fühlt sich auch so an. 1040 Höhenmeter und leichter Nebel, wo zuvor nur Wolken über uns waren. Ein sehr großes und wenig einladend beschildertes Haus lauert in der Ferne. Eigentlich sollte dies ein Restaurant sein, erinnert aber eher an winterliche Berghotels in Horrorfilmen. Ein Schoko-Labrador sieht uns, kommt irgendwo unterm Zaun hindurch zu uns und lässt sich erst mal streicheln. Dann wendet er sich seinem "Geschäft" zu. Ahja. Immerhin bleiben wir trocken und schwitzen nicht.
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Auf dem Heimweg liegt dann fast schon einfach so der Punkt Alla Margine / San Pellegrinetto auf 970 Meter. Na gut, ein kleiner Abstecher ist es schon, davon hat man von hier eine prima Aussicht. Und weiterhin keinen Begegungsverkehr und ein intensives Naturerlebnis. Nicht nur oben am Berg, sondern zum Beispiel auch hier in dieser Schlucht.
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Danach geht's auf schnellstem Wege wieder zum Campingplatz. Wer in dieser Region Hauptstrecken fährt macht keinen großen Fehler, besonders, wenn er auch irgendwann mal ankommen will.

Am Campingplatz beeindrucken nach Einbruch der Dunkelheit mal wieder die Glühwürmchen, die ganze Wiesen blinken lassen. Das habe ich so auch noch nie gesehen. Und hat man tagsüber mal kurz schlechte Laune, dann versauen einem das die ganzen Schmetterlinge überall :)

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#7 Beitrag von blahwas »

Donnerstag, 7. Juni - Italienische Fahrstunde

Wie am Vorabend geplant, fahren Tremor und BDR529 heute noch einmal Richtung Meer, während Blahwas und Manuel weitere Passknackerpunkte sammeln.

BDR529 schrieb:
Diesmal packen wir die Badesachen ein, um uns gegen Mittag in das Mittelmeer zu stürzen. Wir starten wie am Dienstag in Richtung Castelnuovo di Garfagnana und von dort aus über den Passo del Vestito nach Massa. Die Strecke ist einfach genial zu fahren und macht auch beim dritten Mal riesig Spaß.

In Massa tanken wir an der SB-Säule. Eine gute Wahl stellen wir fest. Das Preisschild für die Service-Säulen wiest 33 Cent / Liter Aufpreis aus. Das ist ordentlich, um eine Zapfpistole in den Tank zu halten. Von Massa nach La Spezia nehmen wir diesmal die Autobahn, um uns die zeitraubende Fahrt durch die Orte entlang der Küste zu sparen.
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Direkt am Meer kann man nur an wenigen Stellen fahren, daher macht das nichts. Wir fahren am Marine-Hafen Arsenale Militare Marittimo di La Spezia vorbei in Richtung Porto di Portovenere. Auf dieser Strecke hat man einen tollen Blick über La Spezia und den Marine-Stüzpunkt. Es gibt wohl schlimmere Orte, an denen man als Soldat stationiert sein kann.

Am Porto di Portovenere legen wir eine Pause ein. Tremor hat viel Vertrauen in die Rechtschaffenheit der Einwohner und Touristen, denn er lässt seine SR-Kamera in seinen Gepäcktaschen am Motorrad zurück. Die Nerven hätte ich nicht.
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Wir sehen ein etwas seltsames feuerrotes Boot, vermutlich ein U-Boot für Touristen. Wir sitzen in der Nähe einer Boot-Tankstelle und vergleichen die Spritpreise. Für Boote gibt es keine Steuervergünstigungen, der Sprit ist gleich teuer, nur die Schläuche der Zapfsäule sind länger und dicker. Ein teuere Vergnügen bei Preisen jenseits von 1,61€ / Liter.
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Wir nehmen wieder die Küstenstraße in Richtung Norden durch den Parco Nazionale delle Cinque Terre. Die Straße und der Ausblick sind ein Traum und zudem zu dieser Jahreszeit auch noch leer. Das ist echt schwer zu überbieten. Wir drehen eine Schleife zurück nach La Spezia und fahren auf direktem Weg nach San Torenzo an den Strand. Wir parken unsere Motorräder. Meins steht vor einer von 10 Säulen für eBikes. Ich schaue mich um, aber auch vor den anderen Säulen stehen ausschließlich Benziner. Wird schon nicht abgeschleppt werden. Badezeit! Das Mittelmeer ist schon erstaunlich warm, bestimmt auch begünstigt durch die relativ flache Bucht. Wir duschen das Salzwasser ab und lassen uns lufttrocknen.

Beim Einpacken spricht uns ein Motorradfahrer a.D. aus Mönchengladbach an, der mit seiner Tochter im Auto durch Italien kreuzt, dem man aber anmerkt, dass er uns beneidet. Nach einem kurzen Gespräch über unsere Touren entspann sich folgender Dialog:

"Fahrt ihr eigentlich mit einem Motorrad?"
"Nee, wieso?"
"Weil ich da vorne nur ein deutsches Motorrad gesehen habe."
"Doch, doch da stehen zwei, aber dazwischen stehen noch zwei, drei andere."
"Eine KTM habe ich gesehen. Was fährst du?"
"Eine GS."
"Eine GS hätte ich aber bestimmt gesehen!"
"Hmpf. Die steht bestimmt noch da (*daumendrück*)."
"Na dann gute Fahrt!"
"Danke, auch so (leise: Womit denn eigentlich?)"


Nach einigen bangen Augenblicken, erblickte ich sie genau da, wo ich sie abgestellt hatte. Ist der blind? Warum macht der mich so nervös? Egal, ich bin erleichtert und es geht einen Kilometer nach Lerici, einem sehr schönes kleines Städtchen. Dort gibt es auch das erste italienische Eis in diesem Urlaub. Warum schmeckt Pistazieneis eigentlich nur in Italien nach Pistazien? In Deutschland schmeckt es nur wie es aussieht: Grün.

Unterwegs sehen wir einen kleinen roten Flitzer, mit dem man Parkplatzsorgen vergessen kann und ein cool aussehendes eBike.
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Nach einem der schwülen Hitze geschuldetem sehr kurzen Rundgang durch den Hafen und entlang der Promenade machen wir uns auf den Weg Richtung Campingplatz. Dazu müssen wir erst mal rund 30 Kilometer an der Küste entlang durch den Berufsverkehr. Da es immer eine gute Idee ist sich als Tourist mit den Sitten und Gebräuchen des Gastlandes vertraut zu machen, auch um nicht unnötigerweise mit den Hütern des Gesetzes in Konfliktgespräche verwickelt zu werden, hängen wir uns an ein einheimisches Pärchen auf zwei 125ern, die in die gleiche Richtung fahren. Uns war die italienische Fahrweise in den Grundprinzipien zwar bestens vertraut und kam unseren eigenen inneren Überzeugungen und Werten sehr entgegen. Allerdings handelte es sich bei dieser Fahrt um einen professionellen Desensibilisierungskurs in Sachen kreativer Linienwahl und Auslegung von Geschwindigkeitsempfehlungen. Anders kann man die aufgestellten Schilder nach dem Kurs nicht mehr betrachten.

Ich fasse mal die Grundregeln des italienischen Zweiradverkehrs zusammen:

An Ampeln werden Zweiräder selbstverständlich nach vorne einsortiert. Das ist bei allen Verkehrsteilnehmern akzeptiert. Wenn die eigene Spur bzw. Spuren mit Autos zugestellt sind, wird zuerst auf die Motorradspur gewechselt. Diese Spur ist exakt so breit wie das sich gerade darauf befindliche Motorrad plus jeweils 5 cm rechts und links. Die Mitte der Motorradspur wird durch eine zumeist durchgezogene (manchmal auch unterbrochene) Linie markiert. Der gemeine deutsche Verkehrsteilnehmer könnte diese Linie als Mittellinie zweier gegenläufiger Fahrspuren fehlinterpretieren. Dem ist selbstverständlich nicht so. Hier lässt sich prima fahren. Sollten Motorradfahrer der Gegenrichtung die gleiche Spur benötigen, wird die Spur automatisch (kleines Wortspiel) auf die doppelte Breite erweitert und das Grüßen gleicht mehr einem Abklatschen, ob der geringen Entfernung.

Sollte die reguläre Spur für Autos physikalisch betrachtet zu eng sein, um die zusätzliche Motorradspur aufzunehmen, wird diese gänzlich auf die Gegenspur verschoben. Das funktioniert selbst bei entgegenkommenden Bussen, wenn man sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Der für Ausländer wie uns erstaunlichste Aspekt dieser evolutionär deutlich höher entwickelten Verkehrssozialisierung ist die Tatsache, dass niemand auch nur auf die Idee kommt, sich in seinem Recht beschnitten zu fühlen, sondern einfach etwas Platz lässt. Wenn wir unsere Fahrt in einer deutschen Stadt wiederholen würden, wäre das ein Hupkonzert erster Güte geworden, zudem wären einige Sicherungen der Autofahrer und deren Lichthupen durchgebrannt. Man stelle sich vor, ich würde einen Kölner Busfahrer im Berufsverkehr auf seiner Spur entgegenkommen. Würde der Platz machen, in dem er ein Stück weiter rechts fährt? Vermutlich hätte ich innerhalb von Minuten das SEK auf den Fersen. Während der halben Stunde Fahrt (in Deutschland würde man es vermutlich als Amokfahrt bezeichnen) hat sich nicht ein einziger italienischer Verkehrsteilnehmer gestört gefühlt. Da hier alle aufeinander Acht geben, ist das gefühlt nicht gefährlicher als bei uns. Die Geschwindigkeit richtet sich ausschließlich nach der aktuellen Verkehrs- und Gefährdungslage und nicht nach den bunten Schildern am Rand, die hier eigentlich blau mit weißer Schrift sein müssten.

Meinem Tacho zu Folge sind die Geschwindigkeiten auf den roten umrandeten Schildern in Meilen pro Stunde angegeben, dürfen aber großzügig überschritten werden. Das ist natürlich davon abhängig, ob man die örtlichen Radarfallen kennt. Die fest installierten Blitzer sind gut sichtbar und zu weit über 90% nicht bestückt und obendrein zugeklebt oder mit Sprühfarbe verschönert. Mobile Laserfallen sind mir nicht aufgefallen, allerdings schon einige Verkehrskontrollen, die aber ausschließlich Autos kontrolliert haben. Das ist natürlich nicht repräsentativ. Vielleicht haben wir einfach Glück gehabt. Wer weiß was noch per Post kommt.

Wir haben uns am Ende der Fahrt an einer Ampel bei den beiden Fahrlehrern bedankt und verabschiedet und betrachten uns verkehrstechnisch ab sofort als vollständig integriert.

Zurück geht es über die SP9 durch die Galleria del Cipollaio, einen längeren schnurgeraden Tunnel auf 900 m in Richtung Campingplatz. Da wir morgen den Campingplatz wechseln, werden Blahwas' und Manuels Motorräder verladen und der Pavillon abgebaut und verstaut. Für morgen ist schlechtes Wetter angesagt und die beiden frotzeln schon ein wenig, dass die Fahrt morgen kein Spaß wird. Wir werden sehen. Wir verbringen den letzten Abend in unserer Stammpizzeria am Platz, wo man ehrlich ein wenig traurig scheint, dass wir morgen abreisen. Mir geht es genau so.
Und als blahwas mein Tagesbericht:
7.6. Nipponbiker auf Nordwestentdeckertour

Die Eurobiker verweigern heute das ambitionierte Motorradfahren und wollen lieber faul am Strand in der Sonne liegen. Einfach so, und dann auch noch im Urlaub. Tsts, da fahre ich lieber Motorrad, und Manuel kommt mit. Der sammelt zwar nicht ganz so ernsthaft Passknackerpunkte wie ich, aber erweitert auch gerne sein "Lebenswerk" wie es bei Passknacker heißt, sprich, wir besuchen für uns neue Orte.

Zunächst geht es zur Feier des Tages erstmals "hinten", also zum Berg statt zum Tal, aus dem Ort raus. Wäre doch gelacht, wenn es da nix zu entdecken gäbe. Und siehe, enge Straßen mit Aussicht, aber wenig möglichem Tempo gibt es da. Nach einigen Kilometern landen wir wieder auf uns bereits bekannten Orte und Strecken. So ist das halt mit Basislager am vierten Fahrtag. Aber ein Tag, an dem ich den Passo di Pradarena im Trockenen fahren durfte, kann kein schlechter Tag sein. Den Grabstein von Michaels Sonnenbrille finden wir nicht. Die Strecken hier in der Gegend sind verschlungen und geflickt, dafür ist man alleine auf der Welt und kann ungestört dem Vorderreifen lauschen, wie er nach Grip winselt. Die Strecken sind so einsam, dass da schon mal unangekündigt 20 Meter hohe Bäume vom Berg weit oberhalb drauf gefällt werden. So müssen wir uns eben ein wenig gedulden, bis die gröbsten Stämme beiseite gezerrt sind. Das macht aber nichts, wir haben Zeit, und jetzt auch eine Erklärung für den Straßenzustand.

Irgendwo überholen wir eine große Gruppe deutsche Premiumbiker auf deutscher Premiumhardware und mit deutschen Premiumklamotten, die vermutlich teurer waren als mein Motorrad ist, aber irgendwie trotzdem für Bummeltempo die ganze Straßenbreite brauchen. Ich habe Urlaub und rege mich nicht auf. Der Tourguide klemmt sich an Manuel ran, bleibt aber höflich auf Distanz - es riecht nach bezahlter Tour. An der nächsten Kreuzung warte ich auf Manuel, und dann trennen sich unsere Wege von denen der Gruppe.

Schließlich biegen wir auf die SS63 ein - nach allen bisherigen Straßen die größte und am besten ausgebaute Straße. Dafür aber nicht weniger kurvig! Ausnahmsweise wurde hier sogar griffiger Asphalt verbaut! Man kann also deutliche Schräglage fahren! Wir sind begeistert. Die Strecke ist auch breit genug, um den Vierradverkehr bequem zu überholen. Das ist schon eher Motorrad fahren, wie wir es schätzen. Es naht der Passo del Cerreto. Mit 1261 Meter Höhe hat man hier Aussicht auf Berge jenseits der Baumgrenze. Man trifft Einheimische und Touristen aus allen Herren Länder, einschließlich der Gruppe von vorhin - oops. Manuel und seine Tracer genießen die Aussicht, und ich ein Eis.
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So geht es diese Staatsstraße dann weiter und das macht auch Spaß. Zwei Passknackerpunkte rechts ab vom Weg führen wieder Zickzack in die Berge hoch - Valico di Comano und Alto di Quarazzana muss man nicht unbedingt fahren. Spaß haben wir trotzdem!
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Am Passo del Carpineli unterläuft mir dann tatsächlich mal ein echter Navigationsfehler, und wir landen auf diesem Schotterweg. Manuel ist kein Freund von Schotter und schimpft wie ein Rohrspatz! Dabei ist das noch eine völlig harmlose Schotterautobahn, die auch von tiefergelegten Twingos mit Wohnanhänger befahren werden könnte.
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Was war geschehen? Ich wollte von Castiglioncello über die SR445 nach Osten, und dann nach Süden abbiegen, noch vor dem Passo del Carpineli (den hatten wir schon), um zur Forca di Campocatino zu gelangen. Mein Navi wollte nämlich nur von Osten her dorthin und dazu einen großen Umweg fahren. Ich werfe also ein paar Zwischenziele rein und hoffe auf das Beste. Das Navi tut zunächst auch so, als würde es verstehen, aber stattdessen fädelt es mich nach dem Abzweig nach Süden von der SR445 doch wieder nach Norden zum Passo del Carpineli, und zwar über obigen Schotterweg. Mist. Danach fahren wir dann halt doch außen rum. Hauptstrecken sind hier gar nicht schlimm, diese macht sogar richtig Laune, aber ich entdecke halt gerne neues. Und auf den letzten Metern "außenrum" wirft sich einem auch mal so eine Landschaft vors Auge. Da kann man ruhig mal anhalten: Lago di Vagli.
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Der Passknacker knapp dahinter war dann der letzte für das heutige Entdeckerpflichtprogramm und wir können zufrieden zum Campingplatz zurück. Aber da ist ja noch dieser eine Punkt östlich vom Campingplatz, der in keine Route passte. Den kann ich doch nicht einfach liegen lassen, so nah (5 km Luftlinie) vom Campingplatz! Auch wenn Manuel meutert und irgendwie durch ist für heute, dann fahre ich da alleine hin. Die letzten 15 km zum Campingplatz schafft er alleine.

Der fragliche Punkt heißt Bivio Albereta und liegt richtig abgeschieden in der Hügel- und Berglandschaft zwischen lauter echten und vermeintlichen Sackgassen. Man fährt sehr lange auf einsamen, kurvigen, aber nicht zu steil-verwinkelten einspurigen Straßen, erblickt Berge ohne Bewaldung. Echt schön hier.
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Der Punkt soll 885 Meter hoch sein, kommt da schon die Baumgrenze nah? Dann kommt man schließlich nach 30 Minuten Fahrt ohne Autos an einem Platz mit toller Aussicht an, wo die Koordinaten hinzeigen, und dann stehen da... Mülltonnen. WTF! Ja, ok, der höchste Punkt ist vermutlich eine Gemeindegrenze, und da teilen sich dann wohl zwei Gemeinden einen Platz für die bunten Sorten Müll. Trotzdem Buzzkill. Es gibt aber auch schöne Aussichten von hier, z.B. diese:
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Da sieht man wieder mal, das kein Hügel zu hoch oder zu entlegen ist, um nicht eine pittoreske Stadt drauf zu bauen. Entgegen dem Aufschrieb bei Passknacker muss man hier übrigens keinen Schotter fahren. Jetzt sollte ich doch mal wieder zum Campingplatz zurück, ist ja schon 18 Uhr. Da gibt es jetzt zwei Wege zur Auswahl: Den bewährten Weg, den Berg runter wie ich hochkam, ein Stück im Tal entlang und dann wieder den gleichen Weg hoch im Tal, wie jeden Tag. Nicht schlecht, aber etwas langweilig. Alternativ findet man Navi auch eine Route durch die Berge, die es allerdings mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h berechnet hat. Das klingt verdächtig, aber auch irgendwie reizvoll. Der Abenteurer nimmt natürlich die zweite Option. 10 Meter hinter der entscheidenden Kreuzung erwartet mich dieses Schild:
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Dieses Schild sagt viel, und so weit ich erkennen kann, darf ich da jetzt durch, denn die Straße ist nur alle paar Stunden für einige Stunden gesperrt, und jetzt laut Plan nicht mehr. Macht man in Italien Überstunden aufm Bau? Ich fahre. Keine 10 Kurven später habe ich dann ihn hier vor mir:
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Aber, kein Problem, er bemerkt mich ohne dass ich dafür etwas tun müsste, und fährt sofort rechts ran. Man versuche das mal in Deutschland. Da sind Baustellen heiliger Boden, selbst wenn dort wochenlang nicht gebaut wird. Die Baustelle ist tatsächlich noch in Betrieb, denn Bergstraßen wollen unterhalten werden. All das Grün hier kommt nicht von ungefähr, es regnet häufig und gerne auch mal etwas mehr. Die Strecke schlängelt sich am Berg entlang, durch das obige Dorf hindurch und weiter den Berg entlang. Im Kartenmaterial meines Navis folgen 10 km Schotter, real aber 9,5 km Asphalt und nur 500 Meter Schotter. Das ist nett. Statt der vom Navi angedrohten 25 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit schaffe ich wagemutiger großer Bruder von Rossi hier bestimmt 35 km/h! Aber ich habe es nicht eilig, und alles ist besser als ein Sturz auf einsamen Bergstraßen, wenn man alleine unterwegs ist. Die Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus mag ich mir gar nicht vorstellen.

Den Campingplatz erreiche ich wieder von der Bergseite, und ich bin immer noch früher als die Eurobiker zurück. Die 2x 5 km Luftlinie haben locker 90 Minuten in Anspruch genommen. Manuel und ich verbreiten jetzt schon mal etwas Ordnung im Pavillon und unseren Zelten, denn der Aufbruch (Ortswechsel) naht morgen früh. Ich habe noch die Idee, besser beide Motorräder auf einen Anhänger zu stellen und den zweiten Anhänger nur für Material zu nutzen, statt beide Autos eng vollzupacken. Das ist mehrheitsfähig. Obs eine gute Idee war, sehen wir dann, wenn beide Motorräder wieder abgeladen sind.

Leider ist der Anhänger mit den Schienen, den Sebastian gemietet hat, nicht besonders flexibel hinsichtlich der Platzierung der Motorräder, und meine Versys hat einen 85 cm breiten Lenker. Dazu kommt noch, dass anstelle von Vorderradwippen nur Bügel montiert sind, und dass die Schiene vorne deutlich zu breit für die Vorderräder ist. Umgekehrt beladen geht nicht, denn auf ein paar Schienen kriegt man außer Motorrädern nichts sinnvoll verladen. Manuels Yamaha steht schließlich sicherer als meine Maschine, denn ihr 180er Hinterreifen füllt die Schiene komplett, während mein 160er Spiel hat. Das ist nicht so schön, und schwer bis gar nicht durch Abspannung zu heilen. Immerhin, ich bin nicht pingelig bei Lackschäden - aber Manuels Motorrad hat er letztes Jahr neu (0 km!) gekauft. Na, wird schon schiefgehen.

In der Pizzeria schmeckt's mal wieder wie man sich das von Italien wünscht, und es gibt zum Abschied noch lecker Limonenschnäppschen. Hier kann man es echt gut aushalten: Camping Pian d'Amora in ​55025 Coreglia Antelminelli​. Nach dem Restaurantbesuch flüchten wir in den Pavillon, denn es regnet erstmal nennenswert. Der Pavillon wird dann erst morgen abgebaut, denn Tageslicht ist dabei hilfreich. Zufrieden mit der ersten Abschnitt der Reise gehen wir in die Zelte, schlafen. Morgen soll es früher losgehen.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#8 Beitrag von blahwas »

Freitag, 8. Juni - Transfer bzw. Ein Schwein auf Skiern und ein Lancia Stratos kommt quer
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BDR529 schrieb: Nachdem Tremor und BDR529 im letzten Urlaub selbstlos die Autos und das Gepäck vom ersten zum zweiten Basislager gebracht haben, während Manuel und Blahwas eine schöne Motorradtour genießen konnten, ist es diesmal umgekehrt. Das allerdings erzeugt durchaus ein wenig Neid bei den beiden und es kommt die ein oder andere hämische Bemerkung ob des drohenden Gewitters an diesem Tag: "Vielleicht wollt ihr ja doch mit Auto fahren...". Von wegen! Selbst wenn ich zum Motorrad schwimmen müsste, kommt das nicht in Frage.

BDR529 berichtet weiter vom Tag der Motorradtransferfahrer:
Die Nacht zuvor hat es kräftig gewittert, aber der Morgen empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Das heißt trocken einpacken und ein Dauergrinsen bei uns beiden. Nachdem Blahwas und Manuel mit den Autos los sind, machen wir uns auch auf dem Weg und genießen eine schöne Tour.
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Die Motorrad-Route
Der Asphalt wird zunehmend besser, je mehr wir uns dem neuen Campingplatz nähern. Er ist zwar auch mit vielen Schlaglöchern gesegnet, aber viel griffiger als zuvor. Bei einem Zwischenstop statten wir einem Supermarkt einen Besuch ab, um uns ein Frühstück zusammen zu stellen. Wir wählen verlockende Mini-Pizzas aus der Bäckereitheke und ergänzen das Frühstück um Salami und Trinkjoghurt. Dann verliebt sich tremor in Klaus, einem Schwein auf Skiern und hat ab sofort einen Sozius. Es ist anspruchslos, lässt sich leicht sauber halten, beschwert sich nie und grunzt nur kurz, wenn man auf es tritt. Gibt es einen besseren Sozius?
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Gegen Mittag hören wir laute Motorengeräusche von vorne und es jagt ein alter beiger 911er in voller Rallye-Lackierung an uns vorbei. Schick! Aber damit nicht genug, in kurzer Folge reihen sich zahllose Alfas, Lancias, Porsches und Ferraris aus den Siebzigern aneinander. Auch ein Renault Alpine und ein BMW waren dabei und als Krönung ein roter Lancia Stratos, den ich allerdings, selber in Schräglage fahrend, quer driftend auf mich zukommen sah. Zum Glück wusste der Fahrer was er da tat, es blieb daher bei der Schrecksekunde.

Insgesamt sind uns mindestens 30 Fahrzeuge in Top-Zustand und Renntempo (mit angezogener Handbremse trifft es nicht ganz, aber an manchen Stellen dann doch) und infernalischem Lärm entgegen gekommen. Der Gesamtwert der Fahrzeuge übersteigt unsere Vorstellungskraft. Ich muss dringend Lotto spielen!

Es sind die Teilnehmer der Modena Cento Ore 2018.
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Am Nachmittag treffen wir trocken und bestens gelaunt auf dem Campingplatz ein. Blahwas und Manuel haben den Pavillion schon vorbildlich eingerichtet! Wir bauen unsere Zelte ebenfalls auf und richten und häuslich ein. Blahwas hat zwischenzeitlich mit Hilfe der Campingplatz-Rezeption einen Reifenhändler aufgetan, der ihm den fertigen Vorderreifen wechselt. Manuel schließt sich an. Tremor und ich überlegen, ob wir auch noch ein Ründchen drehen, verwerfen diese Idee aber schnell wieder, als wir in den Himmel schauen. Eine sehr dunkle Gewitterwand türmt sich bedrohlich auf. Ob die beiden wissen was sie tun?

Manuel und Blahwas sind gerade weg, als sich ein holländisches Fahrzeug unserem Zelt nähert, mit einem sichtlich aufgebrachten Fahrer am Steuer. Was ist dem den über die Leber gelaufen? Er kommt auf mich zugestürmt und schimpft los. Ich entnehme den original holländischen Flüchen, dass er sich von uns gestört fühlt. Warum wir unsere Zelte denn nicht eine Ebene tiefer (der Platz liegt an einem Hang) aufgebaut haben. Hä? Warum denn nicht hier? Das wäre ihm zu wenig Abstand. Ich fahre meinen Wagen ein ganzes Stück weiter, um ihn zu beruhigen, was aber offensichtlich nicht richtig gelingen will. Was wird der erst sagen, wenn wir morgen mit vier Motorrädern an SEINEM Zelt vorbei fahren? Das gibt eine fette Rüge an Blahwas und Manuel, dass sie so unverschämt waren, unsere Zelte auf der gleichen Ebene aufzuschlagen, wie unsere freundlichen Nachbarn.

Unsere anderen Nachbarn sind nette Motorradfahrer aus Bayern und wir quatschen ein wenig über Motorräder und Reifen (na klar, was sonst). Die beiden sind noch unterwegs, als das Gewitter los bricht. Wir sitzen derweil trocken im Zelt und fragen uns, warum die ausgerechnet bei Regen los gefahren sind, he he...

Frisch geduscht, aber noch glimpflich davongekommen kommt Manuel zurück. Zu unserem Erstaunen ist Blahwas trotz des Wetters noch unterwegs ein paar Pässe knacken, was sich furchtbar rächen wird, wenn man sich die schwarzen einschüchternden Gewitterwolken so anschaut. Manuel hatte wohlweislich abgelehnt, sich dem Wetter noch weiter auszusetzen. Da das Restaurant gegen 22:00 Uhr schließt, finden wir uns gegen kurz vor 21:00 Uhr dort ein. Von Blahwas noch kein Lebenszeichen. Wir haben gerade bestellt, als wir eine Versys ankommen hören. Tremor nimmt vor der Tür Blahwas' Bestellung entgegen, der trotz Membrane klatschnass bis auf die Knochen ist und einen wenig glücklichen Eindruck macht. Nach einer Viertelstunde etwas orientierungslosem umziehen, gesellt er sich zu uns. Das Essen ist leider nicht mal annähernd so gut, wie auf dem letzten Platz und wir werden uns nach einer Alternative umsehen müssen.
Und als blahwas mein Tagesbericht der Autotransferfahrer mit Nachmittagsrunde:
8.6. Nipponbikers Transfertag, Date mit Herrn Rossi und Vollbad

Die Eurobiker wollen heute zur Abwechslung mal Motorradfahren und verbannen uns Nipponbiker in die Autos. Naja, da muss man wohl durch, Revanche für 2017. Manuel und ich sehen zu, dass wir das zügig hinter uns bringen. Vom Camping Pian d'Amora bis zum Camping Falterone sind es immerhin 170 km, wofür Google knapp 3 Stunden anschlägt, trotz vollem Einsatz von Hauptstraßen, Autobahnen und Mautstrecken. Eine Pause muss aber sein.
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Schon während des Ortswechsels fällt die erhöhte Blitzerdichte in unserem neuen Zielgebiet auf. Wenn sich das mal nicht übel rächt! Dafür sehen die Straßen griffiger aus. Da kommt Vorfreude auf. Unsere Brüder im Geiste bekommen noch eine Warnung vor einer besonderen Gefahrenstelle, und wir füllen die Autotanks kurz vorm Ziel randvoll - das spart dann am Heimweg vielleicht einen Tankstopp.

Der Campingplatz liegt ziemlich am Ende der Welt und dann gleich rechts. Wir sind hier ja schon außerhalb jeglicher Ballungsgebiete, aber hinter dem Ort mit dem pittoresken Namen "Poppi" wird's noch ländlicher, und dann biegen wir auf eine Sackgasse den Berg hoch ab, und davon biegen wir dann auf einen Schotterweg ab, der zwei Kilometer weit den Berg hochführt. Das gab im Vorfeld verwunderte Nachfrage (meinerseits), bittere Warnungen aus W., Achselzucken aus S. und Jawohlnaklar aus dem Kölner Umland. Dass ein Campingplatz auch von Wohnwagen besucht wird war dann aber ein überzeugendes Argument, den Platz zu nehmen, und auch WLAN wurde uns vom Campingplatzbeauftragten versprochen. Als Trost bleibt mir, dass es ja nicht mein Auto ist, dass hier über den Schotter holpert. Bis auf die ersten 20 Meter ist das aber tatsächlich alles sehr eben. Ein tiefergelegter Benz wäre zwar trotzdem nicht meine erste Wahl gewesen für dieses Unterfangen, aber sei's drum! Ohne hässliche Geräusche und verlorene Teile erreichen wir den Campingplatz, der wirklich weit ab vom Schuss liegt. Eher so mitten im Naturschutzgebiet recht weit oben am Berg. Es gibt wieder Terrassen, diese fallen aber großzügiger aus. Wir entscheiden uns für einen Platz nah am Haupthaus und Waschhaus. Die unterste Ebene wäre zwar noch völlig frei, aber mangels Übergang ein heftiger Umweg, und für unsere paar fünf Zelte, vier Motorräder, zwei Autos und zwei Anhängern finden wir auch hier noch Platz zwischen je einem Zelt links und rechts.

Nach dem allgemeinen Ausladen und Zeltaufbau müssen die Motorräder vom Hänger und das gelingt beide Male fast ohne größere Zwischenfälle, dafür mit kleinen Zwischenfällen. Wer interessiert sich denn schon für Kratzer auf der Unterseite der Gabel, und was genau bedeutet "Stop!!!"? Unnötige Details!

Widmen wir uns den wichtigeren Themen: Mein Vorderreifen! Der hat zwar noch Profil, aber am Rand deutlich mehr als in der Mitte, Oh Schande, das hat man dann von Tagestouren auf Schlüpferasphalt. Der muss weg, sonst eiere ich hier auf dem besseren Belag genauso weiter, weil das Motorrad nicht über die Kante will, zumindest nicht ohne höchst unangenehm zu kippeln. 3300 km sind für einen Sportreifen, der Andorra, die Pyrenäen, die Auvergne und die westliche Toskana gesehen hat auch völlig in Ordnung.

Zur Vermittlung eines möglichst nahen Reifenhändlers spanne ich die nette Dame an der Rezeption ein, die prima Englisch spricht und Rossi mit Nachnamen heißt. Sie bekommt von mir einen Wunschzettel mit Dimensionen und den bevorzugten Fabrikaten und telefoniert sich dann durch. Die Autowerkstatt im ersten Ort im Tal kennt einen Reifenhändler, der Motorradreifen auf Lager hat, und der nur zwei Orte weiter ist. Er heißt Herr Rossi. Na, dann habe ich wohl ein Date mit Herrn Rossi! (Um genau zu sein, mit Rossi Gomme Snc Di Rossi Francesco & Figli, Via Arno, 6, 52014 Poppi AR.) Schnell irgendwelche Motorradsachen angezogen, das nötigste in den Tankrucksack geworfen und los! Sind ja nur 15 km. Manuel kommt spontan mit, wir fahren vielleicht danach noch eine kleine Runde.

Vor Ort werden wir direkt erkannt und stehen vor einem gut sortierten Hochregal voller Motorradreifen. Leider ist nichts von Continental oder Sportliches von Bridgestone dabei, so wird es halt mal wieder Südeuropas Lieblingsreifen, der gute alte Michelin Pilot Power. Alternativ wäre mit Power RS noch eine moderne Version zu haben, das fand ich aber unnötig. Ich fahre ja keine Rennen hier. Der Reifenwechsel soll beginnen, sobald die alte Guzzi vor mir fertig ist. Die hat zwar Hauptständer und Kardan, aber auch Doppelschwinge und Doppelauspuff, und anscheinend muss der gesamte Auspuff ab, damit das Hinterrad raus kann. Uff. Meine Honda NTV hat Hauptständer, Kardan, nur einen Auspuff und eine Einarmschwinge, da kostet ein Hinterradausbau genau eine Schraube. Na gut, den rechten Koffer sollte man abnehmen. Um die geht's heute aber nicht. Die Versys braucht einen Hinterradheber, einen Splint und eine Mutter, und die Bremszange lässt man sogar besser einfach dran. Aber ich mische mich nicht ein und dränge schon gleich gar nicht. Manuel geht kurz was einkaufen, und als er zurückkommt, ist mein Motorrad fertig. 125 Euro ist wieder mal kein Schnapper, aber dafür konnte ich den alten Reifen völlig fertig fahren und hatte hier nur minimalen Umweg. Herr Rossi hat selbst Hand angelegt an mein Motorrad – wer kann das schon von sich behaupten? Ach, er fährt übrigens Honda CBR 1100 XX. Eine gute Wahl für einen Reifenhändler!

So, jetzt ist Ausfahrt angesagt! Von Süden her zieht eine ordentlich schwarze Wand auf. Der Campingplatz wäre im Nordosten. Die einzige sinnvolle Route führt nach Nordosten, Nordwesten und dann südwestlich wieder zurück, bei 107 km Länge und laut Google 2:30 Stunden Länge. Dabei ließen sich drei Passknacker am Weg einsammeln, und einer mit etwas Umweg. Das sollte doch eigentlich möglich sein. Los geht's durch Poppi und das Tal entlang, dann aber schnell in die Berge. Die Straßen hier sind tatsächlich griffig, außerdem schön kurvig und nicht zu holperig. Und so 'ne Aussicht hat man da auch schon mal, am Passo dei Mandrioli:
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Doch dann ziehen Wolken auf und die ersten Tropfen fallen. Wir flüchten uns vor dem Passo del Carnaio in ein Cafe am Wegesrand und harren ein Heißgetränk lang der Lage. Wir machen uns trotz völlig Sprachunkenntnis nicht unbeliebt – man ist eher belustigt. Tüte heißt "saccolino" - echt niedlich! Klamottencheck auf Regentauglichkeit: Ich habe eine Meshjacke an, wo alles durchzieht. Drunter kann ich einen Pulli und die Membran meiner Revit Sand-Kombi ziehen. Ditto mit der Revit Sand Hose. Die Regenkombi liegt am Zeltplatz - das könnte recht frisch werden, auch wenn es 20 Grad hat. Manuel hat eine Textilkombi mit wenig Mesh, aber ganz ohne Membran an, das ist auch nicht gerade ideal.

Aber alles Warten nützt nichts, wir müssen los ins Getröpfel. Das ist nicht weiter schlimm, wird aber leider immer stärker. Als anfängt, stark zu regnen, erreichen wir eine Kreuzung. Geradeaus geht es direkt zum Campingplatz, aber rechts den Berg hoch könnte man noch einen Passknacker schnappen. Manuel will nicht nass werden und fährt direkt. Ich will nicht auf den Punkt verzichten und fahre hoch, zum Passo della Braccina. Und hier beginnt dann leider der Starkregen. Dagegen hilft Membran normalerweise schon nicht lange, aber unter einer Meshjacke, die am Kragen nicht dicht schließt dauert es etwa eine Minute und alles ist nass. ALLES. Beim Verbindungsreißverschluss hatte ich leider aus Faulheit den Kurzen gewählt, und darum geht das jetzt ziemlich in die Hose. Ich steige auf der Passhöhe im Starkregen ab, um auf den langen Verbindungsreißverschluss zu wechseln und lasse zumindest das Wasser raus fließen, dass sich innen und außen an der Membran und sonst wo gesammelt hat. Brrrr. Zwei Radfahrer kommen mir entgegen: Bitte sag uns, dass der Regen gleich aufhört! Naja, der hat gerade angefangen. Aber es ist ja nicht kalt! Zumindest im Tal. Wir sind hier aber auf 960 Meter. Oops. Sind deine Sachen wasserdicht? Ja, wenn das Wasser einmal drin ist, bleibt es auch drin! Immerhin, ich komme mit den nassen Pfoten wieder in die Handschuhe rein. Respekt an Held für die Sambia 2-in-1. Auch die neuen, luftigeren Daytonas saufen nicht völlig ab. Ach ja, das Nachweisfoto muss auch noch gemacht werden.
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Hose voll für ein Foto. Es sind noch 40 km zurück und das Navi rechnet eine Stunde dafür. Das wäre doch gelacht! Also wieder runter ins Tal tasten, das Wasser strömt die Straße entlang und quer drüber, und nimmt gerne auch Sand mit. Erstaunlicherweise versagt das Pinlock nicht und auch die Brille ist auch noch nicht versaut, nur Sprühtropfen auf der Visierinnenseite stören die Sicht. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn bald geht es wieder den Berg hoch und es kommt Nebel dazu. Dafür ist der Starkregen vorbei und wird von normalem Regen abgelöst. Passo della Calla, 1296 Meter, sehr schön zu fahren hier!
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Wie man sieht kommt "Dämmerung" dazu auf die Liste meiner Probleme. Aber es ist kein Verkehr und wunderbar zu fahren. Tolle Kurven. Ich wundere mich, dass ich Spaß dran habe. Der frische Sportreifen fühlt sich auch bei diesem Mistwetter sichtlich wohl. Auch die Kawasaki schnurrt als wäre sie dafür gebaut. Einmal mehr bin ich froh um ein zuverlässiges Fahrzeug. Sogar mit Motor. Warum sollte ich mich also davon stören lassen, dass ich nass bin? Mir ist nicht mal kalt. Na gut, etwas kalt, aber nicht Schüttelfrost-eiskalt. Heizgriffe habe ich auch. Die werde ich vor dem nächsten Winter bestimmt irgendwann reparieren. Ich dachte, ich fahre nach Italien… Aber der Campingplatz ist nicht weit, und da warten trockene Klamotten und hoffentlich auch ein warmes Essen auf mich.

Mit dem letzten Lichtstrahl biege ich auf den Schotterweg zum Campingplatz ein. Die letzte Prüfung für heute besteht dann wohl daraus, hier sturzfrei rüberzukommen und zum Zelt zu finden, ohne auf der Wiese in die Waagrechte zu wechseln. Der erste Punkt klappt gut, dann halte ich am Haupthaus, um meine Essens-Bestellung aufzugeben. Die Mitreisenden haben lange auf mich gewartet, aber bis zur Schließung der Küche wollten sie nicht warten - hätte ich auch so gemacht. Mir fällt noch ein, dass eben keine trockenen Klamotten mehr auf mich warten, denn meine Zivilhose trage ich gerade, wie meistens in warmen Ländern, unter der Motorradhose. Da kann man in Fahrpausen die Motorradhose ausziehen und hat's gut. Eine zweite habe ich nicht dabei - außer Badehose, vielleicht. Also muss ich mir noch eine Hose organisieren und dann überlegen, wie und wo ich mich umziehen kann, ohne meine trockenen Schlafsachen direkt nass zu machen. Das eigene Zelt scheidet aus. Das Waschhaus ist zu weit. Auto geht nicht. Pavillon? Geht, aber ungestört ist man nicht, meine Essensbestellung muss zwei Mal geändert werden, weil einiges von der Karte heute nicht möglich ist.

In trockenen Tüchern sieht die Welt gleich viel angenehmer aus und so schmeckt mir auch das Abendessen ausgezeichnet. Den anderen nicht so sehr. Denen fehlt wohl die Erfahrung von 14 Jahren Mensa. Wozu so eine Hochschulkarriere so alles gut sein kann. Und für mich gilt heute mal wieder: Schlechte Entscheidungen ergeben gute Geschichten. Besonders wenn nichts wirklich passiert ist und man hinterher drüber lachen kann :)

Motorrad-Route 132 km, 2:30 h, https://kurv.gr/JtpJO
Und Manuel kommentiert dann noch:
Ich finde übrigens auf meiner alleinigen Heimtour (es war eine gute Entscheidung) heraus, dass mein Reifen nicht nur Road sondern auch Rain kann. Ein Rain Attack quasi. Wenn man es drauf anlegt und sich traut sind 80% des Trockenspeeds drin. Mein Mopped bringe ich auch heil wieder zurück zum Campingplatz. Handschuhe waren ein wenig klammig, nur die Jacke war am nächsten Morgen leider immernoch feucht. Gut dass der Wind beim fahren normalerweise von Vorne kommt und recht warm ist. Bei einem Fön ist es ähnlich.

Und eine gute Textilkombi ist auch nur so dicht wie ihre Membran dicht ist.. die bei mir rauszippbar ist damit es auch im Sommer angenehm ist. Da ich in Italien auf Sommer gepolt war, war die also rausgezippt und lag im Zelt. Wo sie gut lag und trocken geblieben ist.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#9 Beitrag von blahwas »

Samstag, 9. Juni - Mugello und Schokolade am Stiel

BDR529 schrieb: Für heute ist durchwachsenes Wetter angesagt und wir nehmen die dickeren Klamotten und Regenkombis mit. Blahwas muss improvisieren, da seine Hose nach dem gestrigen Vollbad noch durchnässt ist und zieht die Regenhose unter die Textilkombi. Gute Idee, er wird nicht nass und die Hose hat eine Chance zu trocknen.
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Zelt mit Aussicht - Blick vom Campingplatz

Schon nach kurzer Zeit bereuen wir die warmen Klamotten, denn die Toskana straft den Wetterbericht Lügen. Es wird ein richtig warmer Tag ohne auch nur einen Tropfen Regen.
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Wir fahren über den Valico Croce ai Mori in Richtung Mugello, um der Rennstrecke unsere Ehre zu erweisen. Erst kurz zuvor hat Valentino Rossi hier einen neuen Rundenrekord in den Asphalt gebrannt.
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Leider gibt es um die Rennstrecke von Mugello keine Naturtribünen, wie z.B. am Nürburgring, von der man ein wenig dem Trackday für Motorräder zuschauen könnte. Da wir heute noch eine lange Strecke vor uns haben, verzichten wir auf den kostenpflichtigen Zugang zur Strecke und fahren weiter. Leider werden wir kurz nach Mugello auf dem Weg zum Passo del Giogo di Scarperia ausgebremst. Die Strecke ist wegen eines Autounfalls gesperrt - immer diese Autoraser! Sehr schade, da es eine tolle Strecke ist, aber da wir nicht absehen können, wie lange die Sperrung dauern wird, nehmen wir einen Umweg.
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Es ist ja nicht so, dass die Alternativstrecken hier in der Gegend schlechter wären. Es kommen uns wieder zwei Rallye-Fahrzeuge entgegen und ich bitte um eine kurze Pause, um ein paar Fotos machen zu können, die wir gestern verpasst haben. Aber leider sind das nur zwei verirrte Fahrzeuge. Der Rallye-Tross taucht nicht wieder auf.
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Im nächsten Ort suchen wir uns ein Ristorante und lassen es uns gut gehen. Ich kann gerade noch verhindern, dass Tremor die Spaghetti mangels Löffel, mit dem Messer bearbeitet, bevor es ein Italiener mitbekommt. Ich kenne die Strafe für solch ein Sakrileg nicht, aber sie wird vermutlich drakonisch sein.

Blahwas bestellt sich eine heiße Schokolade. Meine Bemerkung, dass Blahwas' Kakao aufgrund der Konsistenz eher Schokolade am Stiel ähnelt, kontert er mit der Bemerkung, dass er gerne Schokolade am Stiel hat. Ich frage nicht nach weiteren Details und wechsle das Thema.

Am Passo Raticosa herrscht aufgrund Samstag und eines Yamaha-MT-Testdays reger Betrieb.
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Hier können verschiedene Modelle in kleinen Gruppenausfahrten getestet werden. Aber wir haben schon eine MT in unserer Gruppe und entfernen uns vom Trubel.
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Die Landschaft fordert uns immer wieder zum Anhalten auf, manchmal auch explizit...
Etwas später feiert Blahwas das 100.000 Kilometer-Jubiläum seiner Versys 650. Allerdings hat er den Champagner vergessen.
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Nachdem wir uns am Nachmittag noch ein Eis gegönnt haben, lassen wir das Abendessen kleiner ausfallen und decken wir uns im Supermarkt mit Snacks ein und essen im Pavillon am Campingplatz.

Morgen geht's in Richtung Misano und Tavullia, worauf ich mich schon den ganzen Urlaub freue.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#10 Beitrag von blahwas »

Sonntag, 10. Juni - Auf Rossis Spuren
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BDR529 schrieb: Für die Tour am heutigen Tag steht ein Reisebericht aus der Motorrad Pate. Wir werden uns in die Region begeben, in der der Doktor aufgewachsen ist, fahren gelernt und Rennen in Serie gewonnen hat. Das heißt wir besuchen die Grand-Prix-Strecke von Misano, baden in der Adria, besuchen Rossis Ranch und sein Eiscafé in seiner Heimatstadt und werden auch sonst noch einiges mitnehmen. Die Strecke hat es aber mit knapp über 400 Kilometern auch in sich. Gerade Strecken kommen praktisch nicht vor. Aber der Reihe nach.
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Manuel hat sich die Route im Vorfeld angeschaut und den Passo Fangacci als Offroad-Pass ausgemacht, den er nicht fahren will. Er sucht sich eine Umgehung und wir vereinbaren einen Treffpunkt in Badia Prataglia. Er fährt 20 Minuten vor uns los, damit wir etwa zeitgleich dort ankommen. Der Offroad-Pass erweist sich später zwar als harmlose Schotterautobahn, Manuel sollte aber trotzdem richtig liegen.

Wir machen uns auch auf den Weg und steuern den ersten Passknackerpunkt an. Ich habe die Strecke im Vorfeld mit Kurviger.de geplant, was uns allerdings an einigen Stellen auf sehr kleine Wege führt, wie wir im Laufe des Tages noch einige Male feststellen werden. Direkt zu Beginn geht es einen ziemlich steilen kleinen Weg bergauf. Nach wenigen hundert Metern steht ein Schild, das den Weg in vielen italienischen Worten, die wir nicht verstehen, als gesperrt ausweist. Allerdings ignorieren wir solche Schilder in der Regel und schauen erst einmal, ob es nicht doch geht. Also fahren wir weiter, der Weg wird erheblich grober und wird zum engen Single-Trail. Rechts des Weges stehen hohe Büsche, die unversehens aufhören. Ich konzentriere mich ganz auf den Pfad, bis mein Blick ganz leicht nach rechts geht, wo eben noch Buschwerk war. Ich sehe Abgrund. Sehr tiefen Abgrund. Hier hat es einen Erdrutsch gegeben und es ist nur noch ein halber bis ein Meter breiter Trampelpfad übrig. Anhalten ist unmöglich. Jetzt bloß nicht nach unten schauen und die nächsten 20 Meter nicht vom Weg abkommen, da ist das rettende Ende des Erdrutsches zu sehen.

Der Pfad hält und einer nach dem anderen erreicht das rettende "Ufer". Zeit zum Nachdenken oder die Hintermänner zu warnen gab es nicht. Man war schon drüben, als man die Gefahr wirklich realisiert hatte. Uns wird ein wenig schlecht bei dem Gedanken an den Abgrund. Das nächste Sperrschild wird definitiv genauer gelesen.

Ein paar hundert Meter weiter erreichen wir wieder asphaltierte Straße. Nach zwei Kurven halte ich, um auf die beiden zu warten. Nichts passiert. Hm, mal nachsehen. Ich rolle die beiden Kurven zurück und sehe wie Tremor am Übergang zum Asphalt seine SMC abgelegt hat. Immerhin schafft er es wieder, dass nur die KTM fällt er aber nicht. Das ist schon ein wenig artistisch. Die Schutzbügel für die Hebel werden neu ausgerichtet und wir können weiter fahren. Damit steht es Blahwas 1, Tremor 2, ich 2, Manuel immer noch 0.

Dann geht es erst zum Passo Fangacci, dem Offroad-Pass, der sich jedoch als völlig harmlos herausstellt. In Badia Prataglia treffen wir Manuel an einer Tankstelle wieder. Er ist auch gerade erst vor ein paar Minuten angekommen, weil es Sonntag ist. Und Sonntags in den Bergen Italiens bedeutet vor allem eins: Radrennen. Die gibt's hier überall und wir werden noch einigen begegnen. Angst machen mir dabei die Abfahrer, die sich todesmutig den Bremsen verweigern und schon mal auf die Gegenfahrbahn abtreiben. Aber diesbezüglich bleibt heute alles im grünen Bereich.
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In einer Ortschaft ist aber erst mal Pause angesagt. Die Polizei hat eine Straße für ein Radrennen gesperrt, auf der in lockerer Folge ein Fahrer nach dem nächsten mit hoher Geschwindigkeit von einem Berg in den Ort geschossen kommen. Es stehen schon einige Autos und Motorräder in der Schlange. Ein italienischer Autofahrer nutzt die Gelegenheit, als der Carabiniere den Wartenden den Rücken zudreht und fährt an uns vorbei und will die gesperrte Straße hoch fahren. Das würde vermutlich in einer Katastrophe enden. Doch der Carabiniere bemerkt den Fahrer und faltet ihn lautstark zusammen. Der fährt kleinlaut an die Seite und setzt ein Stück zurück und rammt ein wartendes Motorrad, das zum Glück aber nicht umfällt. Der Besitzer ist entsprechen begeistert und das Palaver beginnt. Blahwas macht mich darauf aufmerksam, dass wir nicht die gesperrte Straße hoch fahren müssen, sondern schräg links abbiegen können. Dazu müssen wir aber die Straße überqueren. Ich starte den Motor uns signalisiere dem Carabiniere, dass ich nicht wahnsinnig geworden bin und das gleiche versuche wie der italienische Autofahrer, sondern nur abbiegen möchte. Er schaut sehr genervt, lässt uns aber dann passieren. Irgendwie lustig hier.

Wir fahren auf sehr schönen flüssigen Strecken weiter, als ich vom Navi auf eine schmalere Straße geleitet werde. Leider nicht das erste Mal, dass uns Kurviger auf sehr kleine Nebenstrecken umleitet, obwohl nicht mal kurvige Strecken ausgewählt wurde. Allerdings muss man zur Ehrenrettung von Kurviger sagen, dass man anhand des Straßentyps nicht auf die Breite und den Zustand schließen kann. Hier stößt auch die manuelle Planung anhand von Karten an ihre Grenzen. Zudem plant Kurviger die Einführung einer Routenoption "Schnellste Route", die es bisher so nicht gibt. In der Folge entzünden sich immer wieder Diskussionen über die unterschiedliche Routenberechnung der verschiedenen Navis. Am Nachmittag werde ich Blahwas vorfahren lassen, in der Hoffnung, dass sein Navi anders routet, was aber unter dem Strich nur zu geringfügigen Änderungen bei der Route führt. Vermutlich wird man nicht umhin kommen, die Routenplanung mit Satellitenaufnahmen zu optimieren, was aber auch nicht immer einfach ist. Google-Street-View ist auf vielen Nebenstrecken in ländlichen Gebieten nicht verfügbar.
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Wir fahren durch eine grandiose Landschaft in Richtung San Leo, dessen Festung Fortezza di San Leo schon von weitem auf dem Felsen zu sehen ist. Leider haben wir keine brauchbaren Fotos mit nach Hause gebracht. Das bedeutet natürlich, dass ich hier noch einmal hin muss. Was muss, das muss.

Wir erreichen San Marino und pausieren in einem Cafe direkt hinter der Grenze. Wir hören Zweitaktergeräusche näher kommen. Blahwas zückt geistesgegenwärtig sein Smartphone und erwischt den hiesigen GP-Renner bei einer Vollgas-Fahrt in kompletten VR46-Ornat.
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Die Piaggio Ape (Ital. "Biene") erfreut sich in Italien großer Beliebtheit:

Auszug aus Wikipedia zur Piaggio Ape:
"In Italien dürfen Jugendliche dieses Fahrzeug mit 50 cm³ schon mit 14 Jahren fahren. Es besteht ein großes Interesse, die Ape 50 cm³ aufzustylen und den Motor illegal zu tunen. Oft wird dazu der gesamte Motorblock bearbeitet und ein Rennmotor mit 102 cm³ oder 133 cm³ eingesetzt. Die italienischen Tuningbetriebe Polini und Malossi stellen dazu viele Motorteile sowie Zylinder her. In einigen Bergregionen Italiens gilt unter Jugendlichen der Besitz einer mit Spoilern, Sportauspuff und ähnlichem auffrisierten Ape als besonders imageträchtig. Mitunter erinnern diese Fahrzeuge an kleine Pickups."
Das ist der erste Beweis, dass wir tatsächlich auf Rossis Fährte aufgenommen haben. Wir werden noch einige dieser aufgebrezelten Renner sehen. Nächster Halt ist Misano. Leider ist hier heute kein Rennbetrieb und wir müssen uns mit einem Gruppenfoto zufrieden geben.
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Dann geht es Richtung Küste und dort auf der SP44 durch den Parco Naturale del Monte San Bartolo. Mein Plan war, hier irgendwo an der Küstenstraße in die Adria zu springen. Was ich allerdings übersehen hatte: Die Küstenstraße führt entlang einer Steilküste meist 100 Meter und mehr über dem Meeresspiegel. Bei fast 30 Grad relativiert sich die Aussicht auf Abkühlung durch den zu erwartenden schweißtreibenden Rückweg.

Also wird die Route erweitert und wir fahren direkt nach Pesario an den Strand. Wir springen aus den Klamotten, die Badesachen sind natürlich dabei - wir sind ja lernfähig. Nur Manuel hatte sich eine leichte Erkältung zugezogen und will nicht ins Meer. Die Adria ist erwartungsgemäß noch wärmer als das Mittelmeer vor La Spezia, aber es bringt die erhoffte Abkühlung. Ganz schön viel Betrieb hier. In der Hauptsaison würde ich um diesen Strand einen großen Bogen machen.


Die heutige Strecke ist erst zur Hälfte geschafft, daher bleibt wenig Zeit für ein ausgiebiges Sonnenbad und wir nehmen Tavullia, Rossis Heimatort, ins Visier. Dort betreibt The Doctor ein Eiscafé und eine Pizzeria. Kurz vor Tavullia biegen wir zu Rossis Ranch ab, auf der er mit den Fahrern seines Moto2-Teams und weiteren Nachwuchsfahrern trainiert und Spaß hat. Doch leider ist Sonntag auch hier geschlossen, zumal der Zutritt des Privatgeländes untersagt ist.
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Unverrichteter Dinge fahren wir weiter in den Ort und parken vor dem Eiscafé. Wir gönnen uns ein Eis auf der Terrasse. Ich bestelle mir Pistachio, Straciatella und Yellow46 (natürlich gelb und lecker). Manuel hat seins für die Nachwelt im Bild festgehalten. Danach geht es in den Fan-Shop. Hm, die Yamaha wäre ja auch nicht schlecht.
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Ich beschränke mich jedoch auf eine preiswertere aber gut durchdachte Investition, um meine GS auf das höchste Level zu heben. Fast nicht wieder zu erkennen. Ich verstehe zwar kaum italienisch, aber ich bin mir sicher, dass die Startnummer 46 in Italien gleichbedeutend mit einem Überholverbot ist. Wer es missachtet wird mindestens von allen Italienern ausgebuht oder mit gelben Rauchbombem beworfen.
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Die Pizzeria öffnet leider erst in einer Stunde. Eigentlich wollten wir schon direkt nach der Mittagspause am Strand anschließend etwas essen. Unterwegs deute ich auf eine geöffnete Pizzeria, doch Blahwas möchte erst in die Nähe des Campingplatzes, um nicht im Dunkeln über die Pässe fahren zu müssen. Die Versys hat ein bescheidenes Licht. Hmpf, ich habe Hunger und dann werde ich unleidlich. Aber gut, fahren wir halt erst zurück. Unterwegs fliegt mir noch ein Insekt unter dem Sonnenvisier durch direkt ins Auge und ich muss eine neue Kontaktlinse einsetzen. Meine Laune wird dadurch nicht besser. Aber ich werde durch die traumhafte Landschaft mehr als entschädigt.
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Gegen Abend legen wir noch einen etwas kuriosen Tankstopp ein. Wie üblich verteilen wir uns an die SB-Säulen. Ein Passant deutet Manuel an, dass er an dem zentralen Terminal bezahlen muss. Manuel interpretiert das allerdings so, dass er an einer Service-Säule steht und wechselt die Säule. Wir finden uns am Terminal ein und ich wähle meine Säule und bezahle mit Karte. Als die Säule freigeschaltet ist, stelle ich fest, dass die Zapfpistole für Super mit einem kleinen Vorhängeschloss gesichert ist und man dort nur Diesel tanken kann. WTF? Ich rufe den anderen, die noch am Terminal stehen zu, dass die Säule gesperrt ist, doch die antworten nur, dass die frei gebucht ist und ich tanken solle. Ich kläre sie auf und sie erleben das gleiche Schicksal an ihren Säulen. Wir suchen die Tankstelle nach nicht abgeschlossenen Super-Zapfstellen ab und finden immerhin 2 von 10 Säulen die funktionieren. Natürlich ist eine davon genau die, die Manuel zuerst angefahren ist. Logisch. Nachdem natürlich auch einige Karten abgelehnt wurden sind wir am Ende dennoch alle wieder mit Sprit versorgt.

Die Suche nach einer Pizzeria gestaltet sich etwas schwierig. Die erste ist voll besetzt, die zweite, für die wir einen 2 Kilometer weiten Umweg den Berg hoch gefahren sind, ist von einer geschlossenen Hochzeitsgesellschaft belegt und in die dritte gehen wir nach einem Blick ins innere gar nicht erst rein. Unsere Motorradklamotten würden unter den in Abendgarderobe anwesenden Gästen doch etwas auffallen. Alle sind etwas angenervt, doch 10 Minuten später sitzen wir in einer guten Pizzeria (aller guten Dinge sind vier - oder 46) mit lockerer Atmosphäre und leckerem Essen.

Auf dem Rückweg schalte ich zu dem schon recht hellem Fahrtlicht noch mein Fernlicht hinzu. Ich habe beide H7-Birnen durch Xenon-Brenner ersetzt und die machen die Nacht zum Tag. Auf einer Landstraße taucht ein Carabiniere mit einer Kelle auf und mich überkommen reflexartig Schuldgefühle, obwohl wir nur locker nach Hause bummeln. Es ist aber nur eine Unfallstelle, vermutlich ein Wildunfall, und er bedeutet uns langsam zu fahren. Scheint aber nichts ernstes passiert zu sein. Der letzte Kilometer zum Campingplatz geht über einen Schotterweg, der uns nach dem langen Tag noch einmal ein wenig Konzentration in der Dunkelheit abverlangt. Man will sich ja nicht noch auf den letzten Metern hinpacken.

Es war eine lange aber schöne Tour heute, für die man sich besser zwei Tage Zeit nimmt, um sich alles in Ruhe anzusehen.

blahwas kommentiert:
Oh ja, dieser "Single Trail" Via della Liberta, östlich aus Stia raus wäre ein prima Weg gewesen, den Urlaub und ggfs. die Saison für uns drei auf einen Schlag zu beenden :dizzy: Das Street View Auto ist da nicht mal lang gefahren, bevor es gesperrt war. Die folgende Route war durchaus schön, mit dem Passo dei Mandrioli als 2-fach Highlight.

Zur Routenplanung, wir waren von der Region her ja schon ziemlich am Ende der Welt unterwegs. Wenn man dort auch noch bewusst Nebenstrecken sucht, wie es kurviger eben tut, dann wird das schon mal sehr haarig, weil diese Strecken kaum noch unterhalten werden. Oft hatten wir da Schlaglöcher und Rollsplitt ohne Ende, außerdem eine so geringe Fahrbahnbreite, dass man sich um jede Kurve herumtasten muss. Ergibt in Summe eine lange Fahrzeit und teilweise weniger Fahrspaß als die "Hauptstrecken". Kurvig ist in den Bergen ja eh alles. Ich war daran nicht ganz unschuldig, denn ich hatte zwar mit Motoplaner die Routen (der übrigen Tage) geplant, aber Motoplaner ging ja ca. 2 Wochen vor der Reise in Kurviger.de auf, und meine Mitfahrer haben sich dann leider die Tracks von Kurviger.de runtergeladen, die auch auf der "geradesten" Stellung noch deutlich vom von mir angedachten schnellsten Weg zwischen den Wegpunkten abwichen. Noch so eine Lektion für mich, Tracks sind mit Vorsicht zu genießen und besonders zum Umplanen unterwegs nicht so gut zu gebrauchen. Vorteil von Track ist natürlich, dass alle wirklich das gleiche haben - nur ich nicht, weil mein Navi keine Tracks kennt und weil ich die Routen auch nicht so fahren wollte, wie sie als Track bei Kurviger raus kamen. Das ist aber eher ein generelles Thema, das müssen wir in Zukunft besser lösen. Inzwischen hat Kurviger die schnellste Route, das könnte schon helfen.

Die Rossi-Runde war eine schöne Idee und es hat Spaß gemacht, seinen Heimatort zu besuchen. Auch das Eis war lecker. Misano war selbst mit Meshjacke schweineheiß, das Meer tat da echt gut. Es muss viele Jahre her sein, dass ich das letzte Mal im Meer war. Die Ducati 748 mit der gelben Flakeslackierung gehört auch genau dort hin. Die Küstenstraße an der Adria-Steilküste war weniger sehenswert als die bei Cinque Terre einige Tage zuvor.

Über hohe Pässe würde ich auch mit gutem Licht nicht gerne bei Dunkelheit fahren, u.a. auch wegen der Gefahr von Wildunfällen. Wir waren ja wirklich am Ende der Welt unterwegs, und im Tal gab's dann ja auch vielleicht 20 Minuten vor uns einen. Da bin ich dann mal Mr. Vorsicht.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#11 Beitrag von blahwas »

Montag, 11. Juni - Siena und Volterra
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Die letzten Tage macht mir mein Vorderreifen zu schaffen. Er hat zwar in der Mitte noch ausreichend Profil, kippt allerdings beim Einlenken in die Kurve über eine Kante in tiefere Schräglage, was er auch gerne mit einem minimalen Rutscher quittiert und leichtes Gegenlenken erfordert. Nicht dramatisch aber unangenehm. Da mein Hinterreifen schon deutlich unter einem Millimeter Restprofil angekommen ist, bitte ich in der Rezeption des Campingplatzes mir ebenfalls einen Termin für den nächsten Tag um 8:30 Uhr beim nächstgelegenen Reifenhändler zu machen, den Blahwas auch schon in Anspruch genommen hat. Der Reifenhändler ist noch nicht erreichbar, aber der nette Herr an der Rezeption verspricht mir, mich dort anzumelden. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen was morgen passieren wird.

Heute steht ein Ausflug Richtung Siena und Volterra auf dem Programm, denn für die kommenden Tage ist in diesem Gebiet mit ersten Regenfällen zu rechnen, aber für heute wird es sonnig und heiß werden. Die Strecke ist mit 342 Kilometern relativ lang und wir fahren früh los. Unser erstes Ziel ist der Passo della Consuma.
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Der Pass ist ausgesprochen flüssig zu befahren und landschaftlich sehr schön, eine Strecke ganz nach meinem Geschmack. Bei der Auffahrt ist auch noch nicht viel Verkehr, was wir natürlich zu nutzen wissen.
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Die Abfahrt Richtung Consuma wird allerdings zunehmend voller. Als das Navi mich wieder in einen schmaleren Waldweg führen will, entscheiden wir uns diesmal dagegen und bleiben auf der Hauptstraße. Leider war das dieses Mal die falsche Wahl. Die nächsten Kilometer quälen wir uns bei steigenden Temperaturen durch den endlosen Berufsverkehr und kommen zu dem Schluss, dass wir besser den Waldweg gefahren wären, den Kurviger uns ausgerechnet hat. Wie man es macht....

Die Gurkerei macht müde und wir halten an einer Tankstelle und versorgen uns bei der angegliederten Bar mit Paninis, Getränken und Süßigkeiten. Nach einer Weile lichtet sich der Verkehr etwas und wir kommen in weniger dicht besiedeltes Gebiet. Dort finden wir auch wieder kurvenreiche spaßige Straßen.

Am frühen Nachmittag erreichen wir Siena und suchen uns Parkplätze in der Nähe der Altstadt. Es ist drückend heiß, aber die engen Gassen zwischen den Häusern bieten etwas Abkühlung. Wir nehmen das erste Ristorante und lassen uns zu einem Mittagessen nieder. Die Begeisterung meiner Mitreisenden über die schöne Stadt hält sich in Grenzen, aber wir genießen erst mal das Essen. Das Essen ist jedenfalls lecker und wir diskutieren, wie wir weiter fahren wollen. Blahwas möchte den Rest des Tages "alleine" fahren, worauf Manuel fragt nach: "Auch ohne mich?". "Ja, mit alleine meine ich alleine...". Das wäre geklärt. Ich möchte noch nach Volterra, auch wenn ein Stadtrundgang aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit und der schwülen Hitze voraussichtlich entfallen wird. Tremor und Manuel wollen sich anschließen.

Danach folgt noch ein Spaziergang zur Piazza del Campo, immerhin! Irgendwann muss ich mir einmal das Palio di Siena ansehen. Aber das findet erst in drei Wochen statt. Habe ich schon erwähnt, dass meine Mitfahrer Banausen sind? "Was war das Beste an Siena?" "Das Brillengeschäft, da war's schön kühl..."
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Wir verabschieden Blahwas und fahren zu dritt Richtung Volterra. Als BDR529 geht es weiter:
Es sind über 30° im Schatten, den es unterwegs aber nicht gibt. Ich freue mich auf das fest eingeplante Eis am Ziel. Am Fuße der La Fortezza di Volterra steht ein Schild mit einer angekündigten Sperre. Ich bremse ab und bin etwas unschlüssig, ob ich das Schild richtig verstehe und fahre Schritttempo.

Tremor dauert das zu lange, also fährt er mir ins Heck. Die Sonne hat die Temperaturen unter dem Helm wohl über eine kritische Grenze angehoben. Aber bis auf ein zerbröseltes Blinkerglas, ein verbogenes Nummernschild und dem Schrecken ist nichts passiert. Das Blinkerglas hält noch und kann später gewechselt werden. Damit geht Tremor souverän in Führung: Blahwas 1; Tremor 3; Manuel 0 und ich 2.

Manuel erntet wieder eine Ermahnung sich mal ein bisschen Mühe zu geben. Wir fahren noch ein kleines Stück und halten zu einer Eis- und Getränkepause mit grandioser Aussicht.
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Die Hinfahrt war auf den letzten Kilometern zäh und langwierig, aber die Rückfahrt hatte es in sich. In einer Ortschaft fahre ich ganz italienisch an einer Auto-Schlange vorbei und auch gleich an einem ortsansässigen Motorradfahrer auf einer 1200er Bandit. Das geht natürlich gar nicht und der Italiener sieht sich selbstverständlich genötigt seine Fahrt nach Hause mit einem Duell anzureichern. Kurz nach dem Ort beginnt eine kurvenreiche Strecke, die angemessen befahren werden will. Diese Chance lassen wir natürlich nicht ungenutzt liegen. Im Rückspiegel sehe ich die Bandit auf den Geraden heran fliegen. Gut, Radarfallen scheinen auf dieser Strecke kein Thema zu sein. In den Kurven muss die Bandit Federn lassen, auf den Geraden nutzt er die volle Leistung der Bandit aus und holt auf. Nach einigen Minuten nehme ich auf einer Geraden etwas Gas weg, um ihn passieren zu lassen, doch der Banditfahrer winkt ab und gibt mir zu verstehen, ich soll bloß weiterfahren.

So viel Gastfreundschaft lehnt man natürlich nicht einfach ab und ich gebe wieder Gas. Life is racing. Das sind Dinge, die Jungs halt tun müssen. Irgendwann werde ich bestimmt mal erwachsen. Kann aber noch etwas dauern. Nach einigen Kilometern Spaß kommen wir in seinem Heimatort an und adelt uns mit dem Daumen hoch und winkt uns lachend zum Abschied.

Auf dem Rückweg kommen wir erneut zum Passo della Consuma und wir nutzen die freie Strecke und den hier in der Gegend sehr seltenen Fall von neuem Asphalt und fahren etwas mehr als die meist nur erlaubten 30 oder 50, um die sich aber nicht mal altersschwache Fiat Pandas scheren. Die hier überall extrem niedrig ausgeschilderten Tempolimits nimmt niemand ernst.

Oben angekommen, warten wir auf Manuel, der mit einem Auto im Schlepptau bummelnd ankommt, was sich noch als Segen erweisen sollte. Wir tauschen uns noch kurz über die tolle Passfahrt aus und fahren wieder los, nur um einige Kurven später auf das Auto aufzulaufen, das Manuel schon bei der Auffahrt aufgehalten hat. Ich bin noch nicht bei der Sache und will ein paar Kurven später gerade zum Überholen ansetzen, als 50m weiter ein Fahrzeug der Guardia di Finanza und zwei Polizisten in mein Blickfeld gelangen, die uns genau taxieren. Die Kelle zuckt schon, aber sie sind sichtlich irritiert, dass wir so kreuzbrav hinter dem Auto herfahren. Zudem vermute ich sehr stark, dass sie von der gelben 46 auf meinem Windschild besänftigt werden.

Manchmal braucht man einfach einen Arsch voll Glück. Wenn die uns bei der Auffahrt gesehen hätten...
Und als blahwas, da mein Tag ab Siena etwas anders lief, daher hier mein Bericht:
Beim Stadtbummel in Siena fiel mir auf, dass ich schon mal hier war. Mit 18, in der Kollegstufenfahrt. Thema war damals „Toskana – auf den Spuren von Michelangelo“, zumindest hat der Leiter des Physikleistungskurses sich dafür entschieden. Die Erinnerungen an diese Reise waren gemischt, aber Siena habe ich wiedererkannt. Ich fand es aber mörderisch anstrengend, in der Hitze zu Fuß zu gehen, darum verzichtete ich auf den Besuch in Volterra. Und wenn ich mich schon abseile, dann könnte ich doch eigentlich auch mal alleine fahren – so ohne dauernd auf den Guide oder die Mitfahrer achten zu müssen. Das kann auch schön sein, außerdem kann ich dann einfach nur Motorradfahren und gnadenlos Pässe knacken, die allen anderen zu weit abseits wären. Und auf dem Weg dorthin kann ich sogar Autobahn fahren, um Strecke zu machen, und niemand schickt mich auf Traktorwege, weil Kurviger das so wollte.

Dafür muss ich zunächst eine Route planen. OSMand liefert die Übersicht, und ich hacke die Passknackerpunkte ins Excelvan ein. Hm, das sieht lang aus – nunja, ich bin ja alleine unterwegs, da schafft man mehr. Als raus aus der Stadt, am Stadtrand rein in die Jacke, ab auf die vierspurige Schnellstraße und immer an irgendwen dranhängen. Ein Handwerker-Sprinter dient mir als Guide. Nach 20 Minuten geht ab durch die Pampa Richtung Norden, 20 km vom Zentrum von Florenz entfernt am Dunstkreis der Stadt entlang – ziemlich eben hier, noch keine Bebauung, aber zunehmend Verkehr. Vor der Unterquerung einer Autobahn finde ich eine riesige Tankstelle, wie man sie aus Deutschland kennt: Man hält an der Säule, tankt so viel man will, geht dann rein, schnappt sich noch ein paar kalte Getränke und bezahlt dann. Ein Träumchen.

Mit vollem Tank geht’s nun weiter nördlich durch eher ebenes Gebiet zum Monte Albano in San Baronto). Dieser Punkt liegt ziemlich außerhalb der anderen und lässt sich daher schlecht zu einer Rundtour verbinden. Aber von Siena aus geht’s. Fahrerisch wird es hier erst ganz am Ende interessant mit ein paar Kurven, aber leider auch viel Bebauung und Verkehr - keine Reise wert und den Umweg nicht wert, wenn man nicht auf Punktesammlerei steht. Maulende Mitfahrer bleiben mir aber erspart, denn es sind keine dabei – Ätsch!

Der nächste Punkt heißt Vetta Le Croci und liegt 5 km nördlich von Florenz. Ich befinde mich 15 km westlich von Florenz. Pflichtschuldig schickt mich das Navi also über die Autobahn nach Florenz rein und dann wieder raus. Es ist 17 Uhr an einem Werktag. Ob da was los ist? Na klar ist da was los! Da ich mich nördlich der Innenstadt entlang hangele und da es kaum Ampeln gibt, fließt der Verkehr aber recht gut. Zumindest für die Zweiräder. Ich stehe ja total drauf: Die Italiener fahren so, wie das Wasser fließt, und ich mache so gut es geht mit. Autoschlange an einer T-Kreuzung? Klar, Zweiräder fahren ganz vor. Und ist dann eine Lücke, fahren ein Auto, zwei Roller und ich gleichzeitig los. Das Auto lassen wir hinter uns und zu dritt kann man parallel abbiegen, drei passen schließlich auch in eine Spur. Natürlich hält sich hier niemand an Tempolimits, so auch nicht noch ein Rollerfahrer, mit dem keiner gerechnet hat, und der uns gerade so mit etwa 80 von links in die Parade fährt. Oops, da halte ich mich links, die anderen rechts, er ab durch die Mitte und weiter geht’s. Gehupt oder gebremst hat keiner.

Richtig harmlos ist das alles nicht, und zwar auch aus einem anderen Grund: An irgendeiner Ampel hält neben mir ein Rollerfahrer und guckt sich sehr interessiert an, was ich so alles am Lenker habe. Mein Tipp, wäre da ein eingeklemmtes iPhone gewesen, hätte er mit links rüber gegriffen und sich mit rechts elegant verdrückt. Oder ich bin einfach sehr misstrauisch.

Auf dem Weg raus aus die Stadt stehen wieder Schilder und Blitzerattrappen, also hänge mich an einen einheimischen Rollerfahrer dran, der sich auszukennen scheint. Er fährt tatsächlich fast den ganzen Weg vor, und erst als es in Kehren bergauf geht könnte ich behaupten, dass er mich vielleicht ein wenig aufhält. Zuhause auf der Landkarte sehe ich, dass man Florenz elegant und kurvig umfahren hätte können, na sei’s drum, ist ja nix passiert.

Hinter der überraschend hohen Passhöhe geht’s ein langes, enges Tal entlang, und der Verkehr lässt auch bald nach. Das Pendlergebiet ist hier wohl zu Ende. Es folgt der Passo del Giogo (di Scarperia), der beim letzten Versuch wegen eines Autounfalls gesperrt war. Da kommt man noch mal an Rennstrecke Mugello vorbei, was immer wieder schön ist. Darüber freut sich auch der Fahrer einer Yamaha R1, der ein auf den ersten Blick deutsches Nummernschild im US-Format „R1 2018“ fährt. Die ist bestimmt ganz legal zugelassen und versichert… Der Pass selbst ist sehr angenehm zu fahren und wird offensichtlich auch gerne mal von Einheimischen als Verlängerung der Rennstrecke verwendet. Oben gibt’s schöne Natur und für mich eine Verschnaufpause. Ah, der eigene Pausenrhythmus.
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Als nächstes steht der Passo della Colla (di Casaglia) auf der Speisekarte. Dafür muss man wieder an der Rennstrecke vorbei, und dann führt mich mein kleiner Chinese leider über die hinterletzten Ministraßen im Wald, die aber immerhin in gutem Zustand sind. Die Bundesstraße wäre mir auch recht gewesen. Hier ist man jetzt eindeutig im Gebirge und hat tolle Kurven, Aussichten und Fahrspaß. Nördlich von Florenz sind die besten Strecken bisher. Den Passo della Sambuca nehme ich noch als Abstecher mit.
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Dann geht’s auch „schon“ auf dem schnellsten Weg zurück – 80 km und 1:20 Stunden, ohne vierspurige Straßen weit und breit. Es geht lange im Tal die Hauptstrecke entlang, mit zu dieser Zeit schon weniger Verkehr – es geht auf 20 Uhr zu. Da ist man auf dem Land wieder bei der Familie, erst recht an einem Montag. Unterwegs habe ich noch 15 Minuten Aufenthalt an einer Bahnschranke geht es über einen Pass, den ich schon hatte, der aber nicht weniger schön ist: Valico di Croce a Mori. Auf der Passhöhe steht ein großes Kreuz, und dahinter ein Grabstein. Für einen Manuel, der so alt wurde, wie ich jetzt bin, und der auf dem Foto eine Motorradhose trägt. Macht nachdenklich.

Der lebende Manuel ist derweil schon an der Pizzeria, weil er sich nicht dem Supermarktsalat der Eurobiker anschließen wollte und schockt mich per Whatsapp mit einer Warnung vor der Polizeikontrolle. Ich schleiche also mit 30 und 50 über den Pass, weil gelegentlich solche Schilder stehen. Aufhebungsschilder gibt’s hier nicht, Bebauung auch nicht, außerdem ist völlig tote Hose – nach 20 Uhr, A… der Welt, Pass, null Verkehr. Irgendwann ist das dann doch überstanden und ich treffe Manuel in der Pizzeria. Für mich gibt’s hier Pizza „Manuel“ mit „Wurstel“. Das finde ich saulecker und genieße es total, nach meinem einsamen 300 km-Ritt. Die Pizzeria heißt Officina della Pizza und ist so ein wenig Fast Food-mäßig und kinderfreundlich. Mit dem letzten Sonnenlicht geht’s dann zurück zum Campingplatz. Der Schotterweg schockt uns beide nicht mehr. Im Pavillon gibt’s einen Austausch der Erlebnisse, aber wir sind alle sehr müde vom langen Fahrtag heute.

Meine Route ab Siena (wird so nicht empfohlen): kurviger.de
Manuel kommentiert noch:
#16 Manuel
Just my 2 cent zu Siena:
Stadtbummel mit Motorradklamotten und Hecktasche kann man machen, weil man auf Geschleppe und warm/Stickig steht. Mit warm habe ich normalerweise kein Problem. Mit stickig schon mehr. Nur da wäre ich lieber vom Restaurant wieder zum Motorrad zurück gegangen wie ich es erwogen hatte. Ich hatte viel zu schleppen (Helm, Jacke, Hecktasche mit Kamera) und auch meine Stiefel sind zum Motorradfahren gemacht. So wars für mich ziemlich anstrengend und hätte mir jemand die Tasche entrissen wäre ich wohl nicht hinterher gekommen.
Für mich das nächste Mal Stadtbummel und Motorradfahren getrennt.

Als ich dann abends schon in der Pizzeria saß warnte ich blahwas vor der Polizeikontrolle die uns freundlicherweise durchgewunken hat. Ich bekam paarmal die Nachricht dass bei ihm nichts sei. Hinterher stellte ich dann fest, dass er einen anderen Pass als ich gefahren bin. Da ich mich für den Urlaub überhaupt nicht mit der Routenplanung auseinander gesetzt hatte wurde ich nicht, dass es nach Stia rein zwei Pässe gibt. Nunja, auch hier nochmal: sorry bro dass du so bummeln musstest.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#12 Beitrag von blahwas »

Dienstag, 12. Juni - Reifen, Spiegel, Bergrennstrecke
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Die heutige Route steht unter dem Motto "einfach mal Motorrad fahren"
BDR529 schrieb: Die Spiegel-Wette ist entschieden! In den letzten Urlauben waren Spiegel ein Dauerthema bei Blahwas und Tremor. Beide verwenden preiswerte China-Lenkerendspiegel, gegen die sich sowohl die Versys als auf die KTM heftig gewehrt haben. Die KTM hatte die Spiegel regelmäßig in kürzester Zeit abgeschüttelt und auch die Versys hatte die Spiegelbefestigungen zerbröselt. Abenteuerliche Reparaturversuche mit Panzertape waren an der Tagesordnung.

Im Vorfeld dieser Reise habe ich eine Wette zwischen den beiden angeregt, dass derjenige, der zuerst einen Spiegel verliert, eine Runde ausgeben muss. Etwas naiv hatte sich Blahwas, die Wette wohl schon nicht mehr im Blick, zwei zusätzliche kleine "Innenspiegel" an den Lenker gebastelt, mit den er den toten Winkel eliminiert hat. Damit hat er natürlich gleichzeitig seine Chancen auf den Verlust der Wette verdoppelt. Am Morgen bei der Inspektion der Motorräder beichtet Blahwas dann den Verlust eines der beiden Zusatzspiegel. Sein Einwand, dass diese Spiegel doch für die Wette nicht zählen würden, wird mit einer unwiderlegbaren Argumentationskette beiseite geschoben: "Selbst schuld!"

Die erste Station für mich ist heute der Reifenhändler. Der nette Rezeptionist am Campingplatz hatte mir gestern zugesagt, mich für 8:30 Uhr beim örtlichen Gommista anzukündigen. Da meine Reifen vor dem Urlaub mit 3,5 mm Restprofil noch zu gut für einen Wechsel waren , aber mit Sicherheit nicht den gesamten Urlaub überstehen würden, habe ich mir einen neuen Satz Conti CRA3 mitgebracht. Nach meiner Recherche haben die Händler hier in der Regel Michelin und Pirellis vorrätig, aber eher keine Contis.

Ich schnappe mir also meine Reifen und fahre um 8:00 Uhr los. Leider war es bei der Ankündigung der Ankündigung geblieben, denn Herr Rossi weiß von nichts. Er schaut sich mein Mopped an, um die Größe der montierten Reifen abzulesen. Ich frage mich schon, warum er das macht, da erst bemerkt er die beiden neuen Reifen auf der Sitzbank und haut sich auf die Stirn. OK, kein Problem er schiebt mich um 10:00 Uhr dazwischen. Also noch genug Zeit für ein Frühstück. Ich lasse die Reifen da und fahre zurück zum Campingplatz. Manuel inspiziert meine Reifen und macht ein skeptisches Gesicht. Das ist aber wenig Profil für neue Reifen! Ich kläre auf, dass ich erst um 10 Uhr dran bin.

Da ich vermutlich erst gegen 11:00 Uhr mit neu gummiertem Motorrad die Tour aufnehmen kann, vereinbaren wir, dass ich die Tour anders als die drei entgegen dem Uhrzeigersinn fahre und wir dann unterwegs einen Treffpunkt ausmachen. Um kurz vor 10 bin ich wieder beim Händler und der Monteur schiebt meine GS in die Halle. Ich setze mich in einen Wartebereich der Halle und schaue zu. Ich verstehe eigentlich kein Italienisch, allerdings den fluchenden Mechaniker sofort: "Wo ist der Scheiß-Hauptständer?" So oder so ähnlich flucht er auf italienisch. Ich meide jeden Blickkontakt und tue so, als ob ich die italienische Motorradzeitung lesen würde. Pah, wer braucht schon einen Hauptständer! Der setzt viel zu früh auf. Unnützes Metall eben. Natürlich bekommen die die GS auf einem kleinen Hydraulikheber auch ohne Hauptständer ausbalanciert und nach eine halben Stunde habe ich bezahlt und fahre mit frischen Reifen los. 40€ inkl. Radaus- und -einbau, da kann man nicht meckern.

Ich schreibe die Dreiergruppe an und nach kurzem Abschätzen der Positionen und Routen, vereinbaren wir einen Treffpunkt an einem Elektronik-Markt, denn Manuel benötigt ein neues Ladegerät für sein Smartphone.

Im nächsten Ort halte ich bei einem Optiker, um meine von einem anonymen rücksichtlosen Motorradfahrer überfahrene Sonnenbrille durch eine neue zu ersetzen. Der sehr freundliche Optiker riet mir von meiner bisherigen Marke ab und überzeugte mich von einer 20€ teureren Brille, die zugegebener Maßen auch eine deutlich bessere Grafik (vermutlich UHD) hat. Soll heißen, die Gläser inkl. Polarisierung und Blau-Filterung sind wesentlich angenehmer als bei meiner alten. In Summe viel Geld aber ich hab's nicht bereut. Vielleicht lerne ich ja mal, die nicht zu verlieren oder zu zerstören.
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Der Treffpunkt war gut gewählt, denn wir treffen nur zwei Minuten nacheinander dort ein. Am Treffpunkt besorgt sich Manuel ein neues Ladegerät. Während er noch seine Sachen verpackt und in seine Klamotten steigt, fahren wir schon auf dem Parkplatz auf einem aufgemalten Kreisverkehr zu dritt im Kreis um ein bisschen Fahrtwind abzubekommen. Ein paar Fußgänger bleiben mit fragenden Blicken stehen. Was die drei bekloppten Touris da wohl machen?
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Das ist mal eine Gerade...
Wir fahren den Bocca Trabaria an und ignorieren wieder mal das Sperrschild im Tal und stehen fast oben angekommen vor verschlossenen Türen. Vorbei mogeln ist nicht. Das erklärt zumindest, warum die Strecke so schön leer war. Egal, denn es ist Urlaub und der Weg ist das Ziel. Also wird neu geplant.
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Wir überlegen die Strecke zu kürzen um der am Nachmittag erwarteten Regenfront zu entgehen. Kurz danach präsentiert Blahwas eine neu geplante Route, die erstaunlicherweise länger als die ursprüngliche Route ist. Wir überlegen, ob das vielleicht mit einer fortgeschrittenen Passknackersucht zusammenhängen könnte, verwerfen den Gedanken aber wieder. Blahwas wird überstimmt und wir kürzen die Route.

Wir halten an einem schicken Ristorante und essen zu Mittag. Bei Blahwas und Manuel ist nach eigenem Bekunden etwas die Luft raus und wollen morgen nur noch eine kleine Runde drehen, heute aber noch einige offene Passknackerpunkte im Norden mitnehmen. Ich schaue ob der herannahenden Regenwolken etwas skeptisch, aber lasse das mal auf mich zukommen. Gedanklich plane ich schon eine südlichere Route, um die Regenfront zu umgehen.

Nur wenige Minuten nachdem wir uns wieder in Bewegung kommt uns ein Motorradfahrer entgegen und warnt uns langsam zu fahren. Ich halte mich daran, ohne das eine erkennbare Kontrolle folgt. Manuel wundert sich schon, da er den Wink nicht gesehen hat. Dann geht meine GS auf der Abfahrt ohne jede Vorwarnung aus! Ich bin etwas ratlos und versuche beim Ausrollen den Motor durch einkuppeln wieder zum Start zu bewegen und male dabei einen kurzen schwarzen Strich Gummi auf die Fahrbahn. Als mein Blick auf den Tacho fällt, beginne ich zu ahnen, dass es recht unwahrscheinlich ist, dass ich seit dem gestrigen Tankstopp laut Anzeige überhaupt keinen Sprit verbraucht habe.

Am gestrigen Abend kamen wir irgendwie auf das Thema Reichweiten und Reserve- bzw. Tankinhaltsanzeige zu sprechen. Dabei erwähnte ich, dass meine GS den Füllstand des Tanks seit über 100.000 Kilometern sehr genau anzeigt, obwohl der Foliengeber, der bei mir verbaut ist, als Schwachstelle gilt und vielen GS-Fahrer schon Probleme bereitet hat. Und weniger als 24 Stunden später stehe ich jetzt hier mit voller Tankanzeige und trockenem Tank. Ich wittere Sabotage! Aber im Ernst, wie wahrscheinlich ist das denn? Der Foliengeber ist mit 250,- € inkl. Ein- und Ausbau sauteuer, aber es gibt einen findigen McGyver-Trick, um den Foliengeber mit Hilfe eines Zündfunkens im Tank zu reparieren. Das werde ich direkt nach dem Urlaub in Angriff nehmen.

Zum Glück hat Tremor als 690er-Fahrer mit der geringsten Reichweite unserer 4 Motorräder immer eine Galone Sprit in einem Reservekanister dabei. Dabei hat Tremor heute Vormittag den Kanister schon genutzt, aber in weiser Voraussicht nur die Hälfte verwendet. Sehr aufmerksam!. Die nächste Tankstelle ist nur wenige Kilometer entfernt und ich befülle meinen Tank und Tremors Reservekanister. Damit habe ich mit Tremor gleich gezogen und es steht Blahwas 1, Tremor 3, Manuel 0 und ich 3.

Es beginnt wieder zu regnen und wir stoppen, um uns die Regenkombis überzuziehen. Die Wolkendecke wirkt im Norden bedrohlicher und mir kommt Blahwas wieder in Erinnerung, wie er beim letzten Wolkenbruch klatschnass bis auf die Knochen auf dem Campingplatz ankam.

Hier trennen sich wieder die Wege, heute zwischen Passknacker-Nippon Bikern (blahwas und Manuel) und besonders wasserscheuen Euro-Bikern (BDR529 und Tremor). BDR529 erzählt weiter:
Tremor und ich beschließen, eine südlichere Route, um das Regengebiet zu umfahren. Aber das Wetter ist sehr unbeständig unberechenbar. Wir wollen unsere Serie halten, im Urlaub nicht nass zu werden. Die südliche Route endet jedoch jäh oben auf einem Pass, der dort durch große Betonbarrieren gesperrt ist. Im Tal war uns keine entsprechende Ankündigung aufgefallen. Es ist derselbe Pass, den wir gegen Mittag von Süden versucht haben zu befahren! Da ich mich heute nicht um die Route gekümmert hatte, war mir das nicht aufgefallen. Also wieder runter vom Pass und wieder ein Stück zurück. Wir müssen eine nördlichere Route wählen, die aber immer noch etwas besser erscheint, als die Route von Blahwas und Manuel. Wir fahren immer hart an der Regengrenze entlang, aber es treffen uns immer nur einzelne Tropfen hier und da, aber wir bleiben verschont.

Am Vallico Dello Spino ist extra für uns (nehmen wir zumindest an) die Strecke mit Heuballen gesichert, die Kurven nummeriert, schöne bunte Curbs gesetzt und Zeitmesspunkte installiert. Wir sind zunächst etwas skeptisch ob der Tempo 50-Beschilderung, entscheiden dann aber, dass man auf einer Rennstrecke nicht bummeln darf, um andere nicht zu gefährden. Jedenfalls eine 1A-Bergrennstrecke. Nett, was dem gemeinen Motorrad-Touristen hier geboten wird. Hier wird in drei Tagen das Lo Spino-Bergrennen ausgetragen.
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Das durchwachsene Wetter bietet ein spektakuläres Panorama über Bibbiena, AZ
Abends treffen wir uns in einer Fast-Food-Pizzeria mit Manuel und Blahwas. Nicht ganz mein Fall, aber die Pizza ist ok. Wir planen den morgigen Tag; Tremor möchte noch einmal in Richtung Mugello, die beim letzten Versuch leider aufgrund eines Autounfalls gesperrte Passstraße in der Nähe der Rennstrecke nachholen. Ich werde mich anschließen und wir planen eine Route knapp über 200 Kilometer. Blahwas und Manuel werden morgen kürzer wie angekündigt treten und nur eine kleine Runde drehen.
Als blahwas geht's hier weiter ab der Trennung:
Wegen der Sperrung am Bocca Trabaria mussten wir umplanen, und leider war der echt schlecht zu umfahren. Im Südwesten ist alles eben, im Nordwesten waren wir gerade, nach Nordosten ist eben gesperrt, also geht es ein Stück in den Südosten und dann von dort in die Berge rein, über Valico di Bocca Seriola. Der ist zwar an sich nett zu fahren, aber leider Tempo 50 mit Blitzer oder –attrape alle 2 km – die Einheimischen Autofahrer fahren eher 80. Nicht so schön. Wir machen eine längere Mittagspause und bewundern dabei diese artgerecht gehaltene Beta-Enduro, die sogar zwei Nummernschilder hat! Das zweite (sichtbare) steckt in einer Tüte, die auf dem fest verschraubten aufliegt und nur oben mit einem Spanngummi „befestigt“ ist. Eine gute Idee für unsere nächste Reise!
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Allgemein macht sich Müdigkeit bemerkbar. Wir sind jetzt den elften Tag unterwegs, und eigentlich wäre es für mich OK, mal wieder nach Hause zu fahren, oder den Ort völlig zu wechseln. Kann man etwa tatsächlich genug Motorrad fahren? Kaum vorzustellen, aber eher den Umständen geschuldet: Merkwürdige Straßenbeläge und Tempolimits…
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Versehentliches Gruppenfoto mit Klaus
Nach Michaels Benzinpanne wollen Manuel und ich noch die beiden nördlichen Passknacker mitnehmen, die wir aus Zeitmangel am Rückweg von der San Marino-Rossi-Runde aus der Route werfen mussten: Valico di Montecoronaro und Valico Monte Fumaiolo. Auf dem Weg dorthin meutern einzelne Mitfahrer, denen der Himmel dort zu dunkel aussieht. Der sieht tatsächlich dunkel aus, aber laut Regenradar und Landkarte kann man das eh nicht sinnvoll umfahren. Man kommt zu keiner Einigung, und so seilen sich die besonders wasserscheuen Eurobiker ab und fahren geradewegs in den gesperrten Pass, drehen dann um und fahren notgedrungen ganze 3 km parallel zu uns nördlich, und anschließend den Weg zurück, den wir morgens schon hatten – nur Michael nicht.

Unser weiterer Weg führt über den Passi della Spunga, der wieder mal aus Bröselasphalt an der Grenze zu Schotter besteht, und er hat zusätzlich ein Schild, das irgendwie nach „Motorrad verboten“ aussieht. Leider können wir kein Italienisch und fahren weiter – tote Hose, AdW, schlechtes Wetter, da werden sich die Kontrollen ja wohl in Grenzen halten. War dann auch so. Das Wetter sah weiterhin bedrohlich aus, hin und wieder war auch die Straße nass, aber in Summe haben wir vielleicht eine Minute Nieselregen gehabt. Es trocknet eben schnell in der Wärme. Wir sind eigentlich im „schnellster Weg nach Hause“-Modus unterwegs, aber der Passo dei Mandrioli wirft sich doch wieder in den Weg – das dürfte der meistgefahrene Pass des Urlaubs sein, und das ist auch nicht schlecht so, denn der ist echt erste Sahne. Bis hier ist auch alles wieder trocken.
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Dahinter hätte man nach rechts nördlich abzweigen können, um via Passo Fangaci (harmloser Schotter) etwas bebautes Tal zu vermeiden, aber dann hätten wir ja die Pizzeria verpasst, die wir beide ganz ok fanden. Auf dem Weg dorthin tauschen wir mal Motorräder, so zur Abwechslung, und ich finde die Tracer nicht schneller als die Versys, mir weiterhin zu klein und den Sound mit dem Topf etwas laut, aber: Leider geil. Crossplane is nice. Manuel darf es sich von vorne und hinten anhören. Später findet eine weitere Pizza Manuel den Weg in meinen Magen. Beim Essen stellen wir fest, dass für uns beide Abreise morgen früh, also einen Tag früher ganz okay wäre. Am Campingplatz finden wir dafür aber keine Mehrheit. So beschließen Manuel und ich, morgen einen Bummeltag zu machen.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#13 Beitrag von blahwas »

Mittwoch, 13. Juni - Der würdige Abschluss

blahwas Tour:
Heute ist also der letzte Fahrtag. Wegen allgemeiner Sättigung fahren Manuel und ich heute nur eine kleine Runde, quasi auf Straße einmal nördlich um dem Campingplatz. Da wir hier sehr abgelegen sind, ergibt das eine 131 km Runde mit 2:20 Stunden Fahrzeit. Da ein kurzer Abstecher zu einer weiteren Passhöhe drin ist, und mein China-Navi dahinter bis in die nächste Stadt partout nicht mehr wenden will, ist mir die genaue Länge und Fahrzeit leider unklar. Aber weniger ist heute eh mal mehr.
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Wir lassen uns morgens Zeit, dann geht’s den Schotter vom Campingplatz zur Straße runter, der sieht übrigens so aus:
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An der Hauptstraße dann links, unseren Hauspass hoch, den Passo della Calla. Den sollte man sich merken, der ist ein echtes Highlight dieser Region, 1296 Meter, Unmengen Kurven und nur weite Kehren, kaum Verkehr, viel Natur. Wie ich vor ein paar Tagen erfahren habe, auch im Regen sehr griffig, aber heute bleibt es trocken. Die Stichstraße nach Nordwesten auf 1488 Meter entdecke ich leider erst hinterher auf der Karte.

Im nächsten Ort danach geht es links wieder rauf, Passo Braccina, heute mal ohne Starkregen – wirkt gleich viel harmloser. Der Asphalt ist zwar noch nicht alt, aber trotzdem nicht in einem tollen Zustand. Für Schotterfreunde gäbe es nördlich und südlich ein ganzes Netz an Strecken und Pässen, die noch keiner bei Passknacker eingetragen hat, aber wir bleiben heute mal schön auf befestigten Straßen. So kommt Manuel noch zu einem Nachweisfoto hier, ohne sich wie ich einen nassen Hintern dabei zu holen. Ein Bißchen neidisch bin ich da schon.
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Im nächsten Tal geht’s wieder mal links, der Colla Tre Faggi wartet. Und ich warte auf Manuel. Der wird sich doch nicht noch am letzten Tag…? Nein, er hatte mal zwischendurch angehalten und seinen Lenker verdreht. Der Pass hier ist eher breit, aber holperig. Dafür geht’s an der nächsten Kreuzung mal rechts, ein Stück den Passo del Muraglione fahren – der ist breit und ohne Schlaglöcher, da kann man mal die Fußrasten entrosten.
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Er scheint aber überregionale Bedeutung zu haben, gemessen am Aufkommen italienischer Motorradfahrer, und das Restaurant auf der gut ausgebauten Passhöhe ist auch gut besucht und stimmungsvoll eingerichtet. Auch die Anzahl der Aufkleber auf dem Passschild spricht für einen gewissen Ruf.
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Wir fahren ein Stück nach Norden, aber es geht mir zu schnell wieder ins Tal, also fahren wir wie geplant nach Süden weiter. Dabei landen wir hinter einer Gruppe italienischer Motorradfahrer, die ziemlich rumbummeln. Rumbummeln finde ich heute gar nicht schlecht. Ich weiß weder, wo ich als nächstes abbiegen müsste, wann die nächste Tankstelle kommt, noch könnte ich in den Spiegeln erkennen, wo in der Gruppe sich Manuel gerade befindet. Ach nö, gucke ich mir lieber mal was die so tun, es geht eh wieder ins Tal, und mit den Blitzkästen kennen die sich bestimmt besser aus. Das lief dann auch ganz gut und im nächsten großen Ort trennen sich unsere Wege.

Der letzte Pass des Tages ist dann wie West-Ost-Verbindung Valico Croce ai Mori, den wir nun schon recht gut kennen. Manuel möchte Manuels Grabstein nicht besichtigen, bzw. glaubt mir nicht, dass da einer ist – aber wer will das schon?

Wir sind also schon recht früh am Campingplatz zurück, ohne Sturz und Schande, und können uns eingehend erholen, waschen, pflegen, unsere Zelte und den Pavillon aufräumen, denn die stehen nicht mehr lange. Dann warten wir auf die Eurobiker, die heute noch mal alle Highlights aneinanderreihen wollten und deshalb später zurückkommen. Das Abendessen soll dann dem Abschluss dieser Reise würdig und entsprechend gediegen ausfallen, aber das darf BDR beides berichten.

Unsere Route heute bei Kurviger, 2:20 Stunden, 131 km - am Passo della Calla würde ich nächstes Mal den Abstecher nach Nordwesten einbauen.
Und hier der BDR529-Tagesbericht:
Mittwoch, 13. Juni - Der letzte Tag
Nachdem Blahwas und Manuel für heute keine Motivation für einen letzten Fahrtag aufbringen konnten, starten Tremor und ich noch einmal Richtung Mugello, um einige Strecken nachzuholen bzw. noch einmal zu fahren.
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Das Wetter lässt allerdings nichts gutes ahnen, aber wir schaffen es die erste Stunde trocken zu bleiben und immer knapp am Regen vorbei zu navigieren. Die Nicht-Nass-Werden-Serie für diesen Urlaub muss halten. Wie das so mit den Vorsätzen so ist, fängt es wenige Kilometer vor Mugello an wie aus Eimern zu schütten. Wir haben rechtzeitig unsere Regenkombis angezogen, nur meine Stiefel sind nicht wasserdicht. Aber egal es ist warm und die werden auch schnell wieder trocken, wenn es dann mal wieder aufhört.

In Mugello angekommen, lässt der Regen kurzzeitig etwas nach. Auf der Rennstrecke fahren nur wenige Tourenwagen, und leider keine Motorräder. Schade, aber nicht zu ändern. Die schöne Strecke nördlich der Rennstrecke zum Passo del Giogo di Scarperia, wegen der wir unter anderem hier sind, können wir aufgrund des starken Regens nicht wirklich genießen. Nach ein paar Kilometern im nächsten Tal legt sich der Regen und die Sonne meldet sich wieder zurück. Wir lassen uns lufttrocknen und fahren zum Passo Carnevale, ein schöner zu fahrender Pass, praktisch ohne jeden Verkehr.

Nach einer Weile will ich zu einem kurzen Trink-Stopp neben der Straße und schaue mich nach Tremor um. Dabei achte ich nicht auf den Untergrund auf dem ich meinen Fuß abstellen möchte, was mir schon im letzten Jahr auf der Stella Alpina einem dämlichen Umfaller eingebracht hat. "Nicht schon wieder!" denke ich als, mein Fuß in einer Rinne deutlich später als erwartet Bodenkontakt findet. Ich kann mein Motorrad so gerade noch halten, aber es ist eindeutig zu schräg, um es wieder aufzurichten. Wo bleibt Tremor, wenn man ihn braucht! Aber er ist schon hinter mir und fährt geistesgegenwärtig direkt neben mich, so dass ich mich an ihm abstützen kann und das Motorrad sogar wieder aufgerichtet bekomme.

Ich habe ja den Verdacht, dass er seine Felle bei unserer internen Ereignis-Rangliste davon schwimmen sah und mich deshalb aus meiner misslichen Lage befreit hat. Wir einigen uns auf einen halben Punkt in der Wertungskategorie. Zwischenstand: Blahwas 1, Tremor 3, Manuel 0 und ich 3,5. Aber der Tag ist ja noch lang.

Neben uns hält ein Geländewagen und der Fahrer fragt uns etwas auf italienisch. Ich antworte ihm auf italienisch, dass ich kein Italienisch verstehe "Scusi, non parlo Italiano. Vengo dalla Germania.", was meist erst mal etwas Verwirrung stiftet, aber mein Minimal-Italienisch reicht nur zum Überleben, aber nicht für eine Konversation. Er fragt uns dann auch Englisch, ob wir seinen Hund gesehen haben, der ihm entlaufen ist. Leider können wir nicht weiter helfen.
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Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite und meine Stiefel sind längst wieder trocken. Wir erklimmen den Passo del Muraglione und den Valico dei Tre Faggi. Auf der folgenden Abfahrt verliert Tremor immer wieder den Anschluss und ich wundere mich schon, da ich nicht sonderlich zügig unterwegs bin. Beim der folgenden Trinkpause wissen wir auch warum. Tremor hat sich einen Platten eingefahren, der Reifendruck liegt nur noch bei ca. einem Bar Überdruck. Da es wieder ein paar Tropfen regnet und wir keinen Kompressor dabei haben, beschließen wir einen kleinen Umweg von 5 Kilometern zu einer Tankstelle, in der vagen Hoffnung dort Pressluft, aber zumindest ein trockenes Plätzchen zum Flicken des Reifens zu finden. Wir rollen vorsichtig zur Tankstelle, die aber leider geschlossen ist und keine Pressluft anbietet. Dafür haben sich die Regenwolken verzogen ohne uns einzunässen.

Wir informieren Blahwas und Manuel, dass wir eine Stunde später als geplant zurück sein werden und machen uns an die Arbeit. Blahwas und Manuel bieten uns netterweise an, Tremors Maschine mit dem Anhänger abzuholen, aber das würde viel länger dauern. Es dauert etwas, bis wir das winzige Loch finden. Die Ursache für das Loch ist nicht mehr erkennbar. Das Loch wird mit der Reibahle durchstochen und erweitert. Dann pressen wir den mit Vulkanisierungskleber eingeschmierten Flicken in das Loch und warten 10-15 Minuten.
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CO2-Patronen habe ich keine mehr dabei, weil bei meinem letzten Platten drei Stück verbraucht habe und das trotzdem nur für 1,2 Bar gereicht hat. Stattdessen habe ich eine einfache sehr kleine Fahrradpumpe, die auch für Schrader-Ventile geeignet ist, dabei. Ich habe damit noch keinen Motorradreifen aufpumpen müssen und wir richten uns auf eine lange Sitzung ein.

Erstaunlicherweise füllen wir den Reifen trotz der kleinen Handpumpe in deutlich weniger als 10 Minuten auf über 2,5 Bar. Die Pumpe wird zwar sehr heiß und wir gönnen ihr zwischendurch mal eine kurze Pause zum Abkühlen, aber sie funktioniert tadellos. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mit einem kleinen 12V-Kompressor wäre das auch nicht schneller gegangen.

Nach einer halben Stunde sind wir wieder unterwegs und überwinden noch den Passo Braccina (Monte Guffone) und den Passo della Calla, bevor wir wohlbehalten den Campingplatz erreichen. Ganz dicht war der Flicken wohl nicht, oder es gibt noch ein zweites Loch. Das kann man aber durch einen zusätzlichen Streifen noch beheben. Tremor will das aber erst zuhause angehen oder sich direkt einen neuen Reifen gönnen.

Leider war's das schon wieder mit dem Urlaub und nach der Kür kommt die Pflicht und wir packen den Pavillon, Tische und Stühle ein und verladen die Motorräder. Beim Zusammenpacken fällt mir auf, dass ich meinen Autoschlüssel heute unterwegs verloren haben muss. Und das kurz vor Schluss, super! Problematisch ist das nicht, weil ich Blahwas für den Urlaub meinen Ersatzschlüssel gegeben habe, allerdings kostet ein Ersatzschlüssel 120€ zzgl. 30€ für die Kodierung. Aber egal, nicht zu ändern. Hauptsache alle sind gesund und es gibt auch keine substantiellen Materialschäden.
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Der für den Abend angekündigte Starkregen hat sich sehr rücksichtsvoll noch Zeit gelassen und wir können alles komplett trocken einpacken.

Zum Abschluss des Urlaubes lassen wir uns von Tremor zu der Pizzeria chauffieren, die wir am vergangenen Sonntag ausfindig gemacht haben und speisen dort in mehreren Gängen.
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Durch den Plattfuß hat Tremor in der Urlaubsereignisrangliste mein Überholmanöver mit dem Beinaheunfall auf der Zielgeraden noch gekontert und gewinnt die Gesamtwertung:

Platz 1: Tremor mit 4 Punkten (2 Umfaller, 1 Auffahrunfall und 1 Plattfuss)
Platz 2: Michael mit 3,5 Punkten (1 Umfaller, 1 Rutscher mit Bodenkontakt, 1 ohne Sprit liegen geblieben, 1 Beinahe-Umfaller, von Tremor verhindert (0,5 Punkte).
Platz 3: Blahwas mit 1 Punkt (1 Umfaller)
Platz 4: Manuel mit 0 Punkten

Manuel steht mit diesem Totalausfall damit eindeutig in der Pflicht, sich im nächsten Urlaub etwas einfallen zu lassen, um diese Schmach nicht zu wiederholen.

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Re: Reisebericht Toskana 2018

#14 Beitrag von blahwas »

Abreise und Fazit

Bericht BDR529:
Die Nacht verläuft stürmisch und der Himmel öffnet seine Schleusen. Das schlimmste ist aber morgens überstanden und es tröpfelt nur noch. Die Zelte sind zwar klatschnass, aber wir kommen wir geplant um 7:00 Uhr los.

Das war's dann schon wieder für diesen Urlaub. Die Rückfahrt verläuft ohne Zwischenfälle, nur der Anhänger benötigt vor dem nächsten Urlaub neue Radlager, die waren schon vor Reiseantritt deutlich zu hören.

Die Toskana ist landschaftlich einfach schön und bietet sehr schöne Strecken, auch wenn der Asphalt oft einiges zu wünschen übrig lässt. Verhungern muss man in Italien auch nicht und die Italiener sind ausgesprochen freundlich und gelassen.

Für mich persönlich wünsche ich mir für den nächsten Urlaub etwas mehr Abwechslung, vielleicht einen Tag in einem Enduro-Park oder einen Tag am Strand, mal sehen. Das Sammeln von Passknackerpunkten gibt mir leider gar nichts und ist eher lästig. Ich könnte mir auch wieder eine Rundreise nur auf dem Motorrad vorstellen, d.h. ohne Auto und Basislager, was zwar weniger Komfort, aber auch mehr Spannung mit sich bringt. Mal sehen.

Meinen Mitreisenden danke ich für den tollen Urlaub! Knatsch oder Streit hatten wir noch nie, passen fahrerisch und menschlich alle gut zusammen. Besser geht's kaum.
Bericht blahwas:
Mein Aldi-Zelt ist nach 6 Jahren endlich mal völlig abgesoffen. Morgens hatte ich Pfützen im Zelt. Eine prima Gelegenheit für ein Upgrade. Und so landen das undichte und umständlich auf- und abzubauende Aldi-Zelt sowie die bereits länger eigentlich zu kalte und sperrige Isomatte in der Mülltonne. Vor dem nächsten Campingtrip wird ein Quick-Up-Zelt und eine hohe Luftmatratze gekauft. Die Heimfahrt läuft glatt und ohne Übernachtung, und sogar die eine Stunde Autobahn auf der Versys nach dem Abladen vom Hänger bei BDR529 daheim macht wieder Spaß.

Der Absatz von BDR529 zur Toskana wäre auch etwa mein Fazit. Zum gemütlichen Motorradfahren ganz okay, zum sportlichen eher nicht so sehr - aber trotzdem schön und kann man gerne mal machen. Ich muss da aber nicht jedes Jahr hin ;) Zum Glück gibt's ja noch soviel zu entdecken.

Der Reiseansatz mit dem Anhäger war wieder mal maximal komfortabel, auch die Nacht im Auto kann ich ertragen. Bei 1200 km Anreise (1300 wenn man Schweiz umfährt) ist das auch sehr attraktiv. Eine Roadshow, Wandertour, Rundreise, oder wie man es halt nennen will, wenn man jeden Abend woanders übernachtet kann ich mir auch mal wieder vorstellen. Auch mit Zelt, immerhin habe ich bald ein Quick-Up Zelt ;) Die Anreise dürfte dann aber gerne weniger weit sein - oder man lässt die Autos irgendwo stehen, z.B. südlich von Genf.

Passknacker werden wir wohl leider nicht mehr los, aber Manuel und ich arbeiten ja hart dran, die Standzeiten an den Punkten zu minimieren, 90 Sekunden sollten ja ok sein.
Und damit ist dieser Reisebericht fertig. Ich hoffe es hat gefallen, und dass das Berichtsformat "in Stereo" nicht zu verwirrend ist :)

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boardbreaker
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Re: Reisebericht Toskana 2018

#15 Beitrag von boardbreaker »

Echt toll und sehr aufwendig beschrieben eure Toskana-Reise.

:clap: :top:

Greetz
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blahwas
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Re: Reisebericht Toskana 2018

#16 Beitrag von blahwas »

So, jetzt sind endlich alle Fotos und Bilder sichtbar, und ein paar Informationen habe ich noch ergänzt.

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Re: Reisebericht Toskana 2018 (jetzt mit Bildern!)

#17 Beitrag von Skalar-Fan »

Nachdem ich heute zum dritten mal den Bericht geöffnet habe sind alle Bilder sichtbar :razz:
Vielen Dank an die Vier Fahrer, die uns teilhaben lassen an Ihrem Trip in der Toskana,
und zum einstellen hier spezieller Dank an Blahwas :respekt:


Respekt, das muss ein sehr toller Urlaub gewesen sein :dance: :top: :top: :top:

Viele Grüße
Jürgen

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Re: Reisebericht Toskana 2018 (jetzt mit Bildern!)

#18 Beitrag von Pampers »

Mega, was für eine schöne Tour, da wäre ich auch gene dabei gewesen.
Vielen Dank für den tollen Bericht.

LG
Paul

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bdr529
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Re: Reisebericht Toskana 2018 (jetzt mit Bildern!)

#19 Beitrag von bdr529 »

Wer noch ein paar zusätzliche Fotos sehen möchte oder sich die Tracks ansehen oder runterladen will, findet die Links auf meiner Seite: https://sites.google.com/view/x-15/reisen/2018-toskana

herby27
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Re: Reisebericht Toskana 2018

#20 Beitrag von herby27 »

Ein großes Lob von mir für diesen Reisebericht. Schön geschrieben, tolle Bilder, vielen Dank für's Mitnehmen. Jaja, Italien, insbesondere die Toskana zählen auch zu meinen Lieblingsrevieren.
Herby

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