14.10. Jura? (4/4), Baseler Land
UFF! War lang heute. Aber von vorne: Die Erkältung ist weiter auf dem Rückzug, und die anderen Wehwehchen sind noch nicht eingesprungen. Ich habe kein Hotelfrühstück, aber zwei französische Schokoladenbrötchen und diverse Riegel und Tabletten wandern in die Wampe. Draußen hat es 0 Grad. Immerhin nicht Minus... Aber auf eine trockene Welt zu warten lohnt sich wohl nicht. Ein Hotel liegt dermaßen unverschämt gut auf der Route, und noch dazu in Deutschland, dass ich es schon morgens buche. Damit ist die Streckenlänge gesetzt: 311 km. Klingt nicht viel, also los. Die ersten 18 km sind geschenkt, weil Autobahn. Die gestern gekaufte Sturmhaube hält der Kopf merklich wärmer, aber es zieht zum Visier rein. Da löst sich eine Dichtlippe ab. Nach nur 8 Jahren, also ca. 240.000 km. Ich bin enttäuscht

Da muss ich heute Abend mit Isolierband ran. Isolierband hält seit heute morgen auch meine Regenhose zusammen, das Hosenbein hat sich links unten innen aufgerieben, vermutlich vom vielen Schalten.
Die Route führt mich heute über sagenhafte 48 Passknackerpunkte. Es geht den Jura entlang, und dann die nördliche Grenze der Schweiz entlang. Früh sehe ich noch deutlich, wo die Sonne noch nicht war.
Dass ich gestern Abend meine Felgen geputzt habe, amüsiert den Spielleiter anscheinend derartig, dass er mir mal feuchten Schotterweg in die Route packt.
Wenn man vorsichtig fährt, bleiben die Felgen aber sauber, ätsch! Französisch verschwindet aus dem Straßenbild, und es wird alles noch mehr Schwarzwaldoptik. Das ist durchaus reizvoll, aber mich drängt die Restzeit - und die schrumpft langsamer als die Uhrzeit wächst - oha. Normalerweise bin ich schneller als das Navi und der Routenplaner es erwarten. In der Schweiz auf diesem Streckentyp liegt der Routenplaner etwa richtig und das Navi ist zu optimistisch. Ich habe vorher meine alte Routen und Reiseberichte gewälzt hinsichtlich meiner üblichen Tageskilometer hier, dabei habe ich aber nicht bedacht, dass ich damals zwar hier in der Region Passknackerpunkte abgefahren bin, aber eben nicht alle, sondern gezielt nur diejenigen, die sich flüssig fahren und gut kombinieren ließen. Dafür zahle ich jetzt den Preis, in Forum von Überstunden. Aber es gibt sicherlich schlimmere Schicksale als hier Motorrad zu fahren
Zwischendurch lade ich immer mal wieder die Nachweise beim Passknacker hoch und prüfe, ob ich alles habe. Und da tat sich heute eine Lücke auf: Wirbelstein fehlt. Wie ist das denn passiert? Vermutlich bin ich achtlos dran vorbei gefahren. Glücklicherweise bin ich nur 4 km davon entfernt und kann das Foto ohne großen Aufwand machen. Merken, am Navi mehr auf die Distanz zum nächsten Zwischenziel achten.
Wendepunkte der Route ist Basel. Ein Passknackerpunkt liegt hinter Basel, und ist nur von Basel aus zu erreichen, wenn man nicht illegal die Grenze nach Deutschland auf einem Radweg überschreiten möchte. Das zieht sich ganz schön. Der Punkt ist wohl dem Umstand geschuldet, dass der Verein, der Passknacker ins Leben gerufen hat und betreibt, seinen Sitz in Basel hat. Hier wohnen auch die Betreiber in der Nähe, und es ist Tradition, dass man an diesem Punkt zum Jahresende ein Gruppenfoto macht und als Nachweis einreicht.
Danach werden die Strecken zwischen den Punkten etwas weiter und ich bin jetzt definitv eine halbe Klimazone wärmer unterwegs. Da spürt man das Rheintal.
Zwischendurch hat man immer mal wieder Fernblick auf schneebedecktes Hochgebirge im Süden.
Ist der Alpenhauptkamm echt so nah dran, dass man ihn schon sehen kann - oder muss ich am Wochenende durchfahren? Dann stehe ich irgendwann vor diesem Schilderverhau:
In 2 Kilometern wäre der Passknackerpunkt "Chaistenberg". Laut Google Maps ist er von beiden Seiten dicht. Ich versuche es über Nebenstrecken, das klappt auch nicht. Ich versuche die andere Seite, auch die ist gesperrt. Dann reiche ich eben dieses Bild als Nachweis ein. Normalerweise wird das akzeptiert. Und zur Krönung findet mein Navi den Weg zum nächsten Punkt nicht. Der Punkt ist im Navi, aber laut meinem Navi ist da keine Straße, und ich lande in einer Sackgasse auf einem Bauernhof. Der nicht angeleinte Hofhund beäugt mich skeptisch. Freundlicherweise ist der Punkte ausgeschildert, und ich kann auch drüber fahren, ich muss nicht umdrehen. Dann kommt ein Punkt mit Baustellenampel, und als die nach 5 Minuten grün wird, kommt gerade ein Traktor entgegen, und als der vorbei ist, macht die Ampel wieder rot - und die Motorradfahrerin vor mir hält sich sogar dran! Ich bin empört, enttäuscht und enragiert, vor allem aber empört. Das Schauspiel wiederholt sich weiter 5 Minuten später exakt gleich wieder, nur dass uns jetzt ein Arbeiter durch winkt.
Es wird spät heute. 328 km sind nicht viel, aber all dies, plus die sowieso kleinen Straßen führt dazu, dass ich nicht mal eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h schaffe. Ich bin von 9:10 bis 18:40 unterwegs, mit vielleicht einer Stunde nicht in Bewegung. Das macht 35 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit brutto, und 39 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit in Bewegung. Mein Hotel ist in Deutschland, weil die Region Schaffhausen der Schweiz einfacher durch Deutschland erreicht werden kann, so dass ich dort eh vorbei komme. Und auch bei drei deutschen Passknackerpunkten, die ich als Beifang und Ranglistenboost gern mitnehmen. Da geht dann schon langsam das Licht aus...
Das Hotel ist ein Gasthaus im allerletzten Dorf, 59 Euro mit Frühstück. Ich gönne mir ein Schnitzel, von dem natürlich auch die halbe Portion gereicht hätte. Es gibt kaum Handynetz, aber sehr gutes WLAN. Leider ist der Bettrahmen zu groß für den Lattenrost, so dass ich mich entscheiden muss, welche Seite der Matratze nach unten hängen soll. Dafür endlich mal Teppichboden.
Der Gesamtroutenfortschritt waren heute zwar "nur" 328 km Strecke, aber 48 Passknackerpunkte - verglichen mit je 27 die letzten beiden Tage fast das doppelte. Gestern Abend habe ich die restlichen Tage umgeplant. Morgen fahre ich das Kanton Schwyz ab, wo viele Abschnitte Am Wochenende gesperrt sind. Einer davon ist der letzte problematische wegen Wintereinbruch, das wird der nächste Meilenstein.
Anders als gestern behauptet treffe ich meinen Mitstreiter nicht heute, sondern erst morgen. Jetzt aber wirklich!
Der Hinterreifen ist noch nicht ganz beim TWI ankommen. Da er neu 10 mm Profil hatte, heißt das, er hat noch mindestens 10-15% Restprofil. Da er bereits 19 Fahrtage überstanden hat, wird er auch den Rest halten, ohne mit Gewebe und Drähten zu winken. Ich hatte gestern einem Reifenhändler hier in der Gegend geschrieben, ob er irgendwas neues oder gebrauchtes in halbwegs passenden Größen mit 1500 km Restleben für mich hat, der hat mich aber eiskalt ignoriert. Dann halt nicht...
48 Passknackerpunkte heute
76,3% Landespreis Schweiz
noch 108 Passknacker in 4 Fahrtagen zum Landespreis