Vogesen-Passknackerwahn: 140 Pässe in 5 Tagen
Verfasst: 11. Nov 2018 22:36
Die Vogesen – die stehen da rum und sagen nix. Gegenüber vom Schwarzwald gelegen, jenseits von Rheingraben und hinter der Grenze zum gelobten Land – Frankreich, wo Motorradfahrer noch die Könige im Verkehr sind, die Straßen griffig, die Streckenführung kurvig, die Landschaften beeindruckend und die Küche alles ist, außer schlecht. Die Heimat von Laisser Faire, HRC und Moto Journal. Wo an jedem Hügel ein Pass-Schild steht und kein Polizist auf dem Land auf die Idee käme, einem Motorradfahrer Fragen zu seinem Tempo oder gar zum Zustand seines Motorrads zu stellen. Die Vogesen, also. Da bin ich nun seit 2006 Motorradfahrer war erst einmal anno 2013 hier, und das nur recht knapp auf der Durchreise, und zwar anlässlich meiner ersten Frankreich-Motorradreise überhaupt. So bin ich dann doch recht überrascht, wie nah das eigentlich ist: 4 Stunden und 350 km von Essen bis Bitche, das ist näher als der Schwarzwald. Manuel wollte mich eigentlich zu einer Schwarzwaldtour vorladen, ich konnte aber auf Vogesen verhandeln.
Schnell ist mit Orbey ein geeigneter Ausgangspunkt gefunden. Da wir beide nicht die größten Zelter sind, buchen wir uns eine Ferienwohnung. Die ist eigentlich zu groß mit 3 Schlafzimmer und insgesamt 6 Betten, und so richtig günstig ist sie von Mo-Do eigentlich auch nicht, denn die meisten FeWos wollen für ganze Wochen vermietet werden. Wir fahren Mitte September dort hin, wenn die Ferienzeit schon vorbei ist, und zwar für eine knappe Woche von Mo-Fr. Auffällig an der Planungsphase war die Dauer der Abstimmung der Anreise und die Anzahl der dafür nötigen Runden, da Manuel von Sonntag auf Montag im Saarland nächtigt und wesentlich näher dran ist, aber trotzdem mit mir gemeinsam fahren will, während ich Montag früh in Essen starte und erst mal durch die dichter besiedelte Hälfte von NRW muss.
10.9. Mo Anreise
So, ich stehe also Montag früh auf, schnalle die Rolle aufs Mopped und werfe mich bei besten Wetter auf die Autobahn. Die Routenplanung für heute taugt mal mit 713 km und 10:30 Stunden Fahrzeit mal wieder als Bummlerschreck:
An Autobahnen fahre ich heute A52, A3 (wo ein LKW beim Spurwechsel im obligatorischen Baustellenstau bei Köln einen Mercedes verbiegt), A1 und dann die A61 bis es zu langweilig wurde. Nun kommen die ersten Passknacker in die Route: Zum Zilshausener Hochbehälter führt der Weg doch glatt übers Moseltal, sehr schick. Das reicht dann für Autobahn in Deutschland, also geht’s weiter durch den Hunsrück: Lauschhütte, Donnersberg, Rote Hohl, Rotsteig, Kalmit, Lolosruhe, Modeneck, Taubensuhl. Ein Einheimischer auf 701 SM konnte nix, trotz Lederkombi seinerseits und Packrolle meinerseits. Die Burg Trifels erscheint mir schließlich geeignet für eine Mittagspause, und so locke ich Manuel per Handy an, der schon 20 Minuten später ankommt. Ich war mal wieder schneller als mein Navi denkt. Auch Manuel ist im Passknackerfieber und hat den Vormittag im Saarland und Pfälzerwald und einem kurzen Abstecher nach Frankreich auf einsamen Straßen und doch gutem Belag verbracht.
Nach einer Stärkung geht es im Formationsflug weiter und über die grüne Grenze nach Frankreich: Col du Goetzenberg, Col du Litschhof und Col du Pfaffenschlick weisen schon den Namen nach drauf hin, dass die Grenze früher woanders war.
Es folgt der schnellste Weg nach Süden, und der führt über eine gebührenfreie Autobahn. Leider1 muss ich genau jetzt tanken, also wird’s etwas teurer, und leider2 ist Stau. Wir nutzen die Motorradspur, die hier großzügig gebildet wird, und umfahren dann Strasbourg großzügig auf Land- und Dorfstraßen im Hinterland.
Irgendwann kommt wieder Autobahn, und wir bummeln mit 130 im Autoverkehr mit. Wir verfolgen noch gebannt, wie zwei Motorradfahrer eine dritte Spur links aufmachen. Stimmt, der Bereich bis zur Leitplanke ist ja asphaltiert, und bei beiden passt der Lenker über die Leitplanke. Hier und da steht allerdings ein Busch in der Mitte, und auf Ast-Einschläge bei 130+x könnte ich verzichten – zumal auch die Autofahrer eher überrascht reagieren. Andere Motorradfahrer überholen einfach rechts oder in der Mitte, und keiner regt sich auf. So geht das etwa eine Stunde bis zu unserer Ausfahrt, und zwar ohne Maut und ohne Baustelle.
Der erste Pass in den Südvogesen zwischen Autobahn und Unterkunft ist dann der Col du Schaentzel, und der gibt einen prima Vorgeschmack darauf, was noch kommen mag in den nächsten Tagen.
Für weitere Pausen haben wir kaum Zeit, denn es droht die Dunkelheit mit Einbruch, und so geht’s etwas hektisch durch die grüne Bilderbuch-Landschaft auf einsamen Traumstreckchen wie Col Haut de Ribeauvillé, Col de Fréland und Col de Chamont.
Manuel ist noch nicht so ganz bei der Sache und verschwindet immer wieder aus den Spiegeln, aber immerhin nicht von der Straße. Dann erreichen wir unseren Zielort Orbey, und weil wir hier nicht in Deutschland sind, kann man vorab in Streetview genau gucken, wo das Haus steht, wie es aussieht und wo man parken könnte. Es ist ein Wohnhaus quer an der Hauptstraße, daneben ist eine breite Einfahrt und dahinter geht sie in eine weitere Fläche über – da parken wir, so sind die Motorräder von der Straße nicht zu sehen. Manuel parkt unter der Wäscheleine.
Ich gehe mal rein und treffe den Vermieter. Sie ist um die 80, nett und spricht ausschließlich Französisch. Ich verstehe kaum die Hälfte, reicht aber. Die Fewo „Gîte Henry“ ist offentlich in Zweitnutzung und sieht recht „ommig“ aus, aber sie ist sauber und gepflegt und es ist alles da, was man braucht. Sogar richtig guter Lichtschutz auf den Zimmern. Naja, ein Fön wäre vielleicht nett. Wir packen aus und richten uns ein für drei Nächte. Kostet alles zusammen 240 Euro, oder 40 pro Nacht und Nase – aber wie gesagt, Aufschlag für kurze Nutzung.
Das Örtchen Orbey habe ich nach optimaler Lage zwischen den Passkackerpunkten ausgewählt und gerade noch geschaut, ob man da auch was zu essen kriegen könnte. Wir gehen zu Fuß. Der Ort ist klein und nett. Manuel trägt Tarnhose und hat sonst nichts dabei - das war vielleicht nicht die allerbeste Wahl. Wir finden ein Restaurant und er geht hinter mir rein, und setzt sich dann gaanz schnell hin. Da war er wohl noch im Campingplatzmodus beim Packen. Die Auswahl auf der (dreisprachigen) Karte ist eine lustige Kreuzung von Französischer und Deutscher Küche, und die Bedienung kann auch Deutsch. Das Essen schmeckt, nur das Bier ist etwas teuer. Das macht aber nix! Das Hotel Restaurant Les Bruyeres geht voll in Ordnung. Im Dorf gibt es auch Apotheke, Geldautomat und sogar ein kleines Kino. Aber nicht für uns, wir schwanken lieber in die Fewo zurück und basteln uns einen lustigen Abend zusammen.
11.9. Di Süden außen
Es folgen nun zwei Rundtouren, heute eine nach Süden, „außenrum“ entlang der Passknackerpunkte. Also eher nicht die ganzen hohen Teile, sondern die Übergänge der Mitte nach unten und zurück. Die Route ist mit 450 km und 9:25 Stunden sicher eher zu lang als zu kurz, aber kürzen kann man ja immer noch.
Das Wetter ist gut, und direkt nach dem Besuch beim Bäcker grüßt am Col du Firstplan eine Bergrennstrecke, die erkennbar gut eingefahren ist von einem Rennen letzte Woche. Es ist Kurvenparadies hier und satt grüne Landschaft. Höhepunkt des Vormittags ist der Petit Ballon. Vom vorherigen Punkt hätte man eine Schotterstrecke fahren können, die möglicherweise nicht erlaubt ist, obwohl sie sehr breit ist, aber auch uneben und steil. Das haben wir nicht gemacht, sonst wäre womöglich die Versys umgefallen und der Lenker der Yamaha hätte sich gelockert. Leider hat die Yamaha kein passendes Bordwerkzeug dafür, da hätte die Kawasaki aushelfen müssen. Und Helme fallen da auch schnell mal runter. Ne ne, sowas machen wir nicht. Auch wenn es 30 km gespart hätte. Dann lieber Posing auf der Passhöhe. Es ist aber auch sehr schön hier oben mit Rundum-Aussicht.
Am Col du Hahnenbrunnen biegen wir auf die Route de Crete ein, eine Höhenstraße in Nord-Süd-Richtung, die Hauptattraktion für Motorrad- und andere Genussfahrer ist. Hier war ich definitiv schon mit Markus anno 2013. Ein lahmer Street Triple Fahrer lässt mich vorbei, aber Manuel nicht.
Am Col du Hirtzelach herrscht mal wieder Verwirrung – von der Passhöhe darf man in keine Richtung legal weiterfahren. Ich vermute, dass es von Nordwesten weniger illegal wäre. So oder so, der ist etwas für Kompletionisten, Genussfahrer kommen woanders besser auf ihre Kosten. Zum Beispiel am Ballon d'Alsace. Hier üben wir ein paar Wheelies. Freundlicherweise stellt der Wirt dafür eine GSX-R zur Verfügung. Unsere Motorräder gucken etwas entsetzt zu. Jemand sollte aber mal die Kette pflegen.
Im weiteren Verlauf möchte mein Navi den Col du Ballon de Servance nicht von Süden anfahren, so dass es recht zeitintensiver Abstecher vom Westen her wird. Manuel wartet derweil und erholt sich. Na gut, einen Weg von Süden wollte es doch fahren, den wollte ich aber nicht:
Es folgen zahlreiche weitere Pässe, die kaum jemand kennt, die aber mehr Fahrspaß bringen als so ziemlich alles in Deutschland. Toll hier! Als unsere Route in der nordwestlichsten Ecke eine Schleife für 3 Passknacker macht, gucke ich aufs Navi, auf die Ankunftszeit, und beschließe, dass wir das besser kürzen sollten. So lassen wir die Cols de Singe, Bonne Fontaine und de la Bisoire ungeknackt zurück. Vielleicht hole ich mir die ja im Oktober auf dem Rückweg aus den Alpen. Wir rasten schließlich an einem pittoresken See, der touristisch erschlossen ist bei Geradmer.
Dort halten wir nach der Pause noch an einem Supermarkt, wo neben dem Gute Nacht-Bier für die Fewo noch destilliertes Wasser für meine Versys in den Einkaufswagen wandert, denn der olle Kühlerschlauch links unten sifft doch recht deutlich, und im Ausgleichsbehälter ist auch nur noch Luft. Sonst läuft alles rund!
Als unsere Route eigentlich schon zu Ende ist werfen sich am Rückweg nach Orbey doch noch ein paar Passknackerpunkte vors Motorrad, die wir eigentlich erst morgen sammeln wollten, z.B. den Col de la Schlucht. Die nimmt man natürlich gerne mit! Und auch die Route der Crete liegt wieder am Weg, genial! Die Abendstimmung fällt auch auf zwei Speicherseen am Wegesrand.
Insgesamt haben wir heute 34 Passknacker gesammelt und rollen mit deutlicher Dämmerung vor der Fewo ein. Es war lang heute, und Manuel hat heute immer wieder seinen Helm fallen lassen, ich glaube er sehnt sich heimlich nach einem neuen. Bis auf den Filter an seiner Gopro übersteht es die Murmel aber mit kleinen Macken. Sonst geht es allen gut, aber jetzt ist es eigentlich schon zu spät für eine Dusche vor dem Restaurant, also wählen wir heute eine Pizzeria im Dorf. Diese fällt durch einen Kellner auf, der erst keine Lust hat uns zu bedienen, mich immer wieder für eine Frau hält (nur um sich immer wieder eine Sekunde später zu entschuldigen), der uns über eine Stunde auf zwei Pizzen zum Mitnehmen warten lässt und der uns noch diverse Weine und Schnäpse die Backe quatschen will und mehrmals eine überhöhte Rechnung stellt – auch wieder ohne Fremdsprachenkenntnisse. Weinbrände lehne ich ab, denn was Alkoholkonsum anrichten kann, sieht und riecht man ganz gut an ihm. Er lässt nicht locker und fragt die ganze Schnapskarte ab. Ich frage direkt mal nach harten Drogen, das lockt ihn aus der Reserve und wir kriegen immerhin gesagt, wo es hier weiche Drogen zu kaufen gibt. Pizza und eine offene Flasche geschenkter Wein reichen uns aber für heute.
12.9. Mittwoch Enge Gelände
Meine Versys fährt heute ohne Verkleidung, weil ich etwas den Kühlwasserbehälter im Auge behalten will. Heute machen wir die zweite Rundfahrt um Orbey, zunächst Süden, dann das "innere" knacken, was wir gestern übriggelassen haben, und dann geht es in den Nordosten. Heute ist die Route „nur“ 435 km und 9:25 Stunden lang, also 5 Minuten kürzer. Da könnte man sich ja fast langweilen
Der Tag beginnt einwandfrei mit einer sensationellen Aussicht, natürlich bei bestem Wetter.
Die Strecken sind eher verwinkelt und weniger rund zu fahren als gestern. Teilweise sind sie auch richtig schmal. Die Passknackerpunkte sind so eng gesät, dass man teilweise alle 2 km anhalten muss. Manche Strecken sind schmal, und es wird auch viel gewendet heute.
Aber der Fahrspaß kam natürlich auch nicht zu kurz. Wir sind schließlich in Frankreich!
Der Col de Rochelotte ist ein legal zu fahrender Schotterpass, anfangs eher harmloser Schotter, gegen Ende aber zunehmend steil und steinig.
Höhepunkt des Tages ist ganz klar Le Hohneck. Eine Rundumaussicht oberhalb der Route der Cretes mit Gastronomie und eigener Zufahrt mit zahlreichen Kehren. Hier rasten wir und genießen die Aussicht. Manuel nutzt seine 360° Fotoausrüstung.
Kurz vor Saint-Dié-des-Vosgeses fällt mir mal wieder auf, dass die Zeit knapp wird, und so entfällt ein Wurmfortsatz an der Route mit 6 Passknackerpunkte. Auch die kann ich mir bei anderer Gelegenheit schnappen, denn die sind schön in einer Reihe und genau nördlich der drei Verpassten von gestern. Wir machen also auch mal einfach Strecke, aber nicht ohne die Landschaft genießen.
Am Col d'Anozel schocken uns diverse Schilder vom Typ „hier kommt bald eine Baustelle, dreh um!“-Schilder, aber sie lässt sich einwandfrei umfahren.
Gegen Ende laufen wir auf zwei französische Motorradfahrer auf, und hängen uns einfach mal dran. Interessante Gewohnheiten haben die, und sie haben uns auch im Spiegel bemerkt. Der hintere lässt uns vorbei, der vordere macht schneller. Es folgt gemeinsamer Kurvengenuss mit sportlicher Fairness und gegenseitig Anerkennung zum Abschied. Wundervoll. Ein schöner Abschluss für die Route. Es waren 35 Passknacker heute.
Es war wieder eine tolle Gegend heute, mit tollen Strecken, einerseits einsam in den Waldabschnitten, andererseits tolle Aussichten auf den Haupt-Touristenstrecken - die trotzdem nicht überlaufen sind. Nach der schlechten Erfahrung vom gestern geht es heute wieder in das Restaurant von Montag. Wir sitzen außen und sind ziemlich beeindruckt davon, wie schnell die Katze des Haues unsere Teller leert, nachdem wir damit fertig sind. Auch Fisch zu entgräten hat sie echt gut drauf. Orbey kann man sich merken. Morgen geht es dann etwas nördlicher zu unserem nächsten Basislager.
Schnell ist mit Orbey ein geeigneter Ausgangspunkt gefunden. Da wir beide nicht die größten Zelter sind, buchen wir uns eine Ferienwohnung. Die ist eigentlich zu groß mit 3 Schlafzimmer und insgesamt 6 Betten, und so richtig günstig ist sie von Mo-Do eigentlich auch nicht, denn die meisten FeWos wollen für ganze Wochen vermietet werden. Wir fahren Mitte September dort hin, wenn die Ferienzeit schon vorbei ist, und zwar für eine knappe Woche von Mo-Fr. Auffällig an der Planungsphase war die Dauer der Abstimmung der Anreise und die Anzahl der dafür nötigen Runden, da Manuel von Sonntag auf Montag im Saarland nächtigt und wesentlich näher dran ist, aber trotzdem mit mir gemeinsam fahren will, während ich Montag früh in Essen starte und erst mal durch die dichter besiedelte Hälfte von NRW muss.
10.9. Mo Anreise
So, ich stehe also Montag früh auf, schnalle die Rolle aufs Mopped und werfe mich bei besten Wetter auf die Autobahn. Die Routenplanung für heute taugt mal mit 713 km und 10:30 Stunden Fahrzeit mal wieder als Bummlerschreck:
An Autobahnen fahre ich heute A52, A3 (wo ein LKW beim Spurwechsel im obligatorischen Baustellenstau bei Köln einen Mercedes verbiegt), A1 und dann die A61 bis es zu langweilig wurde. Nun kommen die ersten Passknacker in die Route: Zum Zilshausener Hochbehälter führt der Weg doch glatt übers Moseltal, sehr schick. Das reicht dann für Autobahn in Deutschland, also geht’s weiter durch den Hunsrück: Lauschhütte, Donnersberg, Rote Hohl, Rotsteig, Kalmit, Lolosruhe, Modeneck, Taubensuhl. Ein Einheimischer auf 701 SM konnte nix, trotz Lederkombi seinerseits und Packrolle meinerseits. Die Burg Trifels erscheint mir schließlich geeignet für eine Mittagspause, und so locke ich Manuel per Handy an, der schon 20 Minuten später ankommt. Ich war mal wieder schneller als mein Navi denkt. Auch Manuel ist im Passknackerfieber und hat den Vormittag im Saarland und Pfälzerwald und einem kurzen Abstecher nach Frankreich auf einsamen Straßen und doch gutem Belag verbracht.
Nach einer Stärkung geht es im Formationsflug weiter und über die grüne Grenze nach Frankreich: Col du Goetzenberg, Col du Litschhof und Col du Pfaffenschlick weisen schon den Namen nach drauf hin, dass die Grenze früher woanders war.
Es folgt der schnellste Weg nach Süden, und der führt über eine gebührenfreie Autobahn. Leider1 muss ich genau jetzt tanken, also wird’s etwas teurer, und leider2 ist Stau. Wir nutzen die Motorradspur, die hier großzügig gebildet wird, und umfahren dann Strasbourg großzügig auf Land- und Dorfstraßen im Hinterland.
Irgendwann kommt wieder Autobahn, und wir bummeln mit 130 im Autoverkehr mit. Wir verfolgen noch gebannt, wie zwei Motorradfahrer eine dritte Spur links aufmachen. Stimmt, der Bereich bis zur Leitplanke ist ja asphaltiert, und bei beiden passt der Lenker über die Leitplanke. Hier und da steht allerdings ein Busch in der Mitte, und auf Ast-Einschläge bei 130+x könnte ich verzichten – zumal auch die Autofahrer eher überrascht reagieren. Andere Motorradfahrer überholen einfach rechts oder in der Mitte, und keiner regt sich auf. So geht das etwa eine Stunde bis zu unserer Ausfahrt, und zwar ohne Maut und ohne Baustelle.
Der erste Pass in den Südvogesen zwischen Autobahn und Unterkunft ist dann der Col du Schaentzel, und der gibt einen prima Vorgeschmack darauf, was noch kommen mag in den nächsten Tagen.
Für weitere Pausen haben wir kaum Zeit, denn es droht die Dunkelheit mit Einbruch, und so geht’s etwas hektisch durch die grüne Bilderbuch-Landschaft auf einsamen Traumstreckchen wie Col Haut de Ribeauvillé, Col de Fréland und Col de Chamont.
Manuel ist noch nicht so ganz bei der Sache und verschwindet immer wieder aus den Spiegeln, aber immerhin nicht von der Straße. Dann erreichen wir unseren Zielort Orbey, und weil wir hier nicht in Deutschland sind, kann man vorab in Streetview genau gucken, wo das Haus steht, wie es aussieht und wo man parken könnte. Es ist ein Wohnhaus quer an der Hauptstraße, daneben ist eine breite Einfahrt und dahinter geht sie in eine weitere Fläche über – da parken wir, so sind die Motorräder von der Straße nicht zu sehen. Manuel parkt unter der Wäscheleine.
Ich gehe mal rein und treffe den Vermieter. Sie ist um die 80, nett und spricht ausschließlich Französisch. Ich verstehe kaum die Hälfte, reicht aber. Die Fewo „Gîte Henry“ ist offentlich in Zweitnutzung und sieht recht „ommig“ aus, aber sie ist sauber und gepflegt und es ist alles da, was man braucht. Sogar richtig guter Lichtschutz auf den Zimmern. Naja, ein Fön wäre vielleicht nett. Wir packen aus und richten uns ein für drei Nächte. Kostet alles zusammen 240 Euro, oder 40 pro Nacht und Nase – aber wie gesagt, Aufschlag für kurze Nutzung.
Das Örtchen Orbey habe ich nach optimaler Lage zwischen den Passkackerpunkten ausgewählt und gerade noch geschaut, ob man da auch was zu essen kriegen könnte. Wir gehen zu Fuß. Der Ort ist klein und nett. Manuel trägt Tarnhose und hat sonst nichts dabei - das war vielleicht nicht die allerbeste Wahl. Wir finden ein Restaurant und er geht hinter mir rein, und setzt sich dann gaanz schnell hin. Da war er wohl noch im Campingplatzmodus beim Packen. Die Auswahl auf der (dreisprachigen) Karte ist eine lustige Kreuzung von Französischer und Deutscher Küche, und die Bedienung kann auch Deutsch. Das Essen schmeckt, nur das Bier ist etwas teuer. Das macht aber nix! Das Hotel Restaurant Les Bruyeres geht voll in Ordnung. Im Dorf gibt es auch Apotheke, Geldautomat und sogar ein kleines Kino. Aber nicht für uns, wir schwanken lieber in die Fewo zurück und basteln uns einen lustigen Abend zusammen.
11.9. Di Süden außen
Es folgen nun zwei Rundtouren, heute eine nach Süden, „außenrum“ entlang der Passknackerpunkte. Also eher nicht die ganzen hohen Teile, sondern die Übergänge der Mitte nach unten und zurück. Die Route ist mit 450 km und 9:25 Stunden sicher eher zu lang als zu kurz, aber kürzen kann man ja immer noch.
Das Wetter ist gut, und direkt nach dem Besuch beim Bäcker grüßt am Col du Firstplan eine Bergrennstrecke, die erkennbar gut eingefahren ist von einem Rennen letzte Woche. Es ist Kurvenparadies hier und satt grüne Landschaft. Höhepunkt des Vormittags ist der Petit Ballon. Vom vorherigen Punkt hätte man eine Schotterstrecke fahren können, die möglicherweise nicht erlaubt ist, obwohl sie sehr breit ist, aber auch uneben und steil. Das haben wir nicht gemacht, sonst wäre womöglich die Versys umgefallen und der Lenker der Yamaha hätte sich gelockert. Leider hat die Yamaha kein passendes Bordwerkzeug dafür, da hätte die Kawasaki aushelfen müssen. Und Helme fallen da auch schnell mal runter. Ne ne, sowas machen wir nicht. Auch wenn es 30 km gespart hätte. Dann lieber Posing auf der Passhöhe. Es ist aber auch sehr schön hier oben mit Rundum-Aussicht.
Am Col du Hahnenbrunnen biegen wir auf die Route de Crete ein, eine Höhenstraße in Nord-Süd-Richtung, die Hauptattraktion für Motorrad- und andere Genussfahrer ist. Hier war ich definitiv schon mit Markus anno 2013. Ein lahmer Street Triple Fahrer lässt mich vorbei, aber Manuel nicht.
Am Col du Hirtzelach herrscht mal wieder Verwirrung – von der Passhöhe darf man in keine Richtung legal weiterfahren. Ich vermute, dass es von Nordwesten weniger illegal wäre. So oder so, der ist etwas für Kompletionisten, Genussfahrer kommen woanders besser auf ihre Kosten. Zum Beispiel am Ballon d'Alsace. Hier üben wir ein paar Wheelies. Freundlicherweise stellt der Wirt dafür eine GSX-R zur Verfügung. Unsere Motorräder gucken etwas entsetzt zu. Jemand sollte aber mal die Kette pflegen.
Im weiteren Verlauf möchte mein Navi den Col du Ballon de Servance nicht von Süden anfahren, so dass es recht zeitintensiver Abstecher vom Westen her wird. Manuel wartet derweil und erholt sich. Na gut, einen Weg von Süden wollte es doch fahren, den wollte ich aber nicht:
Es folgen zahlreiche weitere Pässe, die kaum jemand kennt, die aber mehr Fahrspaß bringen als so ziemlich alles in Deutschland. Toll hier! Als unsere Route in der nordwestlichsten Ecke eine Schleife für 3 Passknacker macht, gucke ich aufs Navi, auf die Ankunftszeit, und beschließe, dass wir das besser kürzen sollten. So lassen wir die Cols de Singe, Bonne Fontaine und de la Bisoire ungeknackt zurück. Vielleicht hole ich mir die ja im Oktober auf dem Rückweg aus den Alpen. Wir rasten schließlich an einem pittoresken See, der touristisch erschlossen ist bei Geradmer.
Dort halten wir nach der Pause noch an einem Supermarkt, wo neben dem Gute Nacht-Bier für die Fewo noch destilliertes Wasser für meine Versys in den Einkaufswagen wandert, denn der olle Kühlerschlauch links unten sifft doch recht deutlich, und im Ausgleichsbehälter ist auch nur noch Luft. Sonst läuft alles rund!
Als unsere Route eigentlich schon zu Ende ist werfen sich am Rückweg nach Orbey doch noch ein paar Passknackerpunkte vors Motorrad, die wir eigentlich erst morgen sammeln wollten, z.B. den Col de la Schlucht. Die nimmt man natürlich gerne mit! Und auch die Route der Crete liegt wieder am Weg, genial! Die Abendstimmung fällt auch auf zwei Speicherseen am Wegesrand.
Insgesamt haben wir heute 34 Passknacker gesammelt und rollen mit deutlicher Dämmerung vor der Fewo ein. Es war lang heute, und Manuel hat heute immer wieder seinen Helm fallen lassen, ich glaube er sehnt sich heimlich nach einem neuen. Bis auf den Filter an seiner Gopro übersteht es die Murmel aber mit kleinen Macken. Sonst geht es allen gut, aber jetzt ist es eigentlich schon zu spät für eine Dusche vor dem Restaurant, also wählen wir heute eine Pizzeria im Dorf. Diese fällt durch einen Kellner auf, der erst keine Lust hat uns zu bedienen, mich immer wieder für eine Frau hält (nur um sich immer wieder eine Sekunde später zu entschuldigen), der uns über eine Stunde auf zwei Pizzen zum Mitnehmen warten lässt und der uns noch diverse Weine und Schnäpse die Backe quatschen will und mehrmals eine überhöhte Rechnung stellt – auch wieder ohne Fremdsprachenkenntnisse. Weinbrände lehne ich ab, denn was Alkoholkonsum anrichten kann, sieht und riecht man ganz gut an ihm. Er lässt nicht locker und fragt die ganze Schnapskarte ab. Ich frage direkt mal nach harten Drogen, das lockt ihn aus der Reserve und wir kriegen immerhin gesagt, wo es hier weiche Drogen zu kaufen gibt. Pizza und eine offene Flasche geschenkter Wein reichen uns aber für heute.
12.9. Mittwoch Enge Gelände
Meine Versys fährt heute ohne Verkleidung, weil ich etwas den Kühlwasserbehälter im Auge behalten will. Heute machen wir die zweite Rundfahrt um Orbey, zunächst Süden, dann das "innere" knacken, was wir gestern übriggelassen haben, und dann geht es in den Nordosten. Heute ist die Route „nur“ 435 km und 9:25 Stunden lang, also 5 Minuten kürzer. Da könnte man sich ja fast langweilen
Der Tag beginnt einwandfrei mit einer sensationellen Aussicht, natürlich bei bestem Wetter.
Die Strecken sind eher verwinkelt und weniger rund zu fahren als gestern. Teilweise sind sie auch richtig schmal. Die Passknackerpunkte sind so eng gesät, dass man teilweise alle 2 km anhalten muss. Manche Strecken sind schmal, und es wird auch viel gewendet heute.
Aber der Fahrspaß kam natürlich auch nicht zu kurz. Wir sind schließlich in Frankreich!
Der Col de Rochelotte ist ein legal zu fahrender Schotterpass, anfangs eher harmloser Schotter, gegen Ende aber zunehmend steil und steinig.
Höhepunkt des Tages ist ganz klar Le Hohneck. Eine Rundumaussicht oberhalb der Route der Cretes mit Gastronomie und eigener Zufahrt mit zahlreichen Kehren. Hier rasten wir und genießen die Aussicht. Manuel nutzt seine 360° Fotoausrüstung.
Kurz vor Saint-Dié-des-Vosgeses fällt mir mal wieder auf, dass die Zeit knapp wird, und so entfällt ein Wurmfortsatz an der Route mit 6 Passknackerpunkte. Auch die kann ich mir bei anderer Gelegenheit schnappen, denn die sind schön in einer Reihe und genau nördlich der drei Verpassten von gestern. Wir machen also auch mal einfach Strecke, aber nicht ohne die Landschaft genießen.
Am Col d'Anozel schocken uns diverse Schilder vom Typ „hier kommt bald eine Baustelle, dreh um!“-Schilder, aber sie lässt sich einwandfrei umfahren.
Gegen Ende laufen wir auf zwei französische Motorradfahrer auf, und hängen uns einfach mal dran. Interessante Gewohnheiten haben die, und sie haben uns auch im Spiegel bemerkt. Der hintere lässt uns vorbei, der vordere macht schneller. Es folgt gemeinsamer Kurvengenuss mit sportlicher Fairness und gegenseitig Anerkennung zum Abschied. Wundervoll. Ein schöner Abschluss für die Route. Es waren 35 Passknacker heute.
Es war wieder eine tolle Gegend heute, mit tollen Strecken, einerseits einsam in den Waldabschnitten, andererseits tolle Aussichten auf den Haupt-Touristenstrecken - die trotzdem nicht überlaufen sind. Nach der schlechten Erfahrung vom gestern geht es heute wieder in das Restaurant von Montag. Wir sitzen außen und sind ziemlich beeindruckt davon, wie schnell die Katze des Haues unsere Teller leert, nachdem wir damit fertig sind. Auch Fisch zu entgräten hat sie echt gut drauf. Orbey kann man sich merken. Morgen geht es dann etwas nördlicher zu unserem nächsten Basislager.