4.6. 3D Ost
Es ist Pfingsten! Ein Feiertag am Montag! 3 Tage am Stück frei! Da könnte man doch ideal Pässe knacken für das Ziel "Austria 2022". Leider sind in Tirol noch immer nicht alle Strecken offen. Nach einer sorgfältigen Planung der An/Abreisen von/nach Truden (Höhentreffen in Südtirol) und Tolmin (Treffpunkt für eine Kroatien/Bosnien-Herzegowina-Tour, anschließend Metal Days Festival) bleiben einige Punkte offen. Die muss ich also in Extratouren fahren. Der Nordosten ist davon weit ab, der ist nun fällig. Das passt auch gut zu Wettervorhersage: 20-30 Grad, Sa/So trocken, am Mo Gewitter möglich.
Also flugs dieses Monster hier geplant:
1800 km, klarer Fall, das passt für 3 Tage. Daher der Namensteil "3D". Ist zwar lang, aber auch viel Autobahn drin am 1. und 3. Tag. Nicht vergessen, die Autobahnmaut zu bezahlen. 5,60 für 10 Tage ist ein Schnäppchen im Vergleich zu Frankreich, Italien oder Portugal. Die Jahresmaut lohnt sich erst ab dem 6. Mal 10 Tage, daher klemme ich mir das - ich will mich auch nicht drauf festlegen, jedes Mal mit dem gleichen Motorrad nach Österreich zu fahren (erst hinterher entdecke ich, dass man bei online-Vignette das Nummernschild ändern kann).
Schnell ist ein Hotel südlich von Wien gefunden, das ganz okay für beide Übernachtungen liegt. Stornierbar bis 18 Uhr am Anreisetag, da bucht man gelassen. Am Wochenende zuvor war ich in den Vogesen und im Schwarzwald unterwegs und habe leider am Sonntag ein gereiztes Auge mit nach Hause gebracht. Das wurde tagelang nicht besser, also Donnerstag endlich zum Arzt. Der Hausarzt wusste nicht weiter. Überweisung zum Augenarzt. Die umliegenden Augenarztpraxen wimmeln jeden Anrufer ab, der noch nicht dort Patient ist, und der kassenärztliche Terminservice hat innerhalb der gesetzlichen Frist im Umkreis von 50 km keine Termine, aber in 80 km und in 3 Wochen. Das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Also eine Privatpraxis angerufen, Selbstzahler gesagt, "Wollen Sie in 30 Minuten rein kommen?" Was ist eigentlich los in diesem Land mit seiner 2-Klassen Medizin!? 90% sind gesetzlich versichert! Naja, genug die rote Fahne geschwenkt, hin fahren, sie sieht auch mit Instrumenten keinen Fremdkörper und keine Verletzung im Auge, also gibt's Cortinson-Tropfen auf die Hand und ab dafür. Sie hat nicht gesagt, dass ich kein Motorrad fahren soll! Ich habe allerdings auch nicht gefragt. Bzgl. Selbstzahler, ich bin gespannt auf die Rechnung. Es hat übrigens niemand meinen Ausweis kontrolliert - da könnte man auf dumme Ideen kommen. Am Abend habe ich dann endlich meinen neuen Helm startklar gemacht. Er ist baugleich zum alten Helm und hat sogar die gleiche Farbe, aber vermutlich ca. 200.000 km weniger Laufleistung. Da zieht's weniger am Visier vorbei, was mich am Sonntag zuvor noch gestört hat. Soviel Gesundheitsfürsorge muss sein. Und er fühlt sich 200 Gramm leichter an. Will gar nicht wissen, wo die Insektenleichen überall liegen im alten Modell...
Ich fahre mit der Versys, denn diese Route ist sehr autobahnhaltig, und Österreich ist temposensibel. Die Versys hat frisches Öl und eine frische Kette, und einen verbesserten Seitenständer, womit sie aufrechter steht und nicht mehr in jeden Boden einsinkt, der weicher als Granit ist. Ich habe das hohe Windschild dran gelassen, das entspannt auf der Autobahn, könnte aber etwas warm sein.
Die Tour beginnt mit Autobahn. Ich habe bewusst die grenznahen Punkte ausgelassen. Die kann ich später an Wochenenden ohne Extratag einsammeln. Da ich blöd bin, und denke "Österreich liegt ja im Süden", und weil ich mich mit den paar Autobahnen rund um Nürnberg noch immer nicht richtig auskenne (aber mit den 20x mehr im Ruhrgebiet und Rheinland noch immer), verfahre ich mich und fahre auf die A9 auf. Das Navi schickt mich nach Norden, und dann nach Osten. Okay, blöd, kann ja mal passieren. Aber jetzt läuft's. Naja, ne. Da ich blöd bin und mich mit den paar Autobahnen rund um Nürnberg noch immer nicht richtig auskenne (usw.) fahre ich gerade die A6 nach (Nord-) Osten, statt auf die A3 nach (Süd-) Osten zu wechseln. Das Ergebnis sind ein paar Kilometer Landstraße und Ortsdurchfahrten. Läuft heute bei mir. Endlich auf der richtigen Autobahn angekommen lasse ich es einfach rollen und rollen. Irgendwann ziehe ich alle Membranen und den Pulli aus, denn Autobahn ist bekanntlich echt warm. Trinken nicht vergessen, und auch Snackpause darf sein. Keine Ahnung ob es sich aktuell lohnen würde, nochmal in Deutschland zu tanken, ich fahre so weit der Tank mich trägt.
Bzw. ich versuche es. Bei Regensburg ist Stau mit Stillstand. Offensichtlich Vollsperrung? Ich stehe 20 Minuten. Und komplett überflüssig, ich hätte das bequem umfahren können. Vielleicht brauche ich doch mal langsam so ein Smartphone-Navi. Oder ich lasse mich mit Knopf im Ohr vom Handy navigieren, dass mich ja bereits mit Musik und Podcasts unterhält. All das kostet jedenfalls Zeit. Und diese Route war eh schon lang. Irgendwann geht's dann doch weiter, und siehe: Ursache sind Markierungsarbeiten in einer Autobahnbaustelle. Sowas kann man natürlich nicht abends machen, das geht nur am Anreisetag von einem langen Wochenende. Hallo, Staat, wer macht bei euch eigentlich Dienstleistersteuerung? Achja, es ist warm. Sehr warm. Ich fahre einfach immer weiter und als ich das Gefühl habe, nicht mehr klar zu kommen, mache ich halt Pause. Von den 666 km heute sind es tatsächlich sagenhafte 465 km bis zum ersten Passknackerpunkt. Uffff... Hab ich mal erwähnt, dass mir der Privatbesitz eines Transporters immer sympathischer wird?
Nach einem Blick aufs Navi, die Route macht einen Halbkreis zum ersten Punkt, um länger auf der Autobahn zu bleiben, werfe ich einen Wegpunkt in die Landschaft, weil ich keine Lust mehr auf Autobahn habe. Es ist da monoton und außerdem sehr heiß. Das bringt eine echte Verbesserung, auch wenn ich mir anfangs Sorgen mache, ob ich in meinem Zustand Überlandstrecken fahren sollte. So verlasse ich einen Kreisel mit hohem Verkehrsaufkommen an der zweiten Auffahrt und merke hinterher, dass ich dabei permanent rechts geblinkt habe. Danke fürs Aufpassen, unbekannter Autofahrer, der Du an der 1. Auffahrt doch gewartet hast! Aber die Kondition wird schnell besser. Es ist wirklich spürbar kühler, und die Abwechslung hilft sehr.
Und irgendwann ist dann auch endlich der erste Pass erreicht. Tataaa!
Jetzt wird's schön
Nur noch Pässe! Bzw. Passknackerpunkte. Die sind fast alle einsame Nebenstrecken in einer opulenten Motorradregion. "Kalte Kuchl" (Ortsname) ist ausgeschildert, und hier wedeln entgegenkommende Motorradfahrer ganz besonders mit den Armen - klarer Fall von Problemstrecke. Logo, Einzugsgebiet von Wien, langes Wochenende, Spitzenwetter. Gut, dass ich vorher abbiegen muss. Keine Sorge, die andere Seite der Strecke und der Ort kommen später im Jahr. Ich wechsle in den Wiener Wald. Hier ist weniger los, es ist sehr ländlich und überraschend wenig touristisch.
Wind gibt's hier wohl auch mal.
Vermutlich coolster Name aller Passknackerpunkte:
Oberpirat!
So knacke ich mich die geplante Route entlang, und alles klappt einwandfrei. Keine Sperrungen, Baustellen, Umleitungen. Kurz vor dem Hotel ist eine Tankstelle, das Hotel ist leicht zu finden und das Zimmer ist für 50.- voll in Ordnung - Doppelzimmer mit Ecksofa!
Nach der Dusche suche ich mir etwas zu Essen. Alles hat hier samstags zu, außer Rotlicht-Bars und ein Italiener, der mit Burgern wirbt. Okay. Auf einer Tafel beim Italiener stehen auch Spare Ribs. Die wollte ich schon lange mal wieder
Leider sind nicht besonders zart, die Sauce ist weder rauchig noch süß, die Wedges schmecken nur nach Frittierfett. Und bei 20,90 spare ich auch nichts. Schade! Danach kriegt die Versys noch einen Hauch mehr Kettenspannung.
666 km heute. 2x getankt. 34,1% Österreich. Rangliste Platz 6.